Auf "Im nächsten Leben vielleicht" habe ich mich schon lange gefreut. Ich hatte große Erwartungen, weil mich der Klappentext direkt angesprochen hatte und auf mich nicht wie ein 0815-Liebesroman-Plot wirkte. Hundertprozentig überzeugen konnte mich die Geschichte nicht, aber sie war doch sehr schön zu lesen.
Schon vor dem Lesen des Buches hatten sich bei mir einige Fragen zur Story angehäuft. Wieso heißen die Protagonisten so besonders? Wieso ist das Stipendium der einzige Weg, das Dorf in Kentucky zu verlassen? Wieso müssen die anderen bleiben? Und wieso gehen Tenleigh und Kyland nicht einfach zusammen weg? Viele dieser Fragen werden schon auf den ersten Seiten erklärt und beantwortet. Anfangs hatte ich das Gefühl, eine Dystopie zu lesen, weil das Buch eine besondere, unheimliche Stimmung vermittelt. Bis mir klar wurde, dass es sich nicht um eine dystopische Welt handelt, nicht um eine Welt, die sich im Umbruch befindet, sondern einfach nur um ein sehr armes, kleines, trostloses Dorf, das nicht mehr zu bieten hat, als eine Mine, eine Schule, einen kleinen Einkaufsmarkt und eine Bar. Arme Menschen wie Tenleigh und auch Kyland leben in Wohnwagen bzw. in Trailor, müssen trotz Schule arbeiten gehen und drehen jeden Cent zehn Mal um. Sie hungern am Ende des Monats, können sich teure Medikamente nicht leisten, geschweige denn eine eigene Wohnung, ein Studium oder eine längere Fahrt aus dem Dorf hinaus. Was mir die Frage schon mal beantwortet hatte, warum Tenleigh und Kyland nicht einfach zusammen verschwinden.
Nachdem ich mich an das trostlose Setting gewöhnt hatte (und an die besonderen Namen), konnte ich mich mehr und mehr auf die Charaktere einlassen und mich auf die Liebesgeschichte konzentrieren. Ich mochte beide Hauptprotagonisten sehr gerne, was dadurch verstärkt wurde, dass die Geschichte auch aus beiden Perspektiven erzählt wird. Kyland war mir zwar anfangs sehr suspekt, aber je mehr ich ihn kennenlernen durfte, desto mehr hat mich sein Schicksal und seine Art und Weise, damit umzugehen, berührt. Obwohl ich die Charaktere als tiefgründig, einnehmend und liebenswürdig ausgearbeitet empfand, konnte ich mich mit ihrem Leben einfach nicht abfinden. Ich selbst bin sehr behütet aufgewachsen; ich hatte (Gott sei Dank) noch nie Geldsorgen, habe noch nie gehungert, nie einen Teil oder meine ganze Familie verloren, habe nie kaputte und zerrissene Kleider oder Schuhe tragen müssen, ich war nie auf einen Nebenjob angewiesen. Weshalb mich sowohl Tenleigh, als auch Kyland, mit ihrer hoffnungslosen und trostlosen Zukunft, die das Buch ohnehin schon von vorne bis hinten ausstrahlt, zusätzlich sehr bedrückt haben.
Die Liebesgeschichte an sich, die hier definitiv im Vordergrund steht, ist einfach wunderschön dargestellt. Zwei junge Menschen, die sich ganz plötzlich und selbstlos ineinander verlieben, die nicht nur lernen Materielles zu teilen, sondern auch Liebe und Geborgenheit. Diese Beziehung, die schon im Vorhinein sehr belastet ist, nämlich von dem Wunsch, aus dem armen Dorf zu verschwinden, sich selbst zu verwirklichen und ein neues Leben zu beginnen. Auf ein Stipendium hinzuarbeitet, von dem man genau weiß, dass es der größte Traum des jeweils anderen ist. Tenleigh, die sich nichts sehnlicher wünscht, als Kyland, seine Liebe und Aufmerksamkeit, seine Wärme und treuen Zusammenhalt. Und Kyland, der Tenleigh davor beschützen will, mit einem gebrochenen Herzen zurückzubleiben, der selbstlos auf ihre Liebe und Zuwendung verzichten möchte, nur um sie vor Leid und Kummer zu bewahren. Das alles emfpand ich gleichermaßen als zuckersüß, als auch als sehr emotional und belastend. Nicht nur, weil die beiden im Laufe des Buches zu einem sehr schönen Paar werden, nicht nur, weil die beiden perfekt zusammen passen, sondern, weil der Leser ab der ersten Zeile weiß, dass nur einer der beiden das Stipendium bekommt, dass nur einer seinen Traum verwirklichen kann und dass einer der beiden zurückbleiben muss – alleine.
Gerade weil die Geschichte so emotional und packend ist und weil sie den Fokus auf die Liebe der beiden und die Probleme, die sie teilen, legt, waren die teilweise auftretenden erotischen Szenen meiner Meinung nach völlig deplatziert. Es ist kein erotischer oder schmutziger Roman, nicht mal ansatzweise, aber mir war es trotzdem einfach zu viel, weil es mich manchmal aus meiner melancholischen Stimmung gerissen hat und weil es auch überhaupt nicht nötig war. Die Geschichte hatte mich auch so überzeugt, alleine durch die Darstellung der Gefühle der beiden jungen Erwachsenen. Meiner Meinung nach hätte eine Kürzung dieser Szenen auch die kurz andauernde Langatmigkeit in etwa der Mitte des Buches vermeiden können.
Da ich vor kurzem gesehen habe, dass Mia Sheridan bereits andere Bücher veröffentlich hat, werde ich mir die auch auf jeden Fall anschauen, denn ich mochte den Schreibstil der Autorin sehr gerne. Die Gefühle der Hauptprotagonisten und die allgemeine Stimmung konnte sie gut transportieren und kamen auch gut bei mir an. Auch die gewöhnungsbedürftigen Namen, die zwar im Grunde nur eine Kleinigkeit am ganzen Buch ausmachen, sind mir positiv aufgefallen und passen einfach perfekt zur besonderen Geschichte.
Fazit
Mia Sheridans Werk "Im nächsten Leben vielleicht" konnte mich mit seiner starken Botschaft und einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte packen und unterhalten. Trotz kleiner Kritik hat mich das Buch überzeugen können, weswegen ich es auch gerne weiterempfehle und jedem ans Herz legen kann.