Ein wichtiger, emotional sehr aufwühlender historischer Roman um eine Auswandererfamilie und ihre Hoffnung auf Frieden, Liebe und Glück
Am 22. Juli 1763, unterschrieb die russische Zarin Katharina die Große, einen Erlass- das so genannte Einladungsmanifest, welches es Ausländern ermöglichte, sich in Russland niederzulassen. Besonders sprach ...
Am 22. Juli 1763, unterschrieb die russische Zarin Katharina die Große, einen Erlass- das so genannte Einladungsmanifest, welches es Ausländern ermöglichte, sich in Russland niederzulassen. Besonders sprach sie damit die Deutschen an, denn Katharina stammte selbst aus Deutschland, war in Stettin geboren und lebte in Deutschland, bis sie dann den russischen Zaren Peter III. ehelichte, der eigentlich ebenfalls deutsche Wurzeln hatte.
Sie erhoffte sich von den Einwanderern wirtschaftlichen Aufschwung und Bevölkerungswachstum, denn ihr neues Reich war zwar groß, doch um es flächendeckend bestellen zu können, brauchte es viele weitere widerstandfähige kräftige und arbeitswillige Menschen, die bereit waren, sich auf das Abenteuer und die Herausforderung „Russland“, einzulassen und die ihrer neuen Herrscherin gegenüber wohlwollend eingestellt waren. Um die Menschen überhaupt in ihr Land locken zu können, versprach sie viele Privilegien. So bekam jede Einwandererfamilie ihr eigenes Land, Steuervergünstigungen, Befreiung vom Militärdienst und zudem Sprachfreiheit und Selbstverwaltung und freie Religionsausübung zugesichert.
Nur wenig später machten sich die ersten Auswanderer aus Deutschland auf gen Russland, und ließen sich etwa rund um das Schwarzmeer, in Südrussland und an der Wolga nieder. Innerhalb der ersten fünf Jahre, waren es bereits 30000 Menschen. Hauptsächlich waren es einfache Bauern, doch auch Handwerker und Unternehmer fanden sich darunter und es gelang ihnen im Laufe der Zeit, ihre neue Heimat durch Fleiß und harte Arbeit ertragreich zu machen. Sie brachten es zu Wohlstand, blieben in neu gegründeten Ortschaften unter sich und da Napoleons Kriegsführung zahlreiche Opfer und Elend forderte, kamen immer mehr Menschen ins Land, die Katharinas Ruf gefolgt waren und sich in Russland ein neues, lebenswerteres Leben aufbauen wollten.
Die Russlanddeutschen waren den meisten Russen selbst jedoch ein Dorn im Auge. Als mögliche Verräter beäugt, spitzte sich die Lage schließlich nach dem ersten Weltkrieg immer mehr zu. Viele Bauern wurden enteignet, zu Zwangsarbeitern rekrutiert, sie waren Hungersnöten hoffnungslos ausgeliefert oder wurden absichtlich ausgehungert und ihr Leben wurde immer schwerer. Im zweiten Weltkrieg dann kam der Erlass, alle Russlanddeutschen nach Sibirien in Arbeitslager zu deportieren, wo viele von ihnen starben.
Auch die Familie Martel gehörte zu den Russlanddeutschen. Doch sie beschlossen, im März 1944, vor der Roten Armee zu fliehen und dem Aufruf der Nazis zu folgen, die ihnen sicheren Geleitschutz in westlicher gelegene Gebiete, zwecks Neuansiedlung, versprachen.
Emil und Adeline und ihre beiden Söhne, hassen es, ihr Schicksal in die Hände der Nazis zu legen, doch sie wissen andererseits auch genau, was sie erwartet, wenn sie in ihrem kleinen Heimatort in der Ukraine bleiben. Und so macht sich der Treck mit vielen Russlanddeutschen auf den Weg. Die Reise ist beschwerlich und gefährlich zugleich und am Ende werden es nicht alle schaffen zu überleben.
Besonders die gottesfürchtige Adeline hält jedoch, selbst in großer Not, stets an ihrem Traum fest. Sie träumt von einem fruchtbaren grünen Tal, in dem sie und ihre Familie einst leben werden. Emil, der bereits am eigenen Leib zu spüren bekam, zu welchen Gräueltaten die Nazis fähig sind, teilt Adelines Zuversicht keineswegs. Zudem hat er seinen Glauben verloren, denn die Unmenschlichkeit und sein eigenes Versagen, wie er denkt, machen ihm das Leben schwer. Als Emil unterwegs auch noch den Russen in die Hände fällt und als Zwangsarbeiter deportiert wird, lässt ihn zunächst nur die Liebe zu seiner Familie durchhalten. Bis er einen alten Bekannten wieder trifft…
Mark Sullivans aktueller historischer Roman erzählt die spannende und auf wahren Ereignissen basierende Geschichte der Auswandererfamilie Martel. Im Vorfeld hatte der Autor die Chance, die Orte bereisen zu können, von denen in diesem Roman die Rede ist und traf sich auch mit Familienangehörigen der Martels um die nötige Hintergrundrecherche betreiben zu können.
Es ist eine Geschichte, die einerseits sehr abenteuerlich anmutet, denn man kann es kaum glauben, welche schlimmen Ereignisse diese Menschen durchgestanden haben und dass ihnen das Schicksal, trotz schlimmer Verluste, letztendlich ein Happy End bescherte.
Es ist eine Geschichte, die über Familienzusammenhalt, Liebe und Hoffnung erzählt. Ein Roman, der keine einfache Lektüre ist, denn die Martels haben auf ihrer Reise Traumatisches erlebt, das der Autor sehr bildhaft schildert. Ich muss zugeben, dass ich diesen Roman in vielen kleinen Etappen lesen musste, weil er mich emotional so sehr aufgewühlt hat, ob der menschlichen Grausamkeit, der die Familie ausgesetzt ist. Aber, es ist dennoch eine wichtige, mutmachende Lektüre, die den Leser, auch gerade in diesen schwierigen Corona-Zeiten, aufrütteln dürfte. Die Botschaft zu „Das letzte grüne Tal“, lautet eigentlich, dass man niemals aufhören oder den Glauben daran verlieren darf, für seine Träume zu kämpfen. Und natürlich auch, wie existentiell es ist, sich seine Menschlichkeit zu bewahren.
Der Autor schildert die lange, beschwerliche Reise der Martels sehr spannend und abwechselnd aus den Perspektiven von Emil und Adelina. Beide sind sehr bodenständige, sympathische junge Menschen, die bereits im Vorfeld arge Dinge erleben mussten und dadurch viel reifer erscheinen, als es ihr Alter vermuten lassen würde.
Die immerhin über sechshundert Seiten lesen sich wie im Fluge- man hofft und bangt mit den Martels mit, deren Geschichte unbedingt erzählt werden musste, um heutigen Generationen etwa begreifbar zu machen, wie glücklich sie sich schätzen können, in Friedenszeiten leben zu dürfen und dass sich die Geschichte niemals wiederholen darf!
Kurz gefasst: Ein wichtiger, emotional sehr aufwühlender historischer Roman um eine Auswandererfamilie und ihre Hoffnung auf Frieden, Liebe und Glück.