Die allerfeinsten Verästelungen
MathiasKurzmeinung: Tiefgründige Kollektion an Kurzgeschichten, die emotional gefärbt, aber kitschfrei die Conditio Humana hintersinnig-empathisch reflektieren!
Die Kurzgeschichte ist eine hohe Kunst, weil es ...
Kurzmeinung: Tiefgründige Kollektion an Kurzgeschichten, die emotional gefärbt, aber kitschfrei die Conditio Humana hintersinnig-empathisch reflektieren!
Die Kurzgeschichte ist eine hohe Kunst, weil es nicht den Raum gibt, allzu detailliert werden zu können. Flannery O'Connor, Sylvia Plath und Joyce Carol Oates beherrschen diese hohe Disziplin. Bettina Dyes ebenso.
Unsere Gegenwart erweckt die Impression, immer schnellebiger zu werden. Das Tempo akzeliert - hektisch, nervös, ausgebrannt ... In manchen Büchern scheint es ebenfalls so zu sein, daß die Eile und die Zeitnot Einzug gehalten haben.
Wie schön, daß es dann noch Bücher wie dieses hier, "Matthias" gibt. Kurzgeschichten scheinen altmodisch und wie aus der Zeit gefallen? Von wegen! Sie sind zeitlos, vor allem, wenn sie universale Leitthemen der Menschheit spiegeln.
In der Natur der Kurzgeschichte liegt es komprimiert zu sein, aber der Autorin gelingt es hier vorzüglich, trotz der literarischen Restriktionen zu entschleunigen. Sie läßt ihren Worten Raum zum Atmen und Entfalten, jenseits eines einschnürenden Korsetts.
Autobiographische Erlebnisse bzw. Fragmente, Beobachtungen und Schicksale diverser Individuen sind die Basis der zehn Kurzgeschichten.
Die beiden Weltkriege werfen ihren langen Schatten bis in die feinsten Verästelungen der Familien, über die Epigenetik sogar bis heute.
Worte können Waffen sein oder unbedacht gebraucht schlimmen Schaden anrichten.
Das Leben plätschert nicht nur dahin mit gelegentlichen Tiefpunkten und Highlights. Es gibt Triggerpunkte, die retrospektiv gesehen eminente Wegmarken setzen, weil sie entscheidende Wenden und Veränderungen hervorrufen können, manchmal mit unvorhersehbaren Folgen. Nicht immer nur negativ. Das ist einer der Leitmotive der Autorin.
Manchmal erkennt man den Triggerpunkt auch sehr klar, wenn er im Begriffe ist sich zu materialisieren.
Es sind die Geschichten ganz "gewöhnlicher" Menschen ( sowie wunderbarerweise einer Taube, Frau Taube ), die alles andere als gewöhnlich sind.
Denn die Autorin zeigt tiefgründig und reflektierend diese einzigartigen Individuen.
Die Probleme, Sorgen, Gedanken, die um und in ihnen kreisen mögen so oder so ähnlich Aberhunderttausende tangieren.
Jeder jedoch erlebt selbstverständlich dies alles, Trauer, Tod, Trennung, aber ebenso Glück und Freude als einmaliges Original ohne Negativ, nicht reproduzierbar.
All dieses Einmalige, das jeder parallel erlebt bildet kollektiv ein Konglomerat, was den ganzen emotionalen Komplex universal macht. So kann man, den Spiegelneuronen entsprechend, der Schmerz des "fremden" Menschen nachempfinden, selbst wenn dieser anders gelagert ist.
Bettina Dyes hat mit großer Herzlichkeit, Empathie und einem tiefen Verständnis der humanen Enigmen diese Geschichten verfasst.
Sie wühlen auf, gehen einem nahe, aber Optimismus fehlt ebensowenig wie Denkanstöße. Diese magisch - realistischen Satzgebilde sind von einem poetisch warmen Wind durchwirbelt und verankern sich unvergeßlich im Langzeitgedächtnis.