Cover-Bild Winterbienen
(13)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Regional
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 319
  • Ersterscheinung: 26.11.2019
  • ISBN: 9783406739637
Norbert Scheuer

Winterbienen

Roman
Erasmus Scheuer (Illustrator)

Januar 1944: Während über der Eifel britische und amerikanische Bomber kreisen, gerät der wegen seiner Epilepsie nicht wehrtaugliche Egidius Arimond in höchste Gefahr. Er bringt nicht nur als Fluchthelfer jüdische Flüchtlinge in präparierten Bienenstöcken über die Grenze, er verstrickt sich auch in Frauengeschichten.
Mit großer Intensität erzählt Norbert Scheuer in "Winterbienen" einfühlsam, präzise und spannend von einer Welt, die geprägt ist von Zerstörung und dem Wunsch nach einer friedlichen Zukunft.

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.03.2023

Unbedingt lesen!

0

Natur und Krieg. Bienen und Menschen. Leben und Tod.

All dies verwebt Norbert Scheuer auf großartige und einfühlsame Weise in seinem Roman „Winterbienen“. Er erzählt in Tagebuchform über das Leben des ...

Natur und Krieg. Bienen und Menschen. Leben und Tod.

All dies verwebt Norbert Scheuer auf großartige und einfühlsame Weise in seinem Roman „Winterbienen“. Er erzählt in Tagebuchform über das Leben des Imkers Egidius Arimond in der Eifel, der während des Zweiten Weltkriegs Juden in seinen Bienenstöcken bis zur belgischen Grenze schmuggelt. Das Fortschreiten des Krieges, die Frauengeschichten des Protagonisten und seine Epilepsie, die immer schlimmer wird, weil er sich keine Medikamente mehr besorgen kann und schließlich die zunehmend gefährlicher werdenden Fahrten mit den Flüchtlingen führen dazu, dass die Situation beklemmender und bedrückender wird.

Bevor die Geschichte jedoch an Rasanz zunimmt, gelingt es Scheuer, über den Krieg, der „doch immerzu anwesend [ist]; ein schrecklicher Dämon, der seit Menschengedenken existiert, versteckt in einem Winkel lauert und jederzeit unerwartet hervorkommen kann, um blindwütig die Natur und ihre Kreaturen zu schänden”, eindrücklich zu erzählen. Denn er stellt ihn dem Leben der Bienen und ihrem Rhythmus gegenüber, verbindet beides sprachlich miteinander und schafft so einen Kontrast, aber auch ein Nebeneinander.
Einerseits sind die Bienen untrennbar mit den Schrecken des Krieges verbunden und beschützen nicht nur die Flüchtlinge in den Bienenkästen, indem sie sich wie eine Traube um die Menschen legen, sondern auch die Notizen Egidius’ und eine Notration seines Medikaments, die in den Kästen der Bienen sicher aufgehoben sind. Auf einer metaphorischen Ebene lassen sich außerdem die abstürzenden Flugzeuge, die an der Front gefallenen Soldaten, von denen lediglich die Särge den Weg zurück in die Eifel finden, mit einer Krankheit vergleichen, die die Bienen ihres Orientierungssinns beraubt. Sie finden nicht mehr in den Stock zurück und sterben. Ein anderes Bild sind die Menschen im Bunker, die sich wie ein Bienenschwarm zusammenfinden: „Im hintersten Winkel des großen Bunkers in der Bahnhofstraße hängt der ganze Ort gleichsam wie eine zitternde Menschentraube zusammen.”
Andererseits aber, stehen die Bienen in ihrem Verhalten für all das, was der Krieg nicht ist. Sie arbeiten zusammen, sorgen besonders im Winter füreinander und verteilen “Wärme im Staat”, damit die Larven nicht erfrieren, während der Krieg Hass und Kälte im von menschlicher Hand geführten Staat verteilt. Der ewige Rhythmus der Bienen stellt sich dem Hass, dem Töten und der Zerstörung gegenüber. Sie bleiben vom Krieg unberührt: „Der Lärm der Angriffe scheint den Bienen nichts auszumachen; sie leben in einer anderen, wie es scheint, friedlichen Welt, sie interessiert der Krieg nicht.” Erst als Soldaten auf die Bienenstöcke schießen und diese mutwillig zerstören, hält der Krieg der Menschen selbst in der Bienenwelt Einzug.

