Meine Meinung
Einleitung
Ich war von Anfang an ziemlich skeptisch gegenüber diesem Buch, was vielleicht auch daran liegt, dass es schon 2014 erschienen ist und jetzt "erst" übersetzt wird. Aber halleluja, sieht es toll aus! Als ich es zum ersten Mal am Carlsen Stand auf der FBM gesehen habe, war es Liebe auf den ersten Blick. Die Geschichte konnte mich sogar fesseln...wenn ihr mehr dazu erfahren wollt, lest gerne weiter!
Cover, Haptik, Playlists & Co.
Das Cover ist einfach der absolute Hammer. Die Blüten auf dem matten Umschlag lassen sich richtig gut anfassen und fühlen sich samtig an. Ohne den Umschlag sieht das Buch übrigens noch schöner aus - und es fühlt sich noch samtiger an! ?? Die Schrift und die Farben passen einfach perfekt zusammen. Im Inneren ist zwar keine Playlist, dafür aber eine wunderschöne, detaillierte Karte von Valoria in pink gedruckt. Außerdem sind im vorderen Teil des Umschlages ein Textauszug sowie im hinteren Teil eine Kurzbiografie der Autorin + Übersetzerin zu sehen. Das Papier fühlt sich angenehm mitteldick an und die Seitenzahlen sind in derselben Schriftart wie der Titel gedruckt.
Kurze Zusammenfassung des Anfanges (Spoiler!)
Kestrel ist die Tochter des valorischen Generals. Seit dem die Valorianer das Land Herran vor 10 Jahren eingenommen haben, sind die Herrani Sklaven oder wurden ermordet. Durch eine plötzliche Eingebung ersteigert Kestrel mit ihrer besten Freundin Jess den Sklaven Arin zu einem völlig überteuerten Preis, da er musikalisch begabt ist und gleichzeitig für ihren Vater als Schmied nutzen könnte. Sie ist bei ihrem Vater besonders vorsichtig, da er möchte, dass sie ins Militär als Strategin geht oder einen jungen Mann heiratet. Er verbietet ihr auch, auf dem Klavier zu spielen und möchte, dass sie mit seinem Hauptmann trainiert, obwohl sie was das Kämpferische angeht, eher eine Niete ist. Nachdem Arin sich eingearbeitet und mit anderen Sklaven angefreundet hat, möchte Kestrel ihn immer öfter bei sich haben. Sei es bei einem Shopping-Trip mit ihrer besten Freundin oder einem Besuch bei einem Verehrer. Doch was Arin gar nicht abkann, sind Behauptungen, die sich auf herranische Götter beziehen und sie beleidigen. Er scheint sehr intelligent zu sein und freundet sich nach einigen Wortgefechten und Runden von "Biss-und-Stich", einem valorianischen Spiel, schließlich mit Kestrel an. Auf einem Ball dann fängt das Getratsche an, als Arin ein Buch aus dem Haus von Lord Irex stehlen möchte - es war früher, vor 10 Jahren, eigentlich sein Haus und sein Buch. Als Kestrel ihren Sklaven verteidigt, den Lord herausfordert und das Duell sogar gewinnt, verbreiten sich die Gerüchte, dass Kestrel einen Sklaven als Liebhaber halten würde, immer weiter. Sie verteidigt und verteidigt ihn, weil sie nicht ahnt, dass Arin einen Aufstand und somit die Revolution plant...ebenso, wie er das valorianische Volk ermorden kann.
Wenn ihr diesen Text spannend findet, solltet ihr euch unbedingt diesen Reihenauftakt kaufen!
Das Wichtigste: Schreibstil, Plot und Charaktere
Der Schreibstil hat mich positiv überrascht. Obwohl ich ja gar kein Freund der Erzählweise aus der dritten Person bin, konnte ich mir das Land, die Bräuche und die prächtigen Häuser sehr gut vorstellen. Marie Rutkoski erzählt abwechselnd aus der Sicht von Kestrel und Arin. Man konnte sich die Welt, die die Autorin kreiert hat, bildhaft sehr gut vorstellen. Ich persönlich habe dieses Buch sehr schnell durchgelesen. Sobald man die ersten 50 Seiten durch hat, gewöhnt man sich an diesem sehr strategisch und mit ziemlich gehobener Sprache geprägten Satzbau. Überraschenderweise gab es nicht so viele romantische Szenen, wie ich zu Beginn erwartet hätte, sondern auch packende Kampfszenen, die aber wirklich gut beschrieben waren.
Tja, die Charaktere. Nachdem ich das Buch durchgelesen habe, weiß ich immer noch nicht, was ich von Ronan und Arin halten soll, weil sie am Ende des Buches doch noch für so viele Überraschungen gesorgt haben. Meine frühe Abneigung gegen Irex war ja zum Glück gerechtfertigt :) Aber bevor ich hier mit weiteren Namen um mich werfe, stelle ich euch erst einmal die Wichtigsten vor:
Kestrel ist eine junge, aufgeweckte Frau, die weder ins Militär noch Heiraten möchte. Allerdings bleibt ihr sehr strategisches Talent vor ihrem Vater nicht unbemerkt und hilft ihr aus so manch schlimmen Situationen heraus, ebenso wie ihr Talent fürs Klavier. Sie ist außerdem eine hervorragende Biss-und-Stich-Spielerin.
Arin ist ein sehr gut gebildeter Herrani. Er besiegt Kestrel sogar in Biss-und-Stich. Außerdem singt er für sein Leben gerne. Seine Eltern wurden von den Valorianern ermordet.
Jess ist Kestrels beste Freundin, seitdem deren Mutter gestorben ist. Sie liebt es abergöttisch, Kleider auszusuchen und sich an der Gerüchteküche zu beteiligen. Am liebsten wäre es ihr, wenn Kestrel ihren Bruder Ronan heiraten würde.
Ronan ist ein glühender Verehrer Kestrels; eigentlich aber für sie eher so etwas wie ein bester Freund. Er umschmeichelt sie mit Komplimenten und ist ein guter Verlierer in Biss-und-Stich. Außerdem ist er ziemlich stolz. Somit wäre er der perfekte Ehemann für Kestrel - auch aus der Sicht seines eigenen Vaters.
Der General möchte nicht, dass seine Tochter musiziert, sondern Strategin in seiner Armee wird. Er hat seine eigene Frau umgebracht und duldet es nicht, wenn seine Tochter trauert.
Preller ist eine der überraschend wichtigsten Personen. Er ist der Sklavenhändler, der Arin verkauft und sich diebisch freut, als Kestrel für ihn bietet. Doch hinter seiner Maske steckt weitaus mehr - der Anführer der Revolution und ein eifersüchtiger, sexistischer Arsch, der immer die falschen Entscheidungen trifft.
Irex ist ein extrem schlechter Verlierer in Biss-und-Stich, weshalb er Kestrel hasst. Außerdem ist er ein sexistischer Arsch und quält liebend gerne seine Herrani-Sklaven.
Die Handlung ist nichts Neues; soviel ist schon einmal klar. Aber trotzdem muss ich anmerken, dass mich dieser Mix aus Intrigen, Macht, Liebe und Freiheitskampf sehr angesprochen hat und mich dazu gebracht hat, nach jedem Kapitel unbedingt weiterlesen zu müssen. Mein Problem war nur, dieses Buch wirklich als Fantasy zu sehen. Ich meine, es kommen keine Magie oder irgendwelche magischen Wesen vor; lediglich die Länder sind erfunden.
Mein größtes Problem in diesem Buch war einfach der Punkt, dass Kestrel sich quasi sofort in Arin verknallt hat, bevor sie ihn überhaupt mehr als fünf Sätze gesprochen hat. Dieser Punkt war einfach unglaublich klischeehaft – davon habe ich genug, seitdem ich Twilight gelesen habe. Ohne dieses Klischee wäre das Buch auch ziemlich gut angekommen.
Der „Preller“ als Charakter hat aber auch einmal aufgezeigt, was jahrelange Verbitterung als Sklave aus einem Menschen macht. Im Vergleich zu Arin, der immer an alle denkt, denkt er nur an sich selbst und seine Vergangenheit. Er hat als Bösewicht zusammen mit Lord Irex wirklich die Spannung im Buch gehalten.
Zwischendurch stellt man sich als Leser immer vor, auf welche Seite man sich stellen würde; auf die der Herrani oder die der Valorianer. Aber irgendwie kann man sich nicht entscheiden, weil man nicht alles schwarz-weiß sehen kann. Zwar haben die Valorianer die Herrani versklavt, aber ich habe so das Gefühl, dass die Herrani dasselbe mit den Valorianern machen würden. Ob ich mit dem Typen zusammen sein könnte, der fast meine beste Freundin und meinen Vater umgebracht hätte, bezweifle ich wirklich.
Diese ganzen politischen Verstrickungen haben mir sehr gut gefallen. Außerdem muss ich Kestrel als Charakter wirklich loben. Normalerweise ist die Protagonistin ja eher stark im Kampf, aber sie ist „nur“ geistig sehr stark. Trotzdem kann man mit einem Charakter wie Kestrel wahrhaftig zeigen, dass wahre, geistige Stärke und logisches Denken zum Sieg führen kann.
Zum Ende hin wurde es mit den vielen Kampfszenen wirklich spannend; nach dem Ende war man aber irgendwie unzufrieden. So ging es mir jedenfalls. Einerseits ist das Problem halbwegs gelöst worden und andererseits weiß man, dass diese Lösung nicht lange halten wird – und außerdem taucht eine vollkommen überraschende Info auf, wer der Sohn des Imperators ist, was mich wirklich extrem überrascht hat. Durch all diese Punkte bin ich doch noch ziemlich gespannt, wie es weitergeht.
Fazit
Der erste Band dieser Reihe hat es für mich ziemlich knapp als Buchschmöker geschafft. Wer einen Mix aus Klischeeliebe mit diesem typischen Liebe-auf-den-ersten-Satz-Moment, Freiheitskampf, politischen Verstrickungen und Intrigen gepaart mit einem wirklich sehr guten Schreibstil mag, dem wird dieser wunderschöne Band sehr gut gefallen!
Zitat
"Sag mir einfach nur, was los ist, Arin. Sag mir die Wahrheit." Als er sprach, klang seine Stimme rau. "Ich gehöre Euch. Wie könnt ihr glauben, dass ich Euch die Wahrheit sagen würde? Warum sollte ich?" Der Sonnenschirm zitterte in Kestrels Händen. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen. Doch dann begriff sie, dass sie, wenn sie es tat, nicht mehr Herrin dessen sein würde, was sie sagte.
- Kestrel und Arin auf S. 189/190 -