So urkomisch, so tragisch, so wunderbar!
Lars ist 49 Jahre alt und wollte in der letzten Woche des Jahres noch alles schnell erledigen, das schon so lange aufgeschoben wurde. Und dann ist plötzlich der 31. Dezember und die Uhr tickt so laut, ...
Lars ist 49 Jahre alt und wollte in der letzten Woche des Jahres noch alles schnell erledigen, das schon so lange aufgeschoben wurde. Und dann ist plötzlich der 31. Dezember und die Uhr tickt so laut, dass er es nicht mehr überhören kann. Da bleibt nur noch das Scheitern, also besser gar nicht erst anfangen. Oder doch?
Dieses Buch ist ein wahres Juwel! Es bringt so wunderbar auf den Punkt, dass das Aufschieben immer so viel leichter ist, als endlich in die Puschen zu kommen. Und dass sich das dann immer mehr summiert und Kreise zieht, die so hohe Wellen schlagen, dass man darin nur untergehen kann. Unser Protagonist hat einen unschlagbaren Grund, an nur einem Tag all das zu erledigen, das er ein Leben lang vor sich hergeschoben hat. Den Grund erfahren wir jedoch erst relativ spät, wodurch all die lustigen Stellen plötzlich anders aussehen.
Wir bekommen im Grunde von Lars erzählt, was in ihm vorgeht, was er tut (oder eben auch nicht) und was er noch tun muss. Die Kapitel sind quasi die Punkte auf seiner Liste. Es fängt mit dem Kapite Antworten an. Wie wichtig es ist, versteht man am Ende des Buches. Urkomisch geht es mit dem Aufbau eines Bettes weiter. Hier liebte ich jedes Wort und fand Lars einfach nur unwiderstehlich! Im Laufe der weiteren Kapitel mag man nicht nur lachen, sondern auch immer mal wieder weinen. So langsam ahnt man, dass Lars selbst nicht weiß, wie er sich das Ende wirklich vorstellt. Je aussichtsloser die Lage scheint, desto mehr strampelt und kämpft Lars, und wenn es noch so unsinnig und unlogisch ist.
Nele Pollatschek arbeitet hier gekonnt mit der Sprache. Sie lässt Lars Dinge nur halb sagen, nur halb denken, immer wieder Sätze abbrechen oder auch mittendrin umkehren und neue Wege gehen, ihn Wörter erfinden und die wahnwitzigsten Lösungen erdenken. Das strengt teilweise natürlich enorm beim Lesen an, zeigt aber wunderschön den psychischen Zustand von Lars, seine innere Zerrissenheit und seine Angst. Dass dann irrwitzige Theorien und Lösungen entstehen, ist nur stimmig. Der Hammer jedoch ist, dass aller Irrwitz einen dicken, fetten logischen und sinnvollen Kern hat. Das als Leser zu erkennen, sich selbst im einen oder anderen Satz wiederzuerkennen, das raubt den Atem und sorgt dafür, dass man nicht aufhören mag, zu lesen. Selbst wenn man am Punkt ankommt, an dem man Lars schütteln möchte, muss man einfach sehen, wo er landet.
Wer den Wert eines Ringes, der aus Papier und einer Nieze besteht, zu schätzen weiß, der wird das Buch lieben. Ich befürchte aber, dass viele nur den Kopf schütteln werden und nichts mit Lars anfangen können. Das finde ich schade, denn Lars ist mein Held des Jahres. Fünf Sterne!