Bitterer Nachgeschmack
Ein ehemaliger Häftling und sein Enkel müssen sich erst kennenlernen, sich näherkommen. Ziemlich schwierig, wenn der Großvater wortkarg und bestimmend ist und der Enkel in der Pubertät. Erzählt wird aus ...
Ein ehemaliger Häftling und sein Enkel müssen sich erst kennenlernen, sich näherkommen. Ziemlich schwierig, wenn der Großvater wortkarg und bestimmend ist und der Enkel in der Pubertät. Erzählt wird aus der Perspektive des Enkels. Mit den pragmatischen Augen des Heranwachsenden sieht und kommentiert er die Taten und Aussagen des Großvaters. Die befleckte Hose, die neue Wohnung für den Großvater, sein gutes Einvernehmen mit der Mutter. Frank wertet nicht, er urteilt nicht, er stellt die Tatsachen nur klar und nüchtern dar. Und auch spannend. Frank hat ein sehr gutes Einvernehmen mit seiner Mutter, er kocht gerne für sie beide, geht aufs Gymnasium, hat keine engeren Freunde in der Schule oder in der Nachbarschaft. Der Vater existiert so gut wie gar nicht in seinem Leben, erst nach seinem 14. Geburtstag taucht er plötzlich auf und will Verbindung zu seinem Sohn aufnehmen.
Die Begegnungen mit dem Großvater verändern Frank. Oder, anders gesagt, sie lösen in ihm etwas aus, das vielleicht schon immer in ihm drin war und Großvater wird zum Katalysator. Wir erfahren nicht, was der alte Mann verbrochen hat, dass er 20 Jahre bekam, die letzten beiden Jahre dann wurden ihm wegen guter Führung erlassen. Wir wissen nur, dass es so schwerwiegend war, dass seine Tochter, Franks Mutter, eine Namensänderung bewilligt bekam und, im Gefängnis, hatte der Großvater auch seinen Namen ändern lassen.
Großvaters “Verbrecherphilosophie” lautet: …”Wir tun etwas. Fertig. Wir tun es, weil wir es tun. Und sogar das ist falsch. Weil und Warum gehören zusammen wie Trinken und Durst. Also kannst du beide Wörter streichen. Wir tun. Fertig. Eine wirklich gescheite Justiz würde sagen: Er hat getan. Fertig. Ab ins Loch mit ihm. Kein Warum, kein Weil. Er hat getan. Fertig, aus.” (S. 87). Und am Ende des Buches stellen wir fest, Frank hat eine ähnliche Denkweise. Ob erst durch den Großvater oder war das schon immer latent in ihm?
Anfangs wohnt der Großvater noch bei seiner Tochter und Enkel, erhält jedoch bald vom Staat eine kleine Wohnung, in die er umzieht. Und von da an werden seine Treffen mit Frank immer verstörender für den Jungen, immer brutaler, ausufernder. Bis Frank reagiert.
Spaß gemacht hat die Wiederbegegnung mit der österreichischen Sprache: der Kasten, in dem die Kleider versorgt werden, die Erdäpfel für den Gulasch, Auch die kurzen einfachen Sätze klingen “wianerisch”, fast vermeint man, den Tonfall zu hören, wie die Vokale leicht gedrückt ausgesprochen werden.
Das Buch hat mir einen bitteren Geschmack hinterlassen. Ich habe mir immer vor Augen gehalten, das Buch ist pure Fiktion, das hat sich Köhlmeier nur so ausgedacht, Frank handelt nach Köhlmeiers auktorialem Willen. Und doch, der bittere Geschmack ist geblieben. Der nüchterne, trockene Stil der Erzählung, aber auch der Dialoge reißen den Leser zwar mit, aber es ist kein “Lesevergnügen” dabei. Das Buch hallt noch lange nach, aber eben bitter.