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Veröffentlicht am 11.04.2021

Trauer und Schuld

Die Telefonzelle am Ende der Welt
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Es ist der 11. März 2011, als ein Seebeben vor der Ostküste Japans einen Tsunami auslöst und über 22.000 Opfer fordert. Um den Menschen in seinem Ort zu helfen, die Katastrophe zu bewältigen, installierte ...

Es ist der 11. März 2011, als ein Seebeben vor der Ostküste Japans einen Tsunami auslöst und über 22.000 Opfer fordert. Um den Menschen in seinem Ort zu helfen, die Katastrophe zu bewältigen, installierte Sasaki Itaru in seinem Garten eine Telefonzelle ohne Anschluss: das Telefon des Windes. Jedes Jahr kommen tausende Besucher hierher, um ein letztes Mal mit den Menschen zu sprechen, die sie verloren haben.

In diesem realen Garten lässt Laura Imai Messina in ihrem Roman „Die Telefonzelle am Ende der Welt“ ihre Protagonisten zum ersten Mal aufeinandertreffen. Radiomoderatorin Yui verlor durch den Tsunami ihre Mutter und ihre dreijährige Tochter, Arzt Takeshi seine Frau. Aus dieser Begegnung entwickelt sich über die Jahre eine tiefe Freundschaft und womöglich sogar etwas mehr. Doch die Situation ist vor allem für Yui nicht so einfach, denn Takeshi hat selbst eine kleine Tochter – kann sie jemals wieder eine Mutter sein?

Der Roman wird aus Yuis und Takeshis Perspektive erzählt; die Sprache ist dabei klangvoll, aber sehr zart und leise. Es sind nicht die großen emotionalen Ausbrüche, die verraten, wie es in den Figuren aussieht, sondern die kleinen Dinge: Yuis Übelkeit, wenn sie das Meer sieht, Takeshis Unsicherheit als alleinerziehender Vater, das traurige Schweigen von seiner kleinen Tochter Hana. In die Romanhandlung werden immer wieder kleine Zwischenkapitel eingeflochten, die mehr über die Charaktere oder das Geschehen preisgeben: die Playlist, die Yui am Tag des Tusnamis spielte, Dinge, die Hana am liebsten mit ihrer Mutter machte oder der Wortlaut von Takeshis Liebeserklärung an Yui. Diese kleinen Texte geben dem Buch einen Anschein von Authentizität, aber auch etwas Persönliches.

„Die Telefonzelle am Ende der Welt“ ist zwar auch eine Liebesgeschichte, aber vorrangig ein Roman über Trauer und Schuld. Neben Yui und Takeshi begegnen wir noch anderen Nebenfiguren, die Angehörige durch den Tsunami verloren haben – manchmal sogar, obwohl derjenige noch am Leben ist. Und wir erfahren, dass es nicht die eine Art zu trauern gibt, sondern viele, kleine, unterschiedliche Pfade, die irgendwann den Schmerz etwas lindern.

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Veröffentlicht am 10.04.2021

Ein Muss, auch für Nicht-Fantasy-Fans

Das Lied der Krähen
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Der 17-jährige Kaz Brekker ist der Anführer der Dregs, einer der gefährlichsten Gangs in der pulsierenden Hafenmetropole Ketterdam. Seinen Ruf als grausamer Geschäftsmann hat er sich hart erarbeitet. Eines ...

Der 17-jährige Kaz Brekker ist der Anführer der Dregs, einer der gefährlichsten Gangs in der pulsierenden Hafenmetropole Ketterdam. Seinen Ruf als grausamer Geschäftsmann hat er sich hart erarbeitet. Eines Tages tritt der Kaufmann Jan van Eck mit Angebot an ihn heran: Für eine horrende Summe soll er mit einer Crew einen Häftling aus einem absolut sicheren Gefängnis im Norden des Reiches befreien. Was wie ein Ding der Unmöglichkeit erscheint, reizt Kaz ungemein und so entscheidet er sich für fünf Personen, die ihn begleiten sollen.

Inej, das Phantom – eine Artistin und Kletterkünstlerin. Jesper – ein hyperaktiver Scharfschütze mit lockerem Mundwerk. Nina – eine mächtige Grisha (so werden Menschen mit magischen Fähigkeiten in diesem Universum genannt) mit einer Vorliebe für Süßigkeiten. Matthias – ein grummeliger Hexenjäger, der die Grisha eigentlich vernichten soll. Und schließlich Wylan – ein Kaufmannssohn mit jeder Menge Fachwissen über Sprengstoffe.

„Das Lied der Krähen“ hat eine klassische Heist-Handlung, befasst sich also mit einem spektakulären Raub. Die Dynamik zwischen den Figuren ist dabei von großer Bedeutung. Obwohl die sechs nicht unterschiedlicher sein könnten, wachsen sie im Laufe des Buches zu einem loyalen Team zusammen. Neben actionreichen Szenen im Stile von „Ocean‘s Eleven“ kommen auch lustige und emotionale Szenen nicht zu kurz.

Leigh Bardugo ist es gelungen, mit Kaz Brekker einen genialen Gentleman-Schurken zu erschaffen, der zwar extrem grausam sein kann, dafür aber immer einen trifftigen Grund hat. Was ihn auf der einen Seite zu einem perfekten Ränkeschmied macht, erschwert ihm auf der anderen Seite das Leben: Zwischenmenschliche Beziehungen sind ihm fremd, niemand wagt es, ihn zu berühren und nur zu Inej hat er ein gewisses Grundvertrauen aufgebaut. Vor allem an ihm als Protagonisten zeigt sich die Fähigkeit der Autorin, liebenswerte Charaktere mit all ihren Schwächen zu erschaffen. Im Verlauf der Handlung wird sich enthüllen, wie jeder von ihnen zu dem geworden ist, was er ist – und das ist grandios!

Fazit: Ein absolutes Muss, auch für Leser*innen, die keine klassische Fantasy mögen

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Eine Reise durch Leben und Sterben

Abschied von Hermine
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„Abschied von Hermine“ ist nach ihrem grandiosen Roman „Marianengraben“ Jasmin Schreibers erstes Sachbuch. In diesem nimmt sie uns mit auf eine Reise durch das Leben – von seiner Entstehung, über den Alterungsprozess, ...

„Abschied von Hermine“ ist nach ihrem grandiosen Roman „Marianengraben“ Jasmin Schreibers erstes Sachbuch. In diesem nimmt sie uns mit auf eine Reise durch das Leben – von seiner Entstehung, über den Alterungsprozess, das Sterben und den Tod an sich bis hin zum Thema Trauer. Auf dieser Reise begleitet uns irgendwie auch Hermine, Jasmin Schreibers Zwerghamsterdame. Für mich als ehemalige Hamsterhalterin ein Pluspunkt und einer, der auch für die eine oder andere Träne sorgte.

Die Autorin hat eine besondere Art zu schreiben - ihr gelingt die perfekte Balance aus Wissensvermittlung, Humor und persönlicher Note. Als studierte Biologin haben alle ihre Erklärungen Hand und Fuß, sind aber auch für Laien gut verständlich und werden durch ihre witzigen Zeichnungen noch illustriert und aufgelockert. Die Sprache ist bildhaft, klar und stellenweise auch ungemein lustig. Wer also eher auf extrem textlastige Sachbücher voller Schachtelsätze und Fachbegriffe steht, wird hier definitiv nicht fündig werden.

Den Rest erwarten spannende Anekdoten aus der Natur, so zum Beispiel über die Königin der Nacktmulle, das widerstandsfähige Bärtierchen oder unsterbliche Quallen. Mit Absicht lenkt die Autorin dabei den Blick auf Arten, die sonst nicht unbedingt zu unseren Lieblingstieren zählen und erstaunt uns mit interessanten Fakten. Wussten Sie zum Beispiel, dass Nacktmulle echte Superheld*innen sind, die überdurchschnittlich alt werden, einen Krebsschutz in ihren Zellen haben und noch dazu schmerzunempfindlich sind? Nein? Ich auch nicht.

„Abschied von Hermine“ umfasst viele wissenschaftliche Passagen, in denen es einiges zu lernen gibt: von Biologie und Genetik zu Kultur und Religion und den jeweiligen Begräbnisritualen. Ein wenig gruselig wird es, wenn sie sich mit all den Tierchen beschäftigt, die nach unserem Ableben unseren Körper aufsuchen. Und auch Persönliches kommt in diesem Buch nicht zu kurz. Trotz ihrer Beschäftigung mit dem Thema, macht auch der Autorin das Sterben immer noch Angst. Auf der anderen Seite ist da für sie aber der Gedanke, dass alles Leben letztendlich nur durch Sterben fortbestehen kann – und das finde ich sehr tröstlich. Einziger Kritikpunkt des Buches? Es ist viel zu schnell zu Ende!

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Eine Frage der Identität?

Identitti
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Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin ...

Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin Saraswati. In ihr hat Nivedita ein Vorbild gefunden, an dem sie sich orientieren kann und das ihr eine Identität gibt. Doch dann der Skandal: Saraswati hat mit Indien gar nichts zu tun. Sie ist auch keine PoC (=Person of Colour), sondern weiß. Nivedita ist am Boden zerstört. Warum hat Saraswati sie angelogen? Und was bedeutet das nun für Saraswatis Lehren und Niveditas eigene Identität? Wütend macht sie sich zu Saraswatis Wohnung auf, um sie zur Rede zu stellen.

„Identitti“ ist ein außergewöhnliches Buch – das zeigt eigentlich schon ein Blick auf das Cover. Das stellt übrigens die Göttin Kali dar und schlägt damit einen Bogen zum Inhalt. Immer, wenn Nivedita nicht weiter weiß, begibt sie sich in einen Dialog mit ihr. Auch auf ihrem Blog, den sie als „Identitti“ betreibt, finden diese Gespräche ihren Platz. Der Sprachstil des Romans ist dabei durchaus anspruchsvoll; die Autorin geizt nicht mit Fremdwörtern und Fachbegriffen aus dem Bereich der Rassimus- und Identitätsforschung. Trotz allem kommt dabei aber auch der Humor nicht zu kurz.

Zentrales Thema des Buches ist sicherlich die Frage nach der eigenen Identität. Die Person, die diese Diskussion auslöst, ist dabei nicht einfach zu greifen. Saraswati ist selbstgefällig und arrogant, unerträglich klug und wortgewandt. In ihren Wortgefechten mit Nivedita fragt man sich unweigerlich: „Aber hat sie nicht vielleicht recht?“ Es werden die unterschiedlichsten Fragen aufgeworfen, so zum Beispiel, wann man sich eigentlich einer gewissen Identität zugehörig fühlen darf. Nur als Geburtsrecht? Ändert die Staatsangehörigkeit etwas? Und wieso ist es in Ordnung, sich einen anderen biologischen Geschlecht zugehörig zu fühlen, nicht aber einer anderen Kultur?

Auf all diese Fragen gibt der Roman keine Antworten, sondern lässt durch seine Charaktere und eine fiktive Diskussion in den (sozialen) Medien ein Nebeneinander von Meinungen entstehen. Dabei arbeitete die Autorin übrigens mit realen InfluencerInnen und JournalistInnen zusammen und bat sie, zu diesem fiktiven Diskurs einen Tweet oder Artikel zu verfassen, was der Handlung noch einmal Nachdruck verleiht. Die Antworten auf all die Fragen muss man als LeserIn schließlich selbst finden oder vielleicht gibt es hier auch gar kein „richtig“ oder „falsch“? Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Fantasievolle Geschichte mit wichtiger Botschaft

Amari und die Nachtbrüder
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Die 12- jährige Amari Peters führt kein einfaches Leben. Ihre Mutter ist allein erziehend, Geld ist daher immer knapp. Nur dank eines Stipendiums kann Amari auf eine gute Schule gehen. Dort ist sie die ...

Die 12- jährige Amari Peters führt kein einfaches Leben. Ihre Mutter ist allein erziehend, Geld ist daher immer knapp. Nur dank eines Stipendiums kann Amari auf eine gute Schule gehen. Dort ist sie die Außenseiterin, weil sie nicht nur arm, sondern eben auch Schwarz ist. Noch dazu ist ihr Bruder Quinton, der von allen im Viertel und an der Schule bewundert wurde, schon seit einer Weile verschwunden. Doch dann erhält Amari auf einmal eine Nachricht von ihm, die ihr Leben für immer auf den Kopf stellen wird.

„Amari und die Nachtbrüder“ ist B.B. Alstons erstes Kinderbuch und wird in 23 Sprachen übersetzt. Die Handlung wird aus Amaris Perspektive in der Ich-Form und im Präsens erzählt, was das Gefühl gibt, mitten im Geschehen zu sein. Dabei ist sie eine unglaublich sympathische Protagonistin: mutig, vielleicht ein wenig vorlaut, willensstark und sehr loyal – sei es zu ihrer neuen Freundin Elsie oder ihrem Bruder Quinton. Zudem glaube ich, dass sie ein Vorbild für viele Kinder sein kann, die sich bisher in Kinderbüchern nie repräsentiert gefühlt haben – toll!

Die Geschichte an sich ist recht klassische Fantasy. Durch Quintons Nachricht erhält Amari eine Einladung in die Oberbehörde für Übernatürliches, wo sie an einem Auswahlverfahren teilnehmen soll, um Agentin zu werden. Dort offenbart sich, dass sowohl in Quinton als auch in Amari selbst mehr steckt, als sie dachte. Gemeinsam mit Elsie, einem Drachenmädchen, das nicht Feuer speien kann und ihrem Konkurrenten Dylan van Helsing (ja, DIE van Helsings!) stürzt Amari sich in die neue Aufgabe. Denn neben der Aufnahme in die Oberbehörde will sie vor allem eines: Quinton wiederfinden und retten.

„Amari und die Nachtbrüder“ ist eine spannende Fantasygeschichte mit durchaus wichtigen Themen. In der Oberbehörde hat Amari es aufgrund ihrer Herkunft und ihrer magischen Fähigkeiten ebenso schwer, wie in der realen Welt; nur eben aus anderen Gründen. Wie sie mit diesen Vorurteilen umgeht und sie nach und nach überwindet, ist ein bedeutsamer Bestandteil der Handlung. Diese ist am Ende in sich abgeschlossen, der Autor hat jedoch bereits weitere Bände angekündigt, auf die ich mich sehr freue.

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