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Veröffentlicht am 16.06.2024

spannende Einblicke in die Welt der Marken

3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel
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Marken begleiten uns von frühester Kindheit an, und meine ersten Erinnerungen zu diesem Thema reichen in die Grundschulzeit der späten 80er Jahre zurück, als wir uns im Klassenzimmer heftig darüber stritten, ...

Marken begleiten uns von frühester Kindheit an, und meine ersten Erinnerungen zu diesem Thema reichen in die Grundschulzeit der späten 80er Jahre zurück, als wir uns im Klassenzimmer heftig darüber stritten, ob nun der Amigo-Ranzen cooler ist als Scout (na klar!) und Pelikan oder Geha die besseren Füller hat. Dank der inkompatiblen Patronen waren hier die Fronten besonders verhärtet, schweißte doch schon die Möglichkeit, sich nur „markenintern“ mit Tinte aushelfen zu können, eng zusammen. Und wer gar mit LAMY schrieb, verkörperte auf dem Dorf sowieso den Gipfel der Extravaganz und kam garantiert aus dem Waldorf-Kindergarten.

Armin Bonelli spürt in „3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel“ (ein genialer Titel!) dem Mythos der Marken nach: Wie entstehen Marken, woher kommt unsere Liebe zu bestimmten Marken, die mitunter nahezu religiöse Züge annimmt, welche Sehnsüchte sprechen sie an und wie lassen wir uns durch Marken manipulieren?

Der Autor verbindet informative Fakten, anschauliche Beispiele und wissenschaftliche Studienergebnisse und lockert die Thematik immer wieder durch eigene Erfahrungen auf. Dank des kurzweiligen Schreibstils liest sich das Buch sehr angenehm und flüssig. Es brachte mich dazu, mein eigenes Konsumverhalten, das ich als sehr markenkritisch bezeichnen würde, zu hinterfragen und zeigte mir auf, wo ich unbewusst in die Manipulationsfalle der Marken tappe. Entsprechend fand ich auch das Kapitel „Manipulation“ ganz besonders spannend und hätte hierzu gerne noch mehr gelesen (vielleicht in einem nächsten Buch?).

Am Ende des Buches stellt der Autor noch zehn verschiedene Markentypen vor inklusive eines kleinen Tests, anhand dessen man seine eigene Markentyp-Kombination bestimmen kann. Diese traf bei mir erstaunlich gut zu.

Aufgrund der gelungen Mischung aus interessanten Sachinformationen und unterhaltsamer Lektüre eignet sich das Buch auch sehr gut als Geschenk an alle, die sich für die Mechanismen hinter den Markenversprechen interessieren. Unbedingt lesenswert!

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Veröffentlicht am 04.06.2024

„Wir arbeiten in unseren Gräbern!“

Blutrotes Kobalt. Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum
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Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie stecken in Smartphones, Laptops und Tablets und sind als Energiespeicher ein wesentliche Faktor der Mobilitätswende in Elektroautos ...

Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie stecken in Smartphones, Laptops und Tablets und sind als Energiespeicher ein wesentliche Faktor der Mobilitätswende in Elektroautos und E-Bikes. Um hohe thermische Stabilität bei gleichzeitiger großer Energiedichte gewährleisten zu können, ist das Alkalimetall Kobalt ein derzeit unverzichtbarer Bestandteil dieser Akkus und derzeit der begehrteste Rohstoff der Welt. Ein Hauptlieferant für Kobalt ist die Demokratische Republik Kongo.

Der Wirtschaftswissenschaftler, Meschenrechtsaktivist und Professor an der University of Nottingham Siddarth Kara hat sich eingehend mit dem Kobaltabbau im Kongo befasst und zeigt in „Blutrotes Kobalt“ auf erschütternde Weise, unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen in den dortigen Minen das Kobalt hauptsächlich im handwerklichen Kleinbergbau gewonnen wird. Schwerste Kinderarbeit ist an der Tagesordnung, Schutzausrüstung und angemessene Kleidung sind nicht vorhanden, die Schürfer arbeiten in Shorts und T-Shirt, in Flipflops und mit bloßen Händen in einsturzgefährdeten Gruben und Stollen, die Mädchen und Frauen waschen das Erz in verseuchten Becken, sie alle atmen giftige und radioaktive Stäube ein für einen Hungerlohn, der nicht zu Überleben reicht, und sind täglich dem Risiko tödlicher Unfälle und, im Falle der Arbeiterinnen, sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Einer der Kleinschürfer formuliert treffend: „Wir arbeiten in unseren Gräbern!“

Der Gegensatz zwischen den zutiefst erschreckenden Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen im handwerklichen Kleinbergbau und der schillernden, scheinbar cleanen Welt modernster Elektronik könnte nicht größer sein. Kara zeigt auf, dass die PR-Erklärungen der Großkonzerne bezüglich Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Kara reiste zu Recherchen selbst mehrfach in den Kongo und machte sich teils unter beträchtlicher Gefahr ein eigenes Bild von den Bedingungen vor Ort. Er zeigt auf, welche unübersichtlichen Zwischenstationen in den Lieferketten das Kobalt zurücklegt und wie viele Menschen durch systematische Erpressung, Bestechung, Betrug, Vertuschung und Ignoranz an den einzelnen Stationen kräftig mitverdienen.

Kara führte Interviews mit Kleinschürfern, Vertretern von Bergbaugenossenschaften, NGOs, Regierungsvertretern und Zwischenhändlern. Insbesondere die Schilderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen, der Invaliden und der Angehörigen von tödlich verunglückten, oft minderjährigen Schürfern machten mich fassungslos und lassen mich mit anderen Augen auf die akkubetriebenen Geräte blicken.

Ein erschütterndes und ungemein wichtiges Buch, das sehr zum Nachdenken anregt und hoffentlich dazu beiträgt, den Druck auf die Konzerne zu erhöhen, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen und die Ausbeutung der Kongoles*innen zu beenden. Unbedingt lesenswert!

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Veröffentlicht am 02.06.2024

Eine geniale Kinderbuchreihe!

Schule der Meisterdiebe 2: Das vergessene Labyrinth
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Der erste Band der „Schule der Meisterdiebe“ hatte meinen Sohn (10) und mich richtig begeistert, und wir konnten es kaum erwarten die Fortsetzung zu lesen. Dementsprechend stieß mein Sohn einen lauten ...

Der erste Band der „Schule der Meisterdiebe“ hatte meinen Sohn (10) und mich richtig begeistert, und wir konnten es kaum erwarten die Fortsetzung zu lesen. Dementsprechend stieß mein Sohn einen lauten Jubelschrei aus, als das Ebook auf meinem Tablet war, und wollte sofort loslegen. Und wir haben es in Rekordgeschwindigkeit verschlungen!

Band 2 knüpft im Wesentlichen nahtlos an den ersten Teil an, und man sollte diesen auf jeden Fall vorher gelesen haben, da er als Vorwissen vorausgesetzt wird. Der vierzehnjährige Gabriel Avery und seine Freunde Penelope, Amira und die Okoro-Zwillinge sind nun im zweiten Schuljahr in Crookhaven, wo sie zu den besten Ganoven der Welt ausgebildet werden, um ihre Fähigkeiten zukünftig wie Robin Hood für das Gute einzusetzen. Neben der alljährlichen Einbruch-Challenge der Schule wartet auf die Bande ein geheimnisvolles vergessenes unterirdisches Labyrinth auf sie, das Penelope in den Sommerferien wiederentdeckt hat und ihnen wichtige Hinweise auf die Namenlosen geben könnte.

Das Schul- und Internatsleben mit den diversen Unterrichtsstunden in Infiltration, Gaunerkunde, Täuschung und Krimnastik tritt in diesem Band etwas in den Hintergrund, abgesehen von dem neuen Fach „Reklamation“, bei dem es darum geht, sich mit den Geheimnissen des Wassers, Tauchen und Schwimmen vertraut zu machen, um Schätze unter Wasser aufspüren zu können. Der Begriff „Reklamation“, der im Deutschen eigentlich nur für „Beschwerde“ verwendet wird, ist hier etwas verwirrend, insbesondere für Kinder. Um die Bezeichnung zu verstehen, muss man wissen, dass das englische „reclamation“ auch Rückgewinnung bedeutet (die Originalsprache des Buches ist Englisch). Das verzwickte Labyrinth, der knifflige Einbruch und unvorhergesehene Wendungen nehmen Gabriel und seine Freunde komplett in Anspruch und bringen sie dazu, an ihre Grenzen zu gehen.

Die fünf Hauptcharaktere sowie ihre Mitschüler*innen, Lehrkräfte und weitere Figuren haben alle ihre Schrullen, Stärken und Schwächen und sind sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und häufig ambivalent gezeichnet. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, insbesondere die Zwillinge Ade und Ede Okoro lockern die Handlung immer wieder durch ihre Sprüche und ihre Tollpatschigkeit auf.

Besonders toll finde ich, dass die fünf Freunde nicht nur spannende Abenteuer erleben, sondern das Buch ganz nebenbei dazu ermutigt, auf seine eigenen Stärken zu vertrauen und seine Ängste zu überwinden. Die Freunde unterstützen und ermutigen sich hierbei gegenseitig und gehen gemeinsam durch dick und dünn. Auch die Botschaft, genau hinzusehen, hinter die Fassaden der Mitmenschen zu blicken und nicht vorschnell zu urteilen, gefällt mir sehr.

Für uns ist „Die Schule der Meisterdiebe“ eine der besten Kinderbuchreihen ab ca. 9 Jahren überhaupt. Sie kommt zudem komplett ohne Fantasy-Elemente aus, was ich angesichts der Fantasy-Flut am Buchmarkt als sehr angenehm empfinde.

Wie der erste Band besitzt auch Band zwei eine in sich abgeschlossene Kernhandlung, lässt aber genügend lose Enden und einen kleinen Cliffhanger, um ungeduldig und mit großer Vorfreude auf Band 3 (erscheint im Dezember 2024) zu warten!

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Veröffentlicht am 30.05.2024

wenn alle mehr übereinander als miteinander reden....

Die englische Scheidung
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Alec und Betsy gehören in den 1930er Jahren der gehobenen englischen Mittelschicht an. Sie sind seit 17 Jahren verheiratet und der Ehealltag fordert seinen Tribut. Alec hat eine Affäre, Betsy ist unglücklich, ...

Alec und Betsy gehören in den 1930er Jahren der gehobenen englischen Mittelschicht an. Sie sind seit 17 Jahren verheiratet und der Ehealltag fordert seinen Tribut. Alec hat eine Affäre, Betsy ist unglücklich, hadert mit ihrem Leben und möchte sich scheiden lassen. Alles sieht nach einer einvernehmlichen Trennung aus, bis Mutter und Schwiegermutter sich einmischen, um die Ehe zu retten. Nun entwickelt sich eine Dynamik, die sich nicht mehr aufhalten lässt und ungeahnte Folgen hat…
Mit „Die englische Scheidung“ erscheint der Roman „Together and apart“ von Margaret Kennedy aus dem Jahr 1936 in deutscher Übersetzung. Er zeichnet ein interessantes und detailliertes Bild der gehobenen englischen Gesellschaft der damaligen Zeit. Die einzelnen Charaktere, allen voran Alec und Betsy, werden lebendig und ambivalent beschrieben, mit all ihren Eigenheiten, Stärken und Fehlern. Margaret Kennedys Gespür für Menschen und die Komplexität von Beziehungen hat mir besonders gut gefallen. Sie verzichtet auf klare Schuldzuweisungen an Alec oder Betsy, vielmehr spielen viele verschiedene Parameter eine Rolle, dass Beziehungen scheitern oder sich in eine bestimmte Richtung entwickeln. Mit spitzer Feder zeigt sie auf, welche Entwicklung die Einmischungen von außen in Gang setzen. Verwandte, Freunde, Bekannte und Angestellte tragen dazu bei, dass eine Lawine ins Rollen kommt, die Alec, Betsy und ihre Kinder förmlich mitreißt. Jeder kennt nur einen Teil der Wahrheit, schmückt den Rest aus, oft begleitet von einem wohligen Schauer der Sensationslust, und indem vor allem übereinander und nicht miteinander geredet wird, wird die Lage immer verfahrener.
Auch wenn sich in beinahe einhundert Jahren gesellschaftlich und im Rollenverständnis der Geschlechter glücklicherweise einiges geändert hat, ist es doch sehr faszinierend, wie vieles bis heute erstaunlich aktuell ist. Betsy und Alec befinden sich beide in einer Midlife-Crisis, haben sich auseinandergelebt, und insbesondere Betsy verzweifelt an der Diskrepanz zwischen ihren Lebensträumen als junge Frau und dem Status Quo. Auch Alecs Suche nach seiner Rolle als Mann und Vater und die Unfähigkeit der beiden Ehepartner, miteinander zu kommunizieren, sich selbst kritisch zu reflektieren und einen Konsens zu erreichen, ist heute oftmals nicht anders. Und die Kinder sitzen zwischen den Stühlen oder werden zum Spielball im Kampf um die eigenen Interessen.
Ich habe den Roman binnen kürzester Zeit verschlungen und war schon fast traurig, als er zu Ende war. Zu gerne hätte ich nochmal 200 Seiten weitergelesen, um zu erfahren, wie es mit allen weitergeht.

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Veröffentlicht am 30.05.2024

hervorragend recherchiert und aufbereitet

Frühling 1940
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Nur etwas mehr als 20 Jahre nach den verheerenden Schlachten des Ersten Weltkrieges stehen sich während des Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 die Armeen der Alliierten und Deutschlands gegenüber. Weltkriegsveteranen ...

Nur etwas mehr als 20 Jahre nach den verheerenden Schlachten des Ersten Weltkrieges stehen sich während des Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 die Armeen der Alliierten und Deutschlands gegenüber. Weltkriegsveteranen unter den Soldaten und Zivilisten werden mit ihren Erinnerungen konfrontiert, Söhne kämpfen an Orten, an denen ihre Väter gefallen sind. Vielfach sind die Kriegsschauplätze identisch, alte Schützengräben, Befehlsstände und Kriegerdenkmäler erinnern an die damaligen Schlachten, beim Ausheben neuer Stellungen stoßen die Soldaten auf alte Ausrüstung und sogar tote Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg.
Raffael Scheck hat eine Vielzahl an Tagebucheinträgen, Feldpostbriefen und anderen Zeitdokumenten von Frontsoldaten, Politikern, Internierten und Zivilisten (auch Schülern und Schülerinnen!) aus Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgewertet und diesem Buch zugrunde gelegt. Hierdurch entsteht ein hochinteressantes, differenziertes und facettenreiches Bild des Westfeldzuges aus verschiedensten Blickwinkeln.
Meine Kenntnisse über den Westfeldzug beschränkten sich bisher im Wesentlichen auf Abiturwissen, und durch dieses Buch sind mir viele Dinge erst richtig klar geworden. So wusste ich bisher nicht, welche Spannungen und Ressentiments innerhalb der alliierten Streitkräfte vorherrschten, und dass in der französische Armee sogenannte „Senegalschützen“, also Soldaten aus den französischen Kolonien in Afrika, kämpften. Diese waren bei Gefangennahme durch die Deutschen in besonderem Maße gefährdet, schwer misshandelt oder erschossen zu werden.
Raffael Scheck gelingt es, die Zeitzeugnisse in einen fundiert recherchierten Kontext zu setzen und mit hilfreichem Hintergrundwissen zu verbinden. So entsteht ein einmaliges Werk, das neben den historischen Eckpunkten des Westfeldzuges vor allem die menschliche Perspektive zeigt. Trotz der schwierigen Thematik liest sich das Buch sehr flüssig.
Scheck setzt in seinem Buch grundlegendes Wissen über die militärischen Aspekte des Ersten Weltkriegs und des Westfeldzug voraus, und gelegentlich musste ich hier zunächst etwas nachlesen (etwa die „Maginot-Line“ und die „Dyle-Linie“ oder Details der Ardennenoffensive). Mein einziger kleiner Kritikpunkt betrifft die im Buch abgedruckte Karte. Zumindest im Ebook enthält diese keine Legende. Einige erläuternde Worte hätten dem Verständnis der eingezeichneten Kürzel und Linien sehr geholfen.
Fazit: Ein äußerst lesenwertes und hochinteressantes Buch, das einen sehr ausführlichen und ausgewogenen Blick auf den Westfeldzug wirft, dessen Ausgang entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf war.

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