Scheuers Roman ist wie der Tanz der Bienen, wie ihr „Sprachballett”. Er wird den Schrecken des Kriegs gerecht und schafft es gleichzeitig, dass diese nicht die Überhand gewinnen. Er bahnt sich erzählerisch einen Weg durch das Jahr 1944, indem er die Innenansichten des Protagonisten, historische Fragmente, Naturbeschreibungen der Eifellandschaft und den Rhythmus und das Leben der Bienen zu einem Gesamtbild verknüpft. Nicht zuletzt hat Scheuer Egidius Arimond mit diesem Roman ein ihm würdiges Denkmal gesetzt.

Ein absolut lesenswertes Buch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.02.2021

Ein leises, wortgewaltiges Meisterwerk

0

Zur Geschichte:

Es geht um Egidius Arimond, ein Schullehrer in den Jahren 1944/45. Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges in Kall; ein kleiner beschaulicher Ort irgendwo in der Eifel. Hier wohnt Egidius ...

Zur Geschichte:

Es geht um Egidius Arimond, ein Schullehrer in den Jahren 1944/45. Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges in Kall; ein kleiner beschaulicher Ort irgendwo in der Eifel. Hier wohnt Egidius und darf aufgrund seiner Epilepsie nicht mehr unterrichten. Mit seiner Krankheit taugt er nicht einmal für den Kriegsdienst, wie sein Bruder Alfons, der ein erfolgreicher Kampfpilot ist und so widmen er sich eben seinen Bienen, die er von seinem Vater nach dessen Tod übernommen hat. Egidius schmuggelt aber auch Flüchtlinge mit Hilfe seiner Bienenkästen über die Grenze und findet auch an den Frauen im Dorf gefallen, deren Ehemänner in den Krieg ziehen mussten. Ein gefährliches Unterfangen, da er sich eines Tages auch noch mit Charlotte, der Ehefrau des NSDAP-Kreisleiters einlässt.

Norbert Scheuer gelingt hier ein großartiger Roman, der mit ganz leisen Tönen auskommt und als Tagebuch geschrieben ist.

Ich habe die Lizenzausgabe der Büchergilde Gutenberg und der Einband ist aus feinem Leinen gearbeitet. Lesekultur pur. Der honigfarbene Schutzumschlag ist einfach aber ansprechend gestaltet.

Da der Roman als Tagebuch und dazu in der „Ich-Form“ geschrieben ist, habe ich schon nach wenigen Seiten das Gefühl, dass ich selbst der Verfasser bin. Einfühlsam, wortgewaltig und mit Liebe zum Detail beschreibt er den täglichen Ablauf unseres Protagonisten ohne jemals langweilig oder langatmig zu wirken.

So z.B.:

„Der Himmel ist grau wie Zement, die Wolken hängen tief, sodass man fürchtet, sich irgendwo weit entfernt am Horizont den Kopf zu stoßen“ (S. 26).

Großartig beschreibt Norbert Scheuer auch wie sich die krankheitsbedingten Anfälle seines Protagonisten ankündigen:

„Gestern hatte ich nach langer Zeit wieder einen epileptischen Anfall; er kündigte sich an wie ein Windhauch, als triebe ich an einem Sommertag auf einem Segelboot langsam aufs Meer hinaus“. (S. 39)

Er beschreibt die für Egidius immer schlechter und schwieriger werdende Situation im Dorf und den damit verbundenen Anfeindungen, parallel dazu das Leben seiner Bienen, so detailliert und kräftig, ja gefühlvoll und das Ganze völlig unaufgeregt und mit einer ganz leisen Stimme, dass es eine wahre Freude ist, es zu lesen. Wir tauchen tief ein in das Leben des Protagonisten und die damalige Situation zusammen mit den damit verbundenen Sorgen und Nöten der Menschen.

Mehr will ich über den Inhalt nicht verraten.

Die Danksagung am Ende ist meines Erachtens wichtig gelesen zu werden. Am Ende lässt mich das Buch nachdenklich, ja sogar ein wenig melancholisch, aber keineswegs traurig zurück. Ich wäre gern länger geblieben.

Eine ganz klare Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.09.2020

Das letzte Kriegsjahr in der Eifel

0

Wer anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur insbesondere mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg mag, sollte unbedingt dieses Buch lesen.
Die Geschichte spielt 1944/45 in der Eifel. Dass der Autor von dort stammt, ...

Wer anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur insbesondere mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg mag, sollte unbedingt dieses Buch lesen.
Die Geschichte spielt 1944/45 in der Eifel. Dass der Autor von dort stammt, wird allenthalben sichtbar, vor allem in den detaillierten Landschaftsbeschreibungen. Protagonist ist ein aus dem Schuldienst entlassener, von der Bienenzucht lebender Gymnasiallehrer, Egidius Arimond, aus dem Bergarbeiterstädtchen Kall. Liebschaften, seine sich zusehends verschlimmernde Epilepsie und der Umstand, dass er Juden, versteckt in Bienenstöcken, nach Belgien rettet, noch dazu vermehrte Angriffe alliierter Bomber, bringen ihn in Gefahr.
Über all das erfahren wir auf von Egidius geführten Tagebuchblättern. Immer wieder lässt er sich über bestimmte Vorkommnisse aus, am häufigsten über seine Bienen. Insoweit hat sich der Autor wirklich fundiertes Wissen angeeignet. Weiteres wiederkehrendes Thema ist das anhand von Dokumenten nachvollzogene Leben über einen Vorfahren von Egidius, der im 15. Jahrhundert aus dem Tessin in die Eifel gekommen ist. Diese Teile haben philosophische Bezüge und sind am schwierigsten zu lesen. Schließlich ist der Bombenkrieg der Alliierten über der Eifel von Bedeutung. Die Flugzeuge sind sehr schön illustriert. Alles in allem ergibt sich ein anschauliches Bild über das letzte Kriegsjahr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.10.2019

Leise und trotzdem eindringlich

0

Egidius Arimond lebt in einem kleinen Dorf in der Eifel. Ich habe ihn von Winter 1944 bis Frühjahr 1945 begleitet. Er schreibt in Tagebuchform von seinen Liebesgeschichten, seiner Arbeit als Fluchthelfer, ...

Egidius Arimond lebt in einem kleinen Dorf in der Eifel. Ich habe ihn von Winter 1944 bis Frühjahr 1945 begleitet. Er schreibt in Tagebuchform von seinen Liebesgeschichten, seiner Arbeit als Fluchthelfer, seinen Bienenstöcken, von seinem Leben und Überleben während des Zweiten Weltkrieges.

Winterbienen ist ein leises Buch. Leise und gleichzeitig sehr eindringlich lässt der Autor seine Hauptfigur erzählen. Von seinem Leben, das nicht so trostlos verläuft, wie man annehmen sollte. Wegen Epilepsie als nicht wehrtauglich eingestuft, verbringt Egidius seine Zeit in der Heimat u.a. als Tröster der alleingelassenen Frauen. Er kümmert sich um seine Winterbienen, die dem Roman den Namen geben. Das Bienenvolk, das der Autor zum Spiegelbild des Deutschen Volkes macht. Richtig gut gemacht!

"Überall in den dunklen Gängen der Stöcke haben die Arbeiterinnen jetzt mit dem Schlachten begonnen. Auf dem Rücken liegend, versuchen die einstigen Günstlinge der Königin, die wütenden Angriffe abzuwehren, aber es nützt ihnen nichts. Die zarten Flügel werden ihnen abgerissen, die wie Diamantsplitter glitzernden Augen ausgestochen. Erbarmungslos werden sie wie fremdartige, nicht mehr zu ihrem Volk gehörende Eindringlinge angegriffen und getötet." (Seite 195)

Die Schrecken des Krieges werden zunächst nur zwischen den Zeilen vermittelt; doch je länger die Lesedauer, desto offensichtlicher werden der Terror, der Mangel an Essen, die Gefahren und die Angst. Mit jeder Seite wird die Situation beklemmender, bis ich am Ende Egidius im Mai 1945 verlasse.

Der Roman hat mich sehr berührt. Ohne die Beschreibungen von Schlachten wird ein Krieg lebendig, werden die Gefahren, in die sich Menschen begeben, deutlich. Der Autor erzählt fast nebenbei von Zerstörung, aber auch von der Hoffnung auf Frieden, auf ein Leben danach.

Winterbienen ist das fünfte (und letzte) Buch, das ich von der Shortlist 2019 gelesen habe. Eine Rangfolge möchte ich nicht erstellen, kann aber sagen, dass ich es deutlich besser als den Siegertitel fand. Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.10.2019

Der Zweite Weltkrieg aus Sicht eines Imkers und Fluchthelfers

0

Im Januar 1944 ist Egidius Arimond in seinem Bergarbeiterstädtchen im Urfttal in der Eifel einer der wenigen Männer, die nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Als Epileptiker wurde er als Lehrer entlassen ...

Im Januar 1944 ist Egidius Arimond in seinem Bergarbeiterstädtchen im Urfttal in der Eifel einer der wenigen Männer, die nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Als Epileptiker wurde er als Lehrer entlassen und kümmert sich jetzt vor allem um seine Bienenvölker. Weil sein Bruder ein bekannter Pilot und Kriegsheld ist, wurde er von den Nazis bislang nicht deportiert. Doch seine Medikamtente sind teuer, und vom Verkauf des Honigs und Bienenwachses allein kann er sie nicht bezahlen, den größten Teil muss er sowieso an den Staat abgeben. Deshalb bringt er in präparierten Bienenstöcken Juden zur belgischen Grenze. Als die Alliierten immer weiter vorrücken, wird die Lage für Egidius zunehmend gefährlich.

Der Roman ist in Tagebuchform verpasst und nimmt den Leser mit in die Jahre 1944 und 1945. Ein undatiertes Blatt mit einer Vorstellung des Protagonisten gibt zu Beginn einen ersten Überblick, in welcher Situation Egidius sich befindet. Als Epileptiker wurde er als Lehrer entlassen und zwangssterilisiert. Seine Tage verbringt er nun vor allem mit seinen Bienen und seine Nächte mit wechselnden Frauen.

Die Einträge sind in ruhiger, nüchterner Sprache verfasst. Egidius berichtet über alltägliche Begebenheiten, schwierigere Themen schreibt er seltener nieder, auch wenn er seine Notizen im doppelten Boden eines Bienenstocks versteckt. So erfährt man erst nach einer Weile, dass er dabei hilft, Juden über die Grenze zu bringen - laut eigener Aussage vor allem, um sich seine Medikamtente leisten zu können. Neue Instruktuionen erhält er über Notizen in einem Bibliotheksband. Dort ist er fast täglich, um Lateinunterricht zu geben und die Aufzeichnungen seines Vorfahren Ambrosius zu übersetzen.

Ambrosius Agrimond züchtete bereits im 15. Jahrhundert Bienen in der Eifel und gründete eine Familie, nachdem er das nahegelegene Kloster verlassen hatte. Als Junge begegnete er Johann von Erkelenz, der das Herz des verstorbenen Nicolaus Cusanus von Rom nach Cues bringen sollte. Da ich in Erkelenz das Cusanus-Gymnasium besucht habe, fand ich diese Einblicke besonders interessant.

Während der Krieg tobt, beschäftigt sich Egidius ausführlich mit dem Verhalten seiner Bienen. Als Leser erfährt man dabei so einiges über Bienenvölker und ihre Aufgaben im Laufe eines Jahres. Das steht in Kontrast zum Kriegsgeschehen, das Egidius sieht und von dem er hört. Flugzeugabstürze und erschossene Piloten, entkräftete Juden, die ihm ihr Leben anvertrauen, Vergewaltigungen, Bombenabwürfe und immer mehr Soldaten überall.

Gedanklich zieht sich Egidius immer wieder auf schöne Momente und die Zeit mit seinen Bienen zurück, diese Passagen lesen sich fast schon leicht. Dann jedoch folgen wieder Schilderungen zu dem, was gerade wirklich um ihn herum passiert, die umso mehr bedrücken und erschrecken. Dabei wächst auch die Angst in Egidius, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren oder aufzufliegen.

„Winterbienen“ berichtet authentisch von den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges aus der Sicht eines Imkers und Fluchthelfers, der auf Medikamtente angewiesen ist. Dem Autor gelingt es, hinter seiner Figur zurückzutreten und mich Egidius’ Stimme hören zu lassen. Sehr gerne empfehle ich diesen Roman weiter.