Cover-Bild Die Wut, die bleibt
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 384
  • Ersterscheinung: 22.03.2022
  • ISBN: 9783498002961
Mareike Fallwickl

Die Wut, die bleibt

Mareike Fallwickls Roman über die Last, die auf den Frauen abgeladen wird, und das Aufbegehren: radikal, wachrüttelnd, empowernd.

Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.

Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.

Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.04.2022

Wichtig, eindringlich, grandios erzählt

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TW: Suizid, sexualisierte und körperliche Gewalt, Essstörung, selbstverletzendes Verhalten

Inhalt:
Es wird ihr alles zu viel. Der Mental Load, der scheinbar in einer Parallelwelt lebende Ehemann, die ...

TW: Suizid, sexualisierte und körperliche Gewalt, Essstörung, selbstverletzendes Verhalten

Inhalt:
Es wird ihr alles zu viel. Der Mental Load, der scheinbar in einer Parallelwelt lebende Ehemann, die Kinder, welche stets verlangen, rufen, toben, die Pandemie, die Einsamkeit und der Satz "Haben wir kein Salz" am viel zu lauten, viel zu vollen Esstisch. Und Helene steht auf, geht auf den Balkon und springt wortlos in den Tod, verlässt ihre Familie, ihre beiden kleinen Söhne Maxi und Lucius ihre fünfzehnjährige Tochter Lola, ihre beste Freundin Helene.
Und diese Menschen versuchen, weiterzuleben. Sarah übernimmt allzu schnell und allzu leicht Helenes Rolle und merkt erst nach Wochen, was schief läuft, Lola kann vor Verachtung für die Frauen in ihrem Leben nicht mehr essen und schlafen und so sucht jede ihren Weg, mit der Trauer umzugehen oder ihr Ventil, um die Wut zu kanalisieren.

Der Beginn:
Natürlich war es klar, dass ich dieses Buch einfach lesen musste, nachdem mir "Dunkelgrün fast schwarz" so sehr und "Das Licht ist hier viel heller" immer noch sehr gut, wenn auch weniger gut gefallen hat. Angefixt durch die begeisterten Rezensionen, die lobenden Worte, die tiefgründigen, lauten, wütenden, rotzigen, packenden Schnipsel, welche Mareike Fallwickl bei Instagram bereits veröffentlicht hatte, habe ich mir das Buch vorbestellet und hielt es dann wenige Tage nach dem Erscheinungstermin in den Händen. Aber die ersten Seiten haben nicht das geweckt, was ich zu spüren erwartete. Einige schrieben von Tränen, von Schmerz, mir war dieser Anfang zu schlicht und offensichtlich. Bei mir dauerte das ein wenig länger, aber dann wurde ich um so heftiger gepackt.

Die Wut, die bleibt:
Irgendwann kam die Wut. Vielleicht, als Sarah plötzlich beginnt, bei Helene zu putzen, vielleicht, als Helenes Mann Johannes einmal mehr mitten im grössten Chaos das Haus verlässt und sich um nichts kümmert, auch nicht um seine Kinder, vielleicht, als diese kleinen Kinder nicht mehr aufhören, sich gegenseitig zu ärgern, vielleicht, als Lola und ihre beste Freundin erleben müssen, wie ihre Grenzen von Männern nicht respektiert werden.
Was wurde ich - einmal mehr - wütend auf eine ganze Generation von Frauen, welche sich ganz selbstverständlich in den Haushalt hineingefügt, ihrem Mann den Rücken freigehalten, ihre Kinder bespasst und dabei ihre eigenen Ziele und Träume aufgegeben haben. Ohne zu fordern, ohne für sich einzustehen, ohne ihren Kindern gute Vorbilder zu sein, ohne diesen eigentlich genau die Werte mitzugeben, welche sie ihnen mitgeben wollten, weil es schlicht nur zum Überleben gereicht hat. Und was wurde ich wütend auf diese Männer, welche - von ihren Müttern so erzogen (und diese unendliche Wut auf diese Mütter) - nur fordern, nur verlangen, nur Raum einnehmen, nur laut sind, stark, gewalttätig. Die es gewagt haben, unsere Gesellschaft nach ihren Rahmenbedingungen zu formen.

Lola:
Ich denke, dass wir alle uns in unterschiedlichen Figuren in diesem Buch wiedererkennen und ich selbst habe mich Helenes Tochter Lola so unendlich verbunden gefühlt. Habe mich gefragt, wann Sarah sich für ihre "Dienste" endlich bezahlen lässt, endlich einmal aufbegehrt, für sich einsteht, reinen Tisch macht. Habe mich - einmal mehr - gefragt, weshalb Frauen Kinder haben mit Männern, die schon als Partner nichts taugen, nur eine Last sind, zusätzliche Arbeit machen. Und die sich dann irgendwann zwischen vollen Windeln und dem unerledigten Abwasch fragen, wo sie eigentlich falsch abgebogen sind.
Und wisst ihr, was meine Wut noch grösser gemacht hat?
Lola begehrt auf. Sie gewinnt die Kontrolle zurück über ihren Körper, sie nimmt ab, mehr und mehr. Ungesund viel, verletzt sich selber, leidet und entscheidet sich dann, zurückzuschlagen und wieder zuzunehmen und schliesslich auf die Ansprüche an den weiblichen Körper, die Rollenbilder und die Bewertungen zu scheissen. Und dies alles zeigt doch um so deutlicher, wie sehr wir alle in diesem Patriarchat unterdrückt sind, weil es eben genau dann, wenn wir entscheiden, sämtliche Bewertungen, alle diese Verletzungen und Einschränkungen nicht mehr zu akzeptieren, eben doch wieder um genau diese Einschränkungen geht und um die Menschen, welche dafür verantwortlich sind. Lola nimmt also nicht zu, weil sie selber einfach wieder so richtig Lust auf geile Gerichte hat, sie nimmt zu, um der Gesellschaft zu zeigen, dass es in Ordnung ist, zuzunehmen. Sie trainiert nicht, weil sie Freude am Sport gewonnen hat, sondern um ihre Wut und Angst zu kanalisieren und im Notfall zurückschlagen zu können.
Und so sind alle Frauenfiguren in diesem Buch durch eine gemeinsame traurige Wahrheit verbunden. Es ist die selbe traurige Wahrheit, welche uns alle vereint: wir werden oft erst aktiv und laut und wütend, wenn uns bereits etwas angetan worden ist, das unsere Welt erschüttert, unsere Grenzen, Körper und Seelen verletzt hat.

Der Humor:
Überrascht hat mich, wie humorvoll dieses Buch neben aller Ernsthaftigkeit ist. Es ist ein schwarzer aber mitten aus dem Leben gegriffener Humor. Ein Humor, der schallend lachen lässt und dann ein wenig Bitterkeit hinterlässt.
Vor allem diese eine Szene hat mich bestens unterhalten: Sarah betritt Helenes Wohnung und trifft eine laute Diskussion an, ein Kind, das ihr entgegenrennt und dabei einmal der Länge nach hinfällt und ein zweites Kind, das in der auf den Sturz folgenden Stille mitten ins Wohnzimmer kotzt, unmittelbar, bevor der Vater das Haus verlässt, um arbeiten zu gehen. Was habe ich gelacht, kannte ich doch genau solche und ähnliche Szenen von meiner jahrelangen Arbeit als Nanny. Der Unterschied zu einer Mutter oder einer besten Freundin genau dieser kürzlich vom Balkon in den Tod gesprungenen Mutter? Ich bin für meine Arbeit bezahlt worden, wenn auch nicht immer angemessen... (und jetzt seht ihr, wie die Bitterkeit ins Spiel kommt).

Die Sprache:
Ja, die Männerfiguren in diesem Buch sind und bleiben eher blass, unbeholfen und so gar nicht empathisch, ja, die (erwachsenen) Frauen im Roman sind ein wenig gar selber verantwortlich für die scheinbar ausweglose Situation, in die sie sich in ihrer Beziehung manövriert haben, aber dies spielt eine untergeordnete Rolle, vielmehr werden nämlich Lola und ihre Freundinnen ins Zentrum gestellt. Junge Frauen, welche sich nichts vorschreiben lassen wollen, welche zurückschlagen, sich wehren, ihre weiblichen Vorbilder hinterfragen und am Ende zusammenstehen. Und sich - auch wenn sie rational gesehen einen falschen Weg wählen, um ihre Wut auszudrücken - unterstützen anfeuern und damit sich selber und der älteren Generation Steine aus dem Weg räumen. Wortgewaltig reisst Fallwickl Fassaden ein, um Missstände aufzuzeigen und baut Brücken, um Frauen einander die Hand reichen zu lassen.
Wie Sarah immer noch mit ihrer besten Freundin Helene spricht, sich an gemeinsame Erlebnisse erinnert und Kraft aus diesen "Unterhaltungen" zieht, hat mich tief berührt. Die Lücke, welche Helene in Sarahs und Lolas Leben hinterlassen hat, ist permanent spürbar. Dieser Verlust, diese Liebe und dieser Schmerz sowie der Umgang und auch das Hadern mit diesem Verlust sind äusserst realistisch und bewegend beschrieben und in diesen Szenen wird fast schon zart erzählt, während andere Szenen brutal sind, roh, ungezähmt und messerscharf.

Meine Empfehlung:
Lest dieses Buch, sprecht darüber, sprecht über euch und eure Belastungen, sprecht über Ängste, Sorgen, Bedürfnisse, über angemessene Bezahlung und Freizeit und hört endlich auf, alle Probleme dieser Welt alleine lösen zu wollen, weil ihr anderen nicht zugestehen wollt, ihren Teil beitragen zu müssen. Aber noch einmal und vor allem: lest dieses Buch.

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Veröffentlicht am 27.06.2023

Wichtig und ehrlich

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Inhalt:
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher ...

Inhalt:
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit
Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein.

Meine Gedanken:
Schon seit Erscheinen hatte ich das Buch im Auge und wollte es unbedingt lesen, weil es so sehr aus dem Leben genommen klingt. Und ich wurde nicht enttäuscht! Die Autorin schafft hier eine Atmosphäre, die ehrlicher und echter nicht sein könnte. Wir lernen die Familie kurz nach dem Tod der Mutter kennen. Die große Tochter, Lola, ist wütend und versucht irgendwie, einen Weg für ihre Wut zu finden. Man muss diesen Weg nicht gut finden, aber er ist nachvollziehbar. Die beste Freundin der Mutter, Sarah, versucht, die Familie am Leben zu halten. Dabei verliert sie sich und ihr Leben, geht ganz in dem Kümmern um die anderen auf. Auch Sarah ist wütend, was auf vielen Seiten sehr spürbar wird. Im Klappentext wird mit drei Frauen geworben, was ich nur bedingt so unterschreiben kann. Ich hatte leider das Gefühl, dass alle Figuren in dem Buch eher blass geblieben sind. Die Mutter, Helene, lernt man als Leser nur durch Gedanken und Erinnerungen von Sarah und Lola kennen. Das finde ich sehr schade, ich hätte mir ein paar wenig Szenen aus Helenes Sicht gewünscht um zu verstehen, was sie für ein Mensch war. Vielleicht sollte das aber genau so sein. Vielleicht ist es Absicht, dass man beispielsweise den Vater fast ausschließlich negativ wahrnimmt. Diese Geschichte ist wichtig und ehrlich. Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn für mich ein bisschen was gefehlt hat und man hätte mehr daraus machen können.

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Veröffentlicht am 11.01.2023

Wann wart ihr das letzte Mal so richtig wütend? Ich war es nach diesem Roman 😡

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Eine Mutter, die aus dem Fenster springt, und damit das Leben ihrer drei Kinder, ihres Mannes und ihrer besten Freundin gehörig erschüttert. Das ist die Ausgangssituation, von der aus Autorin Mareike Fallwickl ...

Eine Mutter, die aus dem Fenster springt, und damit das Leben ihrer drei Kinder, ihres Mannes und ihrer besten Freundin gehörig erschüttert. Das ist die Ausgangssituation, von der aus Autorin Mareike Fallwickl ihre Protagonistinnen Lola (die jugendliche Tochter) und Sarah (die beste Freundin) in die Zeit nach dem Selbstmord von Helene (der Mutter) entlässt.

Während Lola sich viel mit den Gesellschaftsstrukturen, die ihrer Ansicht nach Helene in den Tod getrieben haben, beschäftigt, setzt sich Sarah vor allem mit ihrem Körper und der Frage, was es heißt Mutter zu sein, auseinander. Auf ihre eigene Weise lernen beide Frauen für sich selbst einzustehen und sich gegen Unterdrückung, Ungleichheit und Vorurteile durchzusetzen.

Für mich ist "Die Wut, die bleibt" ein Roman, den ich zum Lesen empfehlen kann - vor allem, wenn man verstehen möchte, mit welchen Herausforderungen Frauen in unserer Gesellschaft zu kämpfen haben. Auf der anderen Seite ist auch etwas Vorsicht geboten, dass man im Anschluss nicht das männliche Geschlecht über einen Kamm schärt und es mit eben den Vorurteilen, von denen sich die Frauen des Romans befreien, zum stereotypischen Feindbild macht.

Persönlich habe ich mir daher "Sei kein Mann" von JJ Bola im Anschluss an "Die Wut, die bleibt" gekauft. Ich bin sicher, dass beide Bücher zusammen - eins aus der weiblichen, eins aus der männlichen Perspektive - die Herausforderungen unserer Zeit einzufangen vermögen.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Ein wichtiges Buch!

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Meinung: Helene springt. Gleich am Anfang des Buches springt sie aus dem zwölften Stock vom Balkon, nachdem ihr Mann Johannes beim Abendessen mit ihren drei Kindern in den Raum gefragt hat, ob es denn ...

Meinung: Helene springt. Gleich am Anfang des Buches springt sie aus dem zwölften Stock vom Balkon, nachdem ihr Mann Johannes beim Abendessen mit ihren drei Kindern in den Raum gefragt hat, ob es denn kein Salz gibt. Die Erwartungen an sie bzw an viele Frauen, vor allem während der Corona Pandemie, waren einfach zu viel. Johannes hat einfach weiterarbeitet und für das Geld gesorgt während Helene mit ihren beiden kleinen Söhnen und ihrer Teenager Tochter Lola zuhause war und den gesamten Haushalt und die Kindererziehung inklusive Lockdowns und Home-Schooling allein bewältigt hat. Ihre Familie und ihre beste Freundin Sarah sind schockiert. Natürlich. Und besonders, weil Helene doch nie etwas gesagt hat. Sie war immer glücklich. Höchstens mal in einem Witz, den sie gemacht hat, hätte man ihre Erschöpfung und Verzweiflung raushören können. Aber sie hat sich nie beschwert. Sie war nie wütend.
Das Buch wird abwechselnd aus der Sicht von Sarah und Lola geschrieben, die sich beide im Laufe des Buches weiterentwickeln.
Sarah schlüpft ganz selbstverständlich in die Rolle der Ersatzmutter, denn Johannes ist überfordert und geht arbeiten. Sie hat selber keine Kinder und führt eine Beziehung mit einem jüngeren Mann, mit dem sie gefühlt nur der Sex verbindet. Langsam aber sicher nimmt sie den Platz von Helene ein. Sie stören viele Dinge. In ihrem Leben, mit ihrem Freund, mit Johannes. Doch sie sagt nichts und funktioniert einfach. Muss funktionieren, sie ist doch eine Frau.
Lola stürzt durch den Selbstmord ihrer Mutter in selbstverletzendes Verhalten und Magersucht. Bis sie und ihre beste Freundin in eine brenzlige Situation geraten, denn danach besuchen sie einen Selbstverteidigungskurs für Frauen. Ihr Charakter ändert sich komplett. Sie wird schneller erwachsen als sie sollte. Und sie wird wütend.
Insgesamt ist es ein sehr radikales Buch. Es zeigt, was man nicht sehen will. Es legt einem die Missstände dar und man kann es nicht ignorieren. Ich selber konnte mich mit keiner der Protagonistinnen ganz identifizieren, aber ich konnte sie verstehen. Oft habe ich genickt und mich in manchen Gedanken von ihnen selbst erkannt. Feminismus ist nichts, was fertig ist. Auch wenn sich bereits einiges getan hat, ist es noch lange nicht gut. Nach wie vor spielen Frauen nach den Regeln, die Männer gemacht haben. Und sagen nichts. Werden nicht wütend. Denn dann wären sie ja zickig, oder würden überreagieren und nicht ernst genommen werden.
In der Geschichte von Lola kommt es im Laufe des Buches zu viel Gewalt. Ich verstehe, wieso die Autorin dieses drastische Mittel gewählt hat. Es soll aufschrecken. Das tut es. Es soll zeigen, dass man nichts ändern kann, wenn man in den Grenzen bleibt. Feminismus darf. Wir leben mit Regeln, mit denen wir schon aufgewachsen sind. Die tief in uns gefestigt sind. Das muss sich ändern und dazu braucht es etwas heftiges. Mir war es jedoch insgesamt zu gewaltverherrlichend.

Fazit: Insgesamt ein unglaublich wichtiges Buch. Ich kann es jeder und jedem empfehlen. Es rüttelt auf, es ist emotional, es tut weh. Das Buch vergisst man nicht - und das ist gut so.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Ein aufrüttelnder, feministischer Roman

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"Der Zorn in ihr ist nicht mehr der kleine, hämmernd heiße Ball. Er hat sich über ihr Inneres gestülpt und sie vollständig ausgekleidet. Es ist still, sie schlafen ein, sie haben einen gemeinsamen Frieden, ...

"Der Zorn in ihr ist nicht mehr der kleine, hämmernd heiße Ball. Er hat sich über ihr Inneres gestülpt und sie vollständig ausgekleidet. Es ist still, sie schlafen ein, sie haben einen gemeinsamen Frieden, oder vielleicht ist es die Ruhe vor dem Sturm. Denn da ist ein Ziehen und ein feines, glühendes Simmern. Das ist die Wut, die bleibt."

Mitten in der Pandemie steht Helene eines Tages während dem Abendessen mit der Familie auf und stürzt sich 12 Meter den Balkon hinunter. Dieser Akt verändert alles unwiederbringlich: er rüttelt den Leser wach, er verändert das Leben von Helenes Familie radikal, allen voran der fünfzehnjährigen Tochter Lola, und Helenes bester Freundin Sarah. Fortan erzählen Lola und Sarah kapitelweise diesen Roman, das Leben nach diesem abrupten Halt oder Riss. Helene hinterlässt einen leeren Platz, der nur schwierig zu füllen ist. Beide Frauen realisieren nach und nach, wie viel Helene auf sich genommen hat, dass sie sich nie beschwert hat, wie schwierig dieser Stempel Mutter ist, wieviele Positionen gleichzeitig zu besetzen sind. Und wie die Männer meist alles voraussetzen und nie erkennen, wieviel Arbeit dahinter steckt. Wie hilflos sie im Umgang mit ihren eigenen Kindern sein können. Wieviel Ungleichheit da immer noch ist, selbst in 2022. Und noch so vieles mehr.

"Aber gleichzeitig hat sie verstanden: dass es gar kein Gleichgewicht war. Sondern verinnerlichter Glaube, dass die männliche Energie mehr wiegt als die weibliche, dass Männer lauter sein und mehr Platz einnehmen dürfen, ihre Wut rauslassen und ihre Aggression."

Dieses Buch ist einzigartig, wütend, zornig, laut und rüttelt wach. Ein feministisches, aktuelles Buch, welches zeigt, wie ungleich alles immer noch verteilt ist. Ich konnte mich mit beiden Protagonistinnen identifizieren, habe Teile von mir in Sarah und Teile in Lola wiedererkannt. Mit vielen der Themen habe ich mich schon auseinandergesetzt, jedoch fand ich die Themen im Roman nochmals sehr anschaulich umgesetzt. Lola war mir allerdings oft etwas zu radikal, zu impulsiv und zu kritisch, Sarah etwas zu langsam in ihrer Entwicklung. Insgesamt ein sehr interessantes, gut geschriebenes Buch zu einem nach wie vor aktuellen Thema.

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