Einblicke in leidenschaftliches Lieben und Leben von 1944 bis 1947
Michelle Marly gelingt ein leidenschaftliches Plädoyer für eine beeindruckende Persönlichkeit. In der dritten Person erzählt sie aus der Perspektive der berühmten Sängerin Édith Piaf, wie diese die Jahre ...
Michelle Marly gelingt ein leidenschaftliches Plädoyer für eine beeindruckende Persönlichkeit. In der dritten Person erzählt sie aus der Perspektive der berühmten Sängerin Édith Piaf, wie diese die Jahre 1944 bis 1947 wahrnahm. Erlebbar gemacht werden ihre Musikkarriere, ihr Lifestyle unmittelbar nach dem Ende der Besatzung Frankreichs, ihre Liebschaften und Freundschaften.
In kurzen und durch die Formatierung klar erkennbaren Rückblicken werden zudem besonders prägende Momente ihrer Vergangenheit beleuchtet. Highlights, die Verständnis und Mitfühlfaktor enorm fördern und sich im Gedächtnis verankern.
Erotik spielt sich im Kopf ab, der eigentliche Akt wird nicht im Detail geschildert.
Ich hatte mich mit ihrer Biografie bis dato nicht beschäftigt und empfand die Darstellungen als sehr interessant, unterhaltsam und inspirierend. Ihre Impulsivität, Willensstärke sowie Disziplin kommen gut zur Geltung. Die stimmigen Ausführungen hinterlassen tatsächlich das Gefühl, diese Frau, die in ihrem Wesen und Lebenslauf anders ist als ich, verstehen zu können.
Die Umgebungsbeschreibungen erzeugen Atmosphäre, sodass mein Kopfkino funktionierte. Außerdem tritt ein Lerneffekt ein, indem auf das gesellschaftliche Leben auf dem Land, in Paris und anderen französischen Städten eingegangen wird.
Schade, dass die Zeitsprünge mit Fortschritt des Romans immer größer werden. Das Jahr 1944 wird ausführlich dargestellt, macht gut zwei Drittel des Romans aus, sodass es Raum für Kürzungen gegeben hätte. An 1945 bis 1947 nimmt man hingegen nur episodenhaft teil, was emotionale Distanz schafft.
Ein Dreh- und Angelpunkt wird ins Nachwort verbannt. Dass Autorin oder Verlag nicht die Zuversicht hatten, hierdurch ausgelöste Emotionen glaubhaft transportieren zu können, denke ich nicht. Wahrscheinlich passt es einfach nicht ins vorgegebene Gesamtkonzept der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe” hinein. Aus meiner Sicht bedauerlich, weil ein Wow-Effekt und die große Gefühlsexplosion am Ende ausbleiben.
Das lobenswerte Nachwort, in dem u. a. die weitere Entwicklung im Mittelpunkt stehender Persönlichkeiten kurz ausgeführt und Quellen benannt werden, macht glaubhaft, dass die Autorin solide recherchiert hat und es in der Realität ganz ähnlich abgelaufen sein muss.
Im Ergebnis freue ich mich, auf flüssige Weise ein abgeschlossenes Werk gelesen zu haben, emotional involviert, über Höhen und Tiefen einer faszinierenden, starken Frau in einer Gesellschaft im Umbruch.