Alexandra und Marc sind mit ihren zwei Kindern eine beneidenswerte Musterfamilie. Beide lehren sie an der Uni und sind mit ihrem Leben glücklich. Bis zu dem Tag, an dem Alexandra spurlos verschwindet. Sie kommt nicht von der Arbeit nach Hause, wenige Tage später findet die Polizei ihr Fahrrad und blutverschmierte Kleidung. Wurde sie Opfer eines Gewaltverbrechens? Marc will nicht an den Tod seiner Frau glauben, er weiß, dass sie lebt, aber sie würde doch nie einfach so verschwinden und ihn und die Töchter alleine lassen? Die Polizei scheint anderer Meinung, hält sich aber zurück. Das Leben geht unaufhaltsam weiter und nach und nach tauchen Indizien auf, die Marc ins Zweifeln bringen. Und Alexandra muss all dies aus der Ferne mitansehen.
Natasha Bell hat ihren Psychothriller geschickt aufgebaut: wir erleben die Tage und Wochen nach Alexandras Verschwinden, Flashbacks erlauben einen Blick hinter die Fassade des Familienlebens vor diesem unheilvollen Tag und gleichzeitig erleben wir Alexandra, die von irgendwoher die Ereignisse verfolgen muss, ohne jedoch darauf Einfluss nehmen zu können. Sie lebt – das ist aber auch schon der einzige Informationsvorsprung, den wir vor dem Ehemann und der Polizei haben. Und die eine oder andere Randbemerkung, die stutzig macht und schon früh erkennen lässt, dass nicht alles am Familienleben so war, wie Marc glaubte und immer noch glauben machen möchte.
Ich liebe das Spiel mit unterschiedlichen Perspektiven und Andeutungen, die lange Zeit offen lassen, was wirklich geschah und so die Spannung erhalten. Was mir besonders gefallen hat, war, dass die Autorin ohne Blutvergießen und andere Grausamkeiten auskommt und dennoch die Nerven des Lesers herausfordert. Die Protagonistin ist sicherlich der interessanteste Charakter der Geschichte, vielschichtig und undurchschaubar führt sie in die Irre. Ihr Mann hingegen, bleibt etwas flach, auch seine Verzweiflung konnte mich nicht ganz überzeugen, er ist mir insgesamt etwas zu wenig emotional, obwohl er sich in einem absoluten Ausnahmezustand befinden sollte. Die Story punktet ganz klar durch den cleveren Aufbau und die sehr gut platzierten Hinweise und Andeutungen, die dazu führen, dass man, einmal begonnen, nicht mehr aufhören möchte zu lesen.