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Veröffentlicht am 29.07.2020

Schöne Landschaftsbeschreibungen, aber dünne Krimihandlung

Kretischer Abgrund
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Wie bereits in dem Vorgängerband der Michalis Charisteas-Reihe setzt der deutsche Autor auf bekannte Eckpunkte, die für Besucher den Charme der größten griechischen Insel ausmachen und begeistern. Die ...

Wie bereits in dem Vorgängerband der Michalis Charisteas-Reihe setzt der deutsche Autor auf bekannte Eckpunkte, die für Besucher den Charme der größten griechischen Insel ausmachen und begeistern. Die Gastfreundschaft der Einheimischen, die alten Männer im Kafenio, das Klacken der Tavli-Würfel, jede Menge typische Gerichte der Speisekarte, eisgekühlter Frappé, und nicht zuletzt die Samaria-Schlucht, Paleochora und die Bucht von Souda, Besuchermagnete für fast jeden Kreta–Touristen, der sich im westlichen Teil der Insel aufhält. Dazu dann noch ein ehrgeiziges Projekt vor der Südküste, das das ökologische Gleichgewicht empfindlich stören könnte und deshalb auf einigen Widerstand innerhalb der Bevölkerung stößt. Natürlich mit fatalen Folgen.

Die Tote in der Schlucht markiert den Ausgangspunkt des Falls, der allerdings schon bereits nach Bekanntwerden ihres beruflichen Hintergrunds sehr durchsichtig wird. Daran ändern auch leider die sparsam gesetzten Nebenhandlungen (z.B. eifersüchtiger Verlobter) kaum etwas. Und leider bedienen auch die in Ansätzen gelungenen Personencharakteristiken in großem Maße die Klischees. Die deutsche Freundin von Michalis, natürlich blond, aber ansonsten ohne Funktion. Die Großfamilie, die sich in alle Belange einmischt. Der knorrige Kollege, die gute Seele von Sekretärin. Ach ja.

Positiv hervorzuheben sind aber auf jeden Fall die Landschaftsbeschreibungen, die Vegetation, die Gerüche der wildwachsenden Kräuter, das tiefblaue Meer und die flirrende Hitze im Hochsommer, die wie eine Glocke über allem liegt. Genau so nimmt man das wahr, wenn man die Touristenzentren im Norden meidet und die Insel auf eigene Faust abseits der ausgetretenen Pfade erkundet.

Man mag dem Autor zugute halten, dass er Kreta liebt und dieser Liebe durch seine Bücher Ausdruck verleihen möchte. Das merkt man, aber als Kriminalroman funktioniert das nur bedingt, denn dafür ist der Plot dann leider doch zu einfach gestrickt.

Veröffentlicht am 27.07.2020

Es menschelt in Fjällbacka

Der Leuchtturmwärter (Ein Falck-Hedström-Krimi 7)
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„Der Leuchtturmwärter“ ist mittlerweile der 7. Band der Krimireihe um Erica Falck und Patrik Heckström, die ich alle mit großem Vergnügen gelesen habe, denn die schwedische Autorin Camilla Läckberg schreibt ...

„Der Leuchtturmwärter“ ist mittlerweile der 7. Band der Krimireihe um Erica Falck und Patrik Heckström, die ich alle mit großem Vergnügen gelesen habe, denn die schwedische Autorin Camilla Läckberg schreibt nicht nur spannende Kriminalgeschichten, sondern erzählt ihren Lesern auch noch von den kleinen und großen Katastrophen, die in der Familie, dem Freundeskreis und in Ericas und Patriks Wohnort Fjällbacka geschehen. Im Vergleich zu den anderen skandinavischen Schriftstellern schreibt Frau Läckberg mit leichter Hand und ergeht sich nicht in der endlosen Beschreibung depressiver Seelenzuständen, denn ihrer Protagonisten haben, wie auch ihre Leser, mit den ganz normalen Widrigkeiten des alltäglichen Lebens zu kämpfen. Und genau das macht die Reihe lesenswert – denn es menschelt in Fjällbacka.

Läckberg macht bereits in den ersten Seiten ihres Krimis verschiedenen Handlungsstränge auf, die den Leser dazu anregen, sich Fragen zu stellen: Wer hat Fredrik, Annies Mann, getötet? Was ist mit Mats geschehen, der offenbar misshandelt wurde? Wer hat das getan und warum? Was geschieht mit der Beziehung zwischen Anna und Dan? Können sie den Tod ihres Kindes überwinden? Was hat es mit dem Leuchtturm auf sich, in dem es angeblich spukt? Und welche Rolle spielen Erica und Patrik in diesen Zusammenhängen?

Leicht zu lesende, spannende Unterhaltung mit liebenswerten Protagonisten, das ist es, was diese Reihe auszeichnet. Genau die richtige Lektüre für Sommertage im Liegestuhl.

Veröffentlicht am 25.07.2020

Entlarvende Überschreitung der Genregrenzen

American Spy
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In ihrem Erstling „American Spy“ schert sich die amerikanische Autorin Lauren Wiklinson nicht um Genre-Grenzen, im Gegenteil. Sie überschreitet sie souverän und bestätigt somit auch das Obama-Zitat auf ...

In ihrem Erstling „American Spy“ schert sich die amerikanische Autorin Lauren Wiklinson nicht um Genre-Grenzen, im Gegenteil. Sie überschreitet sie souverän und bestätigt somit auch das Obama-Zitat auf dem Cover. „Weit mehr als ein Spionagethriller“ – in der Tat.

Das Buch startet mit einem Paukenschlag: Es ist Nacht. Marie Mitchell, ehemalige FBI-Agentin, alarmiert von einem ungewöhnlichen Geräusch in ihrem Haus, schnappt sich ihre alte Dienstwaffe. Ein bewaffneter Mann betritt ihr Schlafzimmer, es kommt zu einem Kampf, und sie erschießt den Eindringling. Sie vermutet einen Zusammenhang mit ihrer früheren Tätigkeit und beschließt, ihre beiden Söhne aus der Schusslinie zu nehmen und bringt sie zu deren Sicherheit zu ihrer Mutter nach Martinique.

Natürlich bedarf diese Aktion einer Erklärung, und so schreibt sie einen langen Brief an die Kinder, in welchem sie auf ihre Vergangenheit zurück blickt. Wie wurde aus dem schwarzen Mädchen aus Queens eine Agentin, die in Amerikas Kaltem Krieg an den verschiedensten Fronten eingesetzt wurde und jetzt ausgeschaltet werden soll?

Maries Erinnerungen sind nicht chronologisch gehalten, springen zwischen Zeit, Personen und Orten, und liefern ganz nebenbei einen entlarvenden Blick auf die Rolle der Frauen in männerdominierten Organisationen, auf das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß, auf Diskriminierungen, auf gesellschaftliche Missstände in God’s own country, auf Amerikas eigennützige Einmischungen in die Weltpolitik. Das klingt nach Unmengen Stoff - ist es auch - aber die Autorin verliert nie den roten Faden, fordert deshalb aber natürlich die Konzentration des Lesers.

Ein spannender, entlarvender Roman, der auf den unterschiedlichsten Ebenen funktioniert und die Grenzen der Spionagethriller, die wir von den Meistern des Genres kennen, aufbricht, weshalb er von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung bekommt.

Veröffentlicht am 24.07.2020

Ein starkes Stück niederländischer Geschichte

Staub zu Staub
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Felix Weber, Pseudonym von Gauke Andriesse, hierzulande eher unbekannt. Nicht so in Holland, wurde er dort doch bereits mit zahlreichen Preisen für seine Kriminalromane ausgezeichnet. So auch für „Staub ...

Felix Weber, Pseudonym von Gauke Andriesse, hierzulande eher unbekannt. Nicht so in Holland, wurde er dort doch bereits mit zahlreichen Preisen für seine Kriminalromane ausgezeichnet. So auch für „Staub zu Staub“ (2016, Tot Stof), mit dem Gouden Strop prämiert, dem bedeutendsten Preis der niederländischen Kriminalliteratur.

Worum geht es? Nach dem Zweiten Weltkrieg lebt Siem Coburg, ein ehemaliger Widerstandskämpfer, zurückgezogen auf seinem Hausboot und trauert um all das, was er verloren hat, bis ihn ein alter Freund um Hilfe bittet. Dessen 17-jähriger Enkel Siebold ist unter dubiosen Umständen zu Tode gekommen, in einem Heim für geistig Behinderte, das von Mönchen geleitet wird. Coburg fühlt sich in der Pflicht und schaut sich, als Journalist getarnt, die Einrichtung an. Schnell stellt er fest, dass SieboldsTod kein Einzelfall ist und gräbt tiefer, auch wenn das beharrliche Schweigen der Mönche und Dörfler seine Nachforschungen torpediert.

Dieses Buch als Kriminalroman zu bezeichnen ist eindeutig zu kurz gesprungen, denn die Handlung rund um den Tod des Enkels tritt komplett in den Hintergrund, dient lediglich als Folie, vor der der Autor historischen Stoff aufarbeitet. Es ist ein Roman über den Krieg und dessen Auswirkungen auf die Menschen. Über den Umgang mit Schuld, die jeder Einzelne auf sich geladen hat. Über Vergeltung. Über Glauben, Sühne und Vergebung. Düster und berührend. Ein starkes, ein lesenswertes Stück niederländischer Geschichte.

Veröffentlicht am 21.07.2020

Kaum Überraschungen, leider.

INSEL
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Es sind nicht nur zwei verschiedene Zeitebenen, die uns in dem Mittelband der Hulda-Trilogie erwarten sondern auch zwei Verbrechen, die miteinander im Zusammenhang stehen. Ende der Achtziger endet der ...

Es sind nicht nur zwei verschiedene Zeitebenen, die uns in dem Mittelband der Hulda-Trilogie erwarten sondern auch zwei Verbrechen, die miteinander im Zusammenhang stehen. Ende der Achtziger endet der romantische Ausflug eines frisch verliebten Pärchens zu einem abgelegenen Sommerhaus auf einer einsamen Insel mit dem Tod der jungen Frau. Die Umstände können nicht eindeutig geklärt werden. Zehn Jahre später beschließen vier Freunde zum Gedenken an diesen Anlass, ein Wochenende ebendort zu verbringen. Und wieder geschieht eine Katastrophe.

Es geht behäbig zu in diesem Mittelband der Hulda-Trilogie, denn der Autor lässt sich sehr viel Zeit mit der Entwicklung seiner Geschichte. Die Kommissarin aus Reykjavík, Hulda Hermannsdóttir, spielt in den ersten beiden Dritteln so gut wie keine Rolle, taucht erstmalige nach knapp 200 Seiten auf, was doch recht enttäuschend ist, möchte man doch mehr über ihre Vergangenheit erfahren. Einzig ihr Ausflug nach Amerika, die Suche nach ihrem GI-Vater, bietet weitere Hintergrundinformationen zu ihrer bereits aus dem Vorgänger bekannten Biografie. Da die Zahl der Verdächtigen durch den abgeschlossenen Tatort sehr übersichtlich ist – 4 Personen kommen in Frage – ist auch der Spannungsfaktor, verglichen mit „Dunkel“, relativ niedrig und bietet bei der Entlarvung des Täters kaum Überraschungen.

Ich habe mich beim Lesen mehrmals gefragt, ob die Methode des Rückwärtserzählens wirklich so eine gute Idee ist, gerade dann, wenn die Person der Ermittlerin den eigentlichen Mittelpunkt der Reihe darstellt. Insgesamt gesehen haben mir die Entwicklungsmöglichkeiten gefehlt, die doch üblicherweise einen nicht zu unterschätzenden Aspekt bei Reihen darstellen, was zu Lasten der Tiefe geht. Denn alles, was wichtig wäre, ist ja bereits gesagt und bekannt. Schade.