Von Lügen und ihren Folgen - spannender Psychothriller
„Wenn man im Haus eines anderen wohnt, müsste man schon sehr gleichgültig sein, um sich nicht für das Lebens seines Besitzers zu interessieren.“
Elle Fielding ist Schriftstellerin. Ihr erstes Buch wird ...
„Wenn man im Haus eines anderen wohnt, müsste man schon sehr gleichgültig sein, um sich nicht für das Lebens seines Besitzers zu interessieren.“
Elle Fielding ist Schriftstellerin. Ihr erstes Buch wird ein so großer Erfolg, dass sie sich ihren Traum von einem Haus an der Küste Cornwalls erfüllen kann. Während sie zwei Wochen in Frankreich als Gastrednerin in einem Schreibseminar arbeitet, vermietet Elle ihr Haus an Feriengäste. Nach ihrer Rückkehr sollte sie eigentlich dringend an ihrem nächsten Buch arbeiten. Doch plötzlich fühlt sie sich in ihrem eigenen Haus nicht mehr wohl. Einiges weist darauf hin, dass die Feriengäste in Ihre Privatsphäre eingedrungen sind und sich in ihrem abgeschlossen Schreibzimmer aufgehalten haben. Außerdem hört sie immer wieder Geräusche und ist davon überzeugt, beobachtet und verfolgt zu werden. Hat es tatsächlich jemand auf sie abgesehen?
Die Geschichte wird auf mehreren Ebenen erzählt. Es wird hauptsächlich chronologisch im Präsens geschildert, was Elle nach ihrem Frankreichurlaub erlebt. Zusätzlich werden in Rückblenden wichtige Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit dargestellt. In mit „Vorher“ betitelten Kapiteln beschreibt außerdem der Feriengast anonym seine Eindrücke und Erfahrungen während seines Aufenthalts in Elles Haus. Teilweise leiten interessante Zitate von Elle zu verschiedenen Themen rund ums Schreiben neue Leseabschnitte ein. Der Roman ist in unkomplizierter, leicht verständlicher und klarer Sprache verfasst.
Elle lebt in ihrem Luxushaus ihren Traum, geht ihrer Arbeit als Schriftstellerin in idyllischer Umgebung nach, so hat sie beim Schreiben stets das Meer vor Augen. Das Leben als Autorin hat jedoch auch Schattenseiten, Elle muss auf Knopfdruck neue Geschichten liefern. Sie steht gerade ziemlich unter Druck, denn ihr zweites Buch mag nicht recht voranschreiten. Weil Elle sich verfolgt fühlt, kann sie sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren. Dass Elle kein reines Gewissen, dafür aber einige Geheimnisse hat und in der Vergangenheit verschiedenen Leuten auf die Füße getreten ist, wird recht schnell klar. Auch gibt es sicher Personen, die ihr den aktuellen Erfolg neiden. Elles Schwester Fiona, die mit Mann und Sohn in der Nachbarschaft lebt, glaubt dennoch nicht daran, dass Elle einen heimlichen Stalker hat und auch ich als Leserin war nicht sicher, ob man ihren Wahrnehmungen tatsächlich trauen kann, wirkt sie doch nicht immer ganz aufrichtig. Elles Leben gerät zunehmend aus den Fugen. Auch wenn sie mir suspekt war, tat mir die Protagonistin leid. Ihr zunehmender „Verfall“ wird sehr packend beschrieben.
Wird Elle wirklich verfolgt oder spielen ihr die Nerven nur einen Streich? Welche Leichen hat Elle selbst in ihrem Keller?
Der Roman beginnt recht gemächlich, doch steigert sich die Spannung kontinuierlich. Lucy Clarke schafft im Verlauf eine spezielle, beunruhigende Atmosphäre. Man hört beim Lesen förmlich das Ticken einer Zeitbombe, die kurz vor dem Explodieren steht. Elle verliert zunehmend die Kontrolle über ihren Alltag, ihre Situation spitzt sich immer mehr zu.
Sehr bildhaft, beinahe spürbar werden Elles Ängste und ihre Gefühle der Bedrohung beschrieben. Nach und nach ergeben Elles Vergangenheit und die aktuellen Geschehnisse ein komplexes Gesamtbild. Wiederholt ist sie in Lügen verwickelt, die gravierende Folgen haben können. Doch welche Lügen echte Lügen sind, ist dabei nicht immer eindeutig zu erkennen. Raffiniert werden so wiederholt falsche Spuren gelegt. Zum Ende kommt es zu einigen interessanten Wendungen. „You let me in“ ist für mich ein geschickt konstruierter, spannender Psychothriller, der ganz ohne Blutvergießen auskommt und dennoch Gänsehaut garantiert.