Der Titel „May Morrigans mysteriöse Morde“ von Katherine Black schien mir vielversprechend, auch wenn ich dem Cover nicht allzuviel abgewinnen konnte. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es viel ...
Der Titel „May Morrigans mysteriöse Morde“ von Katherine Black schien mir vielversprechend, auch wenn ich dem Cover nicht allzuviel abgewinnen konnte. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es viel mehr über das Buch aussagt als der Titel, der eigentlich irreführend ist, da bereits nach einem Drittel des Buches nichts Mysteriöses mehr an besagten Morden bleibt. Die Geschichte beginnt gut, es werden einige Charaktere vorgestellt, die schön britisch-schrullig bis skurril rüberkommen, es wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die nach dem ersten Drittel enorme Lust aufs Weiterlesen machte. Die eine oder andere Figur gewinnt Sympathiepunkte, besonders die Titelfigur May, die als liebe alte Dame mit einigen harmlosen Eigenheiten dargestellt wird. Auch ihr Freund Fletcher und ihr Buchhändler Bastian sind interessante Figuren, die gut gezeichnet werden. Leider beginnt bereits im zweiten Drittel der Abfall des Romans, da plötzlich Schlag auf Schlag Dinge enthüllt werden, die der Leser gern durch weitere raffinierte Textkonstruktionen entdeckt hätte, anstatt sie auf dem Tablett serviert zu bekommen. Und es geht gerade so weiter, die Handlung wird nicht nachvollziehbar und unlogisch, die Charaktere reagieren unglaubhaft und die ganze Geschichte hat mich am Ende mit dem schalen Geschmack der Enttäuschung zurückgelassen. Daher gibt es von mir leider keine Leseempfehlung. Sehr schade, denn der Stoff hat Potential, welches die Autorin nicht ausschöpfen konnte.
Vita, Lilija, Halyna: drei ukrainische Frauen, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs versuchen zu überleben. Erzählt wird die Geschichte wechselweise aus diesen drei Perspektiven. Sie beginnt im Jahr ...
Vita, Lilija, Halyna: drei ukrainische Frauen, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs versuchen zu überleben. Erzählt wird die Geschichte wechselweise aus diesen drei Perspektiven. Sie beginnt im Jahr 1941, als die Nazi-Deutschen in die polnische Ukraine einmarschieren und auf die grausamen Sowjets folgen. Erzählt wird jeweils das persönliche Erleben der Hauptfiguren. Die 10-jährige Halbwaise Halyna ist die jüngste, deren Leben sich auf dramatische Weise verändert. Die Jugendliche Lilija, eine begabte Künstlerin und Vogelliebhaberin, hat ihre Familie verloren und wurde von ihrer Tante Vita und deren Familie aufgenommen. Vor allem Lilija hat Entsetzliches erleben müssen und ist traumatisiert vom Verlust ihrer Familie. Entsprechend spröde verhält sie sich allen, aber besonders dem Polen Filip gegenüber, der für sie den Feind schlechthin darstellt, da es Polen gewesen waren, die ihren Vater getötet hatten. Trotzdem verliebt sie sich in Filip. Vita kämpft um das Wohlergehen ihrer drei kleinen Kinder, von denen speziell Nadja, die Kleinste, das empfindlichste, oft kranke Sorgenkind ist.
Anfangs laufen die Erzählstränge parallel, der Leser wird von einem in ein anderes Leben mitgenommen, die nichts miteinander zu tun haben scheinen. Erst als sich nach dramatischen Ereignissen die Wege Vitas und ihrer Nichte Lilija trennen, kreuzen sich die Lilijas und Halynas, als beide zusammen mit Lilijas Cousin Slavko als Ostarbeiter von den Deutschen nach Leipzig verschleppt werden. Sie erleben Grausames und kämpfen ums nackte Überleben. Währenddessen begibt sich Vita mit ihrer verbliebenen Familie, ihrem Ehemann Maksim und ihren jüngeren Kindern Sofia, Boghdan und Nadja auf die Flucht nach Westen, zuerst vor den Deutschen, dann vor den nachrückenden Sowjets, in der Hoffnung, Slavko und Lilija in Leipzig zu erreichen. Auch sie machen Entsetzliches durch, bis sie nach einer langen, immer wieder für Wochen und Monate unterbrochenen Reise in Ostdeutschland ankommen. Dort kommt es nicht zur ersehnten Wiedervereinigung der Familie, sondern zum Showdown in Dresden, als dieses von den Bombenangriffen der Alliierten dem Erdboden gleichgemacht wird. Irrlichternd wandern die Hauptfiguren, die zwar alle das Inferno überleben, was sie aber von den jeweils anderen nicht wissen, weil sie getrennt werden, in Deutschland herum von einem Auffanglