Regenbogenbuch
Wenn ich an May und Wes denke, sind dort Erinnerungsmomente in allen Farben. Rot, Grün, Braun, Blau, Orange, Lila, Gelb. Blau ist diejenige, die am hellsten strahlt, wenn der Mond nachts leuchtet oder ...
Wenn ich an May und Wes denke, sind dort Erinnerungsmomente in allen Farben. Rot, Grün, Braun, Blau, Orange, Lila, Gelb. Blau ist diejenige, die am hellsten strahlt, wenn der Mond nachts leuchtet oder es ist einfach nur eine besondere Ampel. Wes ist einer dieser Mondmenschen, dem May all ihre Wahrheiten bei einem Psychologieexperiment erzählen kann, ohne verurteilt zu werden.
Die Sonne hingegen kann sogar die Sonne die dunkelsten Orte zum Leuchten bringt. May ist einer dieser Sonnenmenschen, denn sie versucht den Schmerz anderer und besonders den ihrer Freunde zu lindern und zu nehmen.
Dabei vergisst sie oft, dass auch sie ein Stück dieser Liebe verdient, die sie in der Welt verteilt. Sie war schon immer jemand, der anderen Menschen tief in die Seele schaut, weil sie von früh an realisiert hat, dass dort mehr als nur der Augenkontakt ist egal, ob der eines Kolibris oder Adlers. Als Mays grünen Augen zum ersten Mal in die braunen von Wes schauten, sah sie jedoch nichts anderes, als dass sie sich ganz weit weg von ihm befindenden sollte. Er ist zu viel von dem, was sie nicht sein möchte und zu wenig von dem, als das er sie verstehen könnte. Als sie zwangsweise immer mehr Zeit miteinander verbringen müssen und Einblicke in ihren Alltag bekommen, kommt allerdings immer mehr das Bedürfnis aus, den anderen wirklich verstehen zu wollen. Es ist nichts Schlimmes daran, dass es Menschen gibt, die immer mehr lieben, als geliebt zu werden oder mehr verstehen, als verstanden zu werden. Am Ende möchte man sich jedoch immer etwas weniger verloren fühlen und mehr nach ankommen. Auch wenn dort immer zu viele umherschwimmende Gedanken sind, scheinen die nur beim Anblick in gewisse glitzernde braune Augen zu ertrinken.
May war wie Poesie, während die Welt immer noch dabei war, das Alphabet zu lernen. Wie ein Stern, der aus einer weiten Distanz sehr klein aussieht, aber von nahen riesigen groß und leuchtend ist.
Ich denke an May, wenn ich in den Himmel schaue und dort besondere Wolken oder Fruchtfleischfäden sehe. Ich denk an May, wenn ich durch den Wald spaziere und genauso wie sie mal etwas Waldeinsamkeit brauche. Ich denk an May, wenn ich Fassaden sehe - die von Menschen und von Gebäuden. Ich denke an May, um mir kein vorschnelles Bild von Menschen zu malen. Ich denke an May, wenn ich jemanden mit einer Schleife im Haar sehe. Ich denke an May, wenn ich unter einem Apfelbaum liege und Sommerschnee sehen. Ich denke an Wes, um mich zu erinnern, das anders nicht gleich kaputt.
Ich denke an das Lächeln von Wes, was ich genauso wie May gerne in eine Erinnerungsschatulle getan hätte. Ich denke an Wes, um mich daran zu erinnern, meine eigenen Wege zu gehen. Ich denke an Wes, wenn ich mir zu viele Gedanken um die Welt mache und sich mein Inneres wie ein Labyrinth anfühlt.
Ich denke an May und Wes bei Stirn-Umarmungen und bei Fast-Berührungen. Vor allem denke ich an May und Wes, wenn ich Blau sehe, Blau fühle und mal eine Blaupause brauche. Ich denke allgemein in vielen binden Farben an Wes und May, was sehr surreal und sehr, sehr schön ist.
Schlussendlich habe ich durch May gelernt, die kleinen Moment mehr wertzuschätzen und durch Wes habe ich jetzt weniger Angst davor, Zug zu fahren und am falschen Ziel anzukommen. Selbst wenn da gar kein Ziel ist, ist es okay, denn am Ende ist immer noch der Weg das Ziel.
Dazu malen beim Lesen die Worte von Merit Niemeitz die schönsten und buntesten Bilder in das eigene Gedächtnis, obwohl sie auf dem Papier nur schwarz und weiß sind. Das macht das Buch nicht nur Fassaden-schön, sondern besonders absurd-schön, weil man dadurch auch Gefühle in allen Farben fühlt.