Fulminanter Abschluss dieser grandiosen Familien-Saga
Über die vergangenen Jahre habe ich begeistert das Schicksal der sympathischen Kaufmannsfamilie in Stuttgart verfolgt, daher war ich mehr als gespannt auf den finalen Band der Schokoladenvilla-Trilogie ...
Über die vergangenen Jahre habe ich begeistert das Schicksal der sympathischen Kaufmannsfamilie in Stuttgart verfolgt, daher war ich mehr als gespannt auf den finalen Band der Schokoladenvilla-Trilogie (Penguin Verlag, 2020). Erneut hat der fesselnde Erzählstil von Erfolgsautorin Maria Nikolai mich nur so durch die Seiten fliegen lassen und wie das nun mal so ist bei richtig guten Büchern, stand ich vor dem Dilemma, dass ich unbedingt weiterlesen musste und gleichzeitig nicht wollte, dass die Geschichte um die mir so liebgewonnenen Figuren tatsächlich endet. Alle drei Bände haben eine in sich geschlossene Handlung und können separat gelesen werden, dennoch würde ich diese mitreißende Saga allen Fans von historischen Romanen definitiv in ihrer Gesamtheit empfehlen.
Nach dem Tod des Familienoberhaupts kehrt die junge Chocolatière Viktoria im Sommer 1936 früher als geplant aus Frankreich nach Stuttgart zurück, um ihrer Mutter in der Trauer um den Vater beizustehen und sie bei der Führung der Schokoladenmanufaktur zu unterstützen. Jede Epoche bringt wohl ihre Schwierigkeiten mit sich, allerdings steuert Deutschland zu diesem Zeitpunkt auf die bis dahin schlimmste Katastrophe zu – die Anfeindungen gegen die jüdische Bevölkerung nehmen bereits erschreckende Ausmaße an; die Stimmung im Land ist aufgeheizt und angespannt. Auch auf Judith Rheinberger wächst der Druck; der Ortsgruppenleiter bedrängt sie, das Familienunternehmen zu verkaufen. In Hitlers Augen liegt die natürliche Bestimmung "für die anständige Frau […] darin, ihrem Mann ein gutes Heim zu schaffen, dem Führer Kinder zu gebären und in der rechten Gesinnung zu erziehen" – und nicht in der Leitung einer Fabrik. Zu allem Überfluss taucht zudem ein Fremder aus Amerika auf, der ihre Hilfe benötigt: Andrew Miller, der einst für sein Unternehmen SweetCandy Ltd. einen Kredit bei der Schokoladenfabrik Rothmann aufgenommen hatte und dessen Firma mit unerklärlichen Verlusten, womöglich Sabotage zu kämpfen hat. Bald wird deutlich, dass Judith und ihre Familie sich zu einem bis dahin undenkbaren Schritt durchringen müssen, wenn sie ihr Lebenswerk vor dem Niedergang bewahren möchten...
Im Vordergrund stehen dieses Mal Judiths Kinder Viktoria und Martin. Letzteren umgibt ein lange gehütetes Familiengeheimnis, das nun mit aller Macht ans Licht drängt und dessen Aufdeckung ich bereits seit dem Auftakt der Saga entgegenfiebere. Viktoria hat viele positive Eigenschaften vor ihrer Mutter geerbt – Mut, Pflichtbewusstsein, Neugier und Herzlichkeit. Sie ist eine fabelhafte Protagonistin, der man einfach nur Glück wünschen mag. Andrew Millers Persönlichkeit bzw. seine wahren (?) Motive haben mich bis zuletzt rätseln lassen; kann man ihm trauen?
Man spürt in jeder Zeile nicht nur das Herzblut der Autorin, das in diese so wohl durchdachte, spannende Geschichte eingeflossen ist, sondern auch die intensive Recherche zu den realen historischen Ereignissen – speziell den Aspekt um die Olympischen Spiele im Jahr 1936 fand ich unheimlich interessant. Ein besonderes Lob verdienen zudem die detaillierten, stimmungsvollen Beschreibungen des New Yorker Alltags der 1930er Jahre, welche das einzigartige Flair der Metropole und der damaligen Zeit wunderbar einfangen, sowie die Tatsache, dass die Autorin zwar ernste Themen in puncto Nationalsozialismus anschneidet, der Roman sich jedoch keineswegs darin verliert bzw. darauf reduziert wird.
Das edle, mit Golddruck und Glitzerpartikeln verzierte Cover verleiht dem sensationellen Abschluss dieser Familientrilogie den verdienten Glanz und strahlt mit seinen kräftigen, fröhlichen Farben jene Leichtigkeit und Eleganz aus, die der Geschichte seit Band 1 zugrunde liegen. Im Innencover befindet sich ein Rezept für weiße Erdbeer-Champagner-Trüffel, das einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Überhaupt verleitet die Lektüre zum ein oder anderen Schokoladengenuss. Eine umfangreiche Sammlung an Zusatzinformationen erwartet die Leser/innen im Anhang, wo Glossar, Personenregister (über fiktive und reale Persönlichkeiten) sowie Details zum historischen Hintergrund das Werk abrunden.
Fazit: Für mich war es der stärkste Band dieser ohnehin schon zauberhaften Buchreihe! Sehr ungern nehme ich Abschied von der Schokoladenvilla und freue mich schon jetzt auf die zukünftigen Romane aus der Feder von Maria Nikolai!