Was wir nicht kommen sahen
Was wir nicht kommen sahenDie Autorin Katharina Seck hat mit „Was wir nicht kommen sahen“ einen eigenständigen Roman geschrieben, welcher ein sehr brisantes Thema in den Mittelpunkt stellt. Bei sensiblen Lesern empfehle ich, dass ...
Die Autorin Katharina Seck hat mit „Was wir nicht kommen sahen“ einen eigenständigen Roman geschrieben, welcher ein sehr brisantes Thema in den Mittelpunkt stellt. Bei sensiblen Lesern empfehle ich, dass man im Vorfeld den Content- Note liest. Themen wie Cybermobbing oder Suizid nehmen in diesem Roman einen wesentlichen Raum ein – doch dies macht dieses Buch zu einem sehr bewegenden Werk.
Klappentext:
An einem ganz normalen Abend verabschiedet sich die 18-jährige Ada von ihrer Familie und beendet ihr Leben durch den Sprung von einer Brücke. Ihre Eltern Jenny und Dominik bleiben fassungslos zurück. Während Dominik sich vor seiner Trauer in Arbeit flüchtet, beginnt Jenny verzweifelt nach Antworten auf die Frage nach dem Warum zu suchen. Im Internet stößt sie auf eine Spur aus digitaler Gewalt, die sich gegen Ada richtete und der auch Jenny bald nicht mehr entrinnen kann.
Bisher habe ich von der Autorin Katharina Seck nur Bücher aus dem Fantasy- Bereich gelesen, welche mich gut unterhalten haben. Aber bei diesem Roman konnte mich der Klappentext sofort überzeugen – er hat sofort mein Interesse geweckt, sodass für mich feststand, dass ich dieses Werk ebenfalls lesen muss.
Der Schreibstil von Seck ist sehr bildhaft und ausdrucksstark. Meiner Meinung nach schafft es die Autorin gekonnt, die richtigen Worte zu finden und passt ihren Stil der jeweiligen Szene an. Teilweise ist dieser sehr Stil schon recht poetisch und dann wieder gewaltig, aufrüttelnd und direkt. Gekonnt wird hier eine dichte Atmosphäre erschaffen, der flüssige Stil schafft es, dass eine Art Sogwirkung entsteht und man einfach nur weiterlesen möchte. Als Leser möchte man genauso die Zusammenhänge verstehen, wie die Mutter Jenny. Aber auf der anderen Seite nimmt einen der Inhalt des Buches so mit, bewegt einen, dass man immer mal eine kleine Lesepause einlegen muss, damit man das Gelesene verarbeiten kann.
Das Buch wird aus mehreren Perspektiven erzählt. Ein Strang ist aus der Sicht von Ada. Zu Beginn wird der Leser bei den letzten Stunden aus Adas Leben mitgenommen. Der Leser erfährt, wie es ihr geht, wie sie sich fühlt und was in ihrem Kopf vorgeht – kurz bevor sie von der Brücke springt, um sich das Leben zu nehmen. Auch werden Rückblenden aus der Perspektive von Ada eingebunden. Dadurch bekommt man als Leser einen guten Einblick in ihr damaliges Leben, was sie beschäftigt hat und was ihr wichtig war. Auch wer ihr den Rücken gestärkt hat und was ihr Halt gegeben hat. Eine weitere Perspektive ist aus der Sicht von Jenny. Sie ist die Mutter von Ada und durch sie erfährt der Leser, dass Ada sich das Leben genommen hat und wie sich das auf das weitere Leben der beiden Eltern, im Besonderen der Mutter auswirkt. Durch diese Perspektive bekommt man einen gelungenen Einblick in die Gefühlswelt der Mutter und auch in ihre Gedankengänge, wie sie die Welt wahrnimmt. Auch möchte Jenny mehr über die Umstände erfahren, die zu diesem Suizid geführt haben, sodass der Leser sie bei ihren privaten Ermittlungen begleitet. Der dritte Strang wird mit Anonymität betitelt. Hier kommen mehrere Personen zu Wort, welche dazu beigetragen haben, dass Ada sich von der Brücke gestürzt hat. Es werden quasi die Täter näher beleuchtet. Jeder hat hier seinen eigenen kleinen Beitrag zu dieser schlimmen Tat gehabt. Zum Teil sind diese Personen durch Hass und Frustrationen geprägt, mit einer Wut auf die Welt, welche sie gerne an Frauen durch die Macht des Internets auslassen. Es ist wirklich erschütternd, welche Gedankengänge hier angesprochen werden. Und noch erschütternder finde ich eins der letzten Kapitel aus der Sicht der Anonymität, wo resümiert wird – aber hier möchte ich nicht spoilern.
Zu Beginn wird man sofort mitten in das Geschehen hineingeworfen. Als Leser begreift man schnell, dass man die letzten Stunden von Ada miterlebt. Nur um dann aus der Sicht von der Mutter Jenny zu erfahren, was in der Nacht geschehen ist. Jenny nimmt in diesem Roman eine wesentliche Rolle ein. Sie leidet sehr und kann mit dem nicht wirklich abschließen. Sie möchte wissen, wie es so weit kommen konnte und begibt sich immer tiefer in die Welt ihrer Tochter. Dabei erfährt sie einige Abgründe und bekommt neue Blickwinkel, lernt auch die Freunde ihrer Tochter besser kennen. Seite für Seite werden hier weitere Abgründe aufgedeckt. Es gibt leider sehr viele Leute, welche die Anonymität des Internets für ihre eigenen Machtspiele und Zwecke ausnutzen. Sie verstecken sich hinter dem Tarnmantel und hoffen, dass sie damit durchkommen. Immer mehr erkennen Jenny und damit auch der Leser, was Ada zu dem Suizid getrieben hat. Was hier alles im Vorfeld abgelaufen ist und wie gefährlich das Internet sein kann. Es ist wirklich ein bewegender Roman, der einen emotional berührt. Wichtig finde ich hier auch den gesellschaftskritischen Unterton. Wichtige Themen wie Hass gegen Frauen oder auch Cybermobbing werden hier behandelt. Dies ist ein wirklich wichtiges Buch und die Autorin findet meiner Meinung nach hier immer den richtigen Ton, um diese wichtige Botschaft zu vermitteln.
Lediglich die letzten Seiten konnten mich nicht vollständig begeistern. Aber dies ist wirklich Geschmackssache.
Insgesamt konnte mich die Autorin Katharina Seck mit ihrem Roman „Was wir nicht kommen sahen“ berühren. Ein gesellschaftskritisches und wichtiges Buch, welches noch nachklingt. Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung.