Ein raffiniertes, großartiges Buch über die Wechselbeziehungen von Realität und Fiktion!
Worum geht's?
"Sehen Sie, man kann sich in eine Sache genauso verlieben wie in einen Menschen. Eine Sache kann dieselben chemischen Reaktionen auslösen: Oxytocin und Vasopressin. Weiß ich von Fatima. ...
Worum geht's?
"Sehen Sie, man kann sich in eine Sache genauso verlieben wie in einen Menschen. Eine Sache kann dieselben chemischen Reaktionen auslösen: Oxytocin und Vasopressin. Weiß ich von Fatima. Ihr Buch war der Beweis." (S. 9)
Miri, Soleil und Penny können es kaum glauben, als die umschwärmte Bestsellerautorin Fatima Ro ausgerechnet sie zu ihrer neuen Clique auserwählt. Selbst der verschlossene Jonah, der neu an der Schule ist und nur verhalten Freundschaft mit den drei It-Girls geschlossen hat, scheint in Fatimas Gegenwart aufzublühen.
Gemeinsam beginnen sie Fatimas Theorie der zwischenmenschlichen Beziehungen zu teilen, die zum Ziel hat, einander die tiefsten Wahrheiten anzuvertrauen, und gründen sogar eine neue Bewegung an ihrer Schule. Doch dann erscheint Fatimas neues Buch - und sie finden sich selbst in der Geschichte wieder. Fatima bringt darin ein schreckliches Geheimnis ans Licht. Und nichts kann je wieder so werden, wie es war ...
Was mich neugierig gemacht hat:
Mich hat zum einen die Grundidee mit der geheimnisvollen Bestsellerautorin und ihrem Fan-Club aus der High Society-Szene gereizt, zum anderen die Erzählweise des Buches in Interviews, Tagebucheinträgen und Romanauszügen. Ich war gespannt auf große Geheimnisse und eine Geschichte, in der man nicht weiß, wem man trauen kann.
Außerdem hat die Autorin Lygia Day Peñaflor mich neugierig gemacht, die Kinderstars an Film- und Fernsehsets unterrichtet und mit „All of this is true" ihr zweites Buch vorlegt bzw. das erste, das nun auch in Deutschland erschienen ist.
Wie es mir gefallen hat:
Die ganze Handlung, um die dieses Buch sich dreht, hat sich schon in der Zeit vor Einsetzen der ersten Zeilen ereignet: Nun müssen die Protagonistinnen sich mit dem Geschehenen und seinen Konsequenzen auseinandersetzen.
Während Miri und Penny jeweils ihre Sicht der Dinge gegenüber dem Moderator der Sendung "Nackte Wahrheiten" im Push Channel 21 preisgeben, hat Soleil alles in ihrem Tagebuch festgehalten, dessen Einträge sie dem New York City Magazine zur Veröffentlichung überlassen hat.
Ergänzt werden die Enthüllungen durch Auszüge aus Fatima Ros neuem Roman, der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen ist.
Durch die kurzen Abschnitte entwickelt sich ein regelrechter Sog und man verspürt den Drang, ohne Unterbrechung weiterzulesen.
Mich als Leserin und auch Schreiberin konnte Fatimas Figur sehr faszinieren. Bis zum Ende ist es mir nicht gelungen, sie auf eine bestimmte Seite zu stellen. Sie wird nur durch die Berichte von Miri, Penny und Soleil und ihre eigenen Texte greifbar und scheint dadurch geradezu über allem zu schweben.
Durch sie und ihre Werke "Undertow" und "The Absolution" (im Deutschen leider zu "Die Lossprechung des Brady Stevenson" geändert) erhält die Handlung raffinierte Parallelen und wirft interessante Fragen auf: Was kann Literatur leisten und wo stößt sie an ihre Grenzen? In welchem Maße kann sie unmittelbaren Einfluss auf die Wirklichkeit nehmen? Woher beziehen Menschen ihre Inspiration? Wo verschwimmen die Grenzen von Realität und Fiktion, wo die von Vertrauen und Verrat?
Das Buch erzählt eine fiktive Geschichte, in die wiederum zwei fiktive Geschichten eingebettet sind, und das ist schlichtweg genial umgesetzt.
Nach Sympathieträgern sucht man in diesem Buch vergeblich, aber gerade das hat mir sehr gut gefallen. Die Figuren sind schwierig - Jonah mit seinem dunklen Geheimnis, Miri, die sich gern wichtig macht und Fatima als Idol sieht, genau wie alle anderen.
Neben Fatima war für mich besonders Penny sehr gut dargestellt - ihre Beweggründe waren nicht gleich klar, zogen sich aber bei näherem Hinsehen durch all ihre Worte und Handlungen.
Insgesamt hat die Autorin eine sehr authentische und dynamische Figurenkonstellation geschaffen.
Während des Lesens hat man den Eindruck, das Geheimnis um Jonah sei das Spannende an der Geschichte, aber rückblickend ist es für mich etwas anderes: die Verkettung der Ereignisse, die Entstehung und die Folgen von Fatimas Buch.
„All of this is true" ist definitiv kein Mainstream und erhält von mir eine große Leseempfehlung!
(Für wen) Lohnt es sich?
Ich würde das Buch ab ca. 15 Jahren empfehlen, nach oben offen, und zwar für alle, die sich gern auf ungewohnte Arten des Erzählens einlassen und bei einer glänzenden Fassade auch bereit sind, tiefer zu graben.
Das Besondere des Buches entfaltet sich dadurch, dass alles von hinten aufgewickelt wird. Das bedeutet zugleich aber auch einen Schwerpunkt auf den Entwicklungen statt auf spannungsreichen Wendungen. Wer hier Thrillerelemente erwartet, könnte enttäuscht werden.
In einem Satz:
„All of this is true" ist ein unterhaltsamer, ungewöhnlich konzipierter und nachdenklich stimmender Jugendroman, der sich mit einer sehr spannenden Thematik auseinandersetzt: In welchem Verhältnis kann Fiktion zu der Realität stehen und welchen Einfluss kann die eine auf die andere nehmen?