Spannend, aussagestark und auf jeden Fall lesens-/ bzw. hörenswert.
Es ist ein Roman, den ich NICHT mithilfe von Maßstäben, die für einen gewöhnlichen Roman ausreichen, beurteilen würde. Er ist sehr eigen, keineswegs etwas von der Stange, ungewöhnlich, im positiven Sinn. ...
Es ist ein Roman, den ich NICHT mithilfe von Maßstäben, die für einen gewöhnlichen Roman ausreichen, beurteilen würde. Er ist sehr eigen, keineswegs etwas von der Stange, ungewöhnlich, im positiven Sinn. Mit eindringlichen Bildern führt er vor Augen, was Wassermangel bedeutet, wie es den Menschen dabei ergeht, wie sich der Wassermangel auf das Leben der Bevölkerung auswirken würde usw.
Der Roman hat mich zum Schluss auch überrascht. In beiden Erzählsträngen. Diese wurden abwechselnd erzählt. Der eine spielt im Jahr 2041. David ist mit seiner Tochter in Südfrankreich aufgrund des Wassermangels auf der Flucht und landet in einem Flüchtlingslager dort.
Im anderen Erzählstrang segelt Signe, eine 70-jährige Naturschutzaktivistin, von Norwegen allein nach Südfrankreich und erzählt aus ihrem Leben: über ihre Kindheit, ihren Vater, der gegen die Vernichtung der Natur zugunsten des wirtschaftlichen Fortschritts protestiert hatte, über ihre große Liebe Magnus und warum nichts daraus geworden war uvm.
Beide Erzählstränge fand ich spannend und bei beiden konnte ich wunderbar mitgehen. Es war keine Spannung, wie man die in Thrillern und Krimis nach Schema F vorfindet, vielmehr war es die subtile Spannung, die u.a. dadurch entsteht, dass man mitdenkt, mitfühlt, miträtselt: Wie es weitergeht, was mit David und seiner Tochter passiert, wo ist seine Frau mit Baby geblieben war, wie das Ganze zum Schluss kommt usw., was mir während des Hörens gar nicht schwerfiel. Auch weil der Roman so gut, so eindringlich, mit so einer Hingabe gelesen wurde.
Die Autorin konzentriert sich auf das, was sie sagen will, den Rest lässt sie einfach weg. So gelingt es ihr, die Aussagen, die ihr wichtig sind, an die Leser sehr direkt und zum Greifen nah heranzutragen.
An expliziten Botschaften mangelt es nicht, aber die versteckten, davon gibt es schon ein paar, gerade die sind es, die diesen Roman so lesenswert und beeindruckend machen, da sie mächtig zum Nachdenken anregen. Insofern ist es ein Appell gegen die neoliberale Gesellschaftsordnung, bei der Raub an der Natur an der Tagesordnung steht, ein Appell gegen diese Unsitte, kurzfristige Erfolge weniger Reicher vor den langfristigen Auswirkungen ihres Handelns auf das Leben der gesamten Gemeinschaft zu stellen. Die Zustände im Jahr 2041 sind geradezu erschreckend. Das ist kein Leben, es ist Dahinvegetieren, was zum Schluss ohne Wasser auch eher schwer zu bewerkstelligen ist.
Der Roman ist auch mMn ein Plädoyer gegen Individualismus, gegen die Gesellschaftsordnung, in der es keine Gemeinschaft gibt, bloß eine bestimme Anzahl an Egoisten, die keine Ahnung haben, was eine Gemeinschaft ist und wozu sie gut sein kann. So viel sollte aber klar sein: Homo Sapiens entstand in der Gemeinschaft. So hat er nicht nur überlebt, er hat sich prächtig entwickelt. Nun treiben einige reiche Egoisten die Menschheit in den Abgrund, an dessen Rand sie sich bereits befindet. Der Rest (der weniger reichen Egoisten) schaut tatenlos zu, höchstens versucht jeder für sich seine eigene Situation irgendwie zu gestalten, was natürlich keine Lösung ist, da es eine gemeinschaftliche Anstrengung bedarf. Deshalb ist das Ende offen, weil man nicht absehen kann, wie es von dort aus weitergeht, ob die Menschheit, wenn man sich die heutigen Tendenzen anschaut, überleben wird.
Beide Erzähler, Christiane Blumhoff und Shenja Lacher, haben sehr gut gelesen. Christiane Blumhoff hat u.a. bewiesen, dass sie viel mehr als „nur“ Mamma Carlotta kann. Ihre Stimme passte zu Signe und ihrer Lebensgeschichte ganz hervorragend. Shenja Lacher kannte ich vorher nicht. Bin auf seine weiteren Einsätze gespannt.
Fazit: Ich finde den Roman spannend, aussagestark und auf jeden Fall lesens-/ bzw. hörenswert. Er ist mit Sicherheit kein 08/15 Ding, keine Schmonzette, daher sollte er nicht nach solchen Maßstäben gemessen werden. Vier gute Sterne gibt es von mir. Den Erstling von Maja Lunde werde ich mir auch bei Gelegenheit anhören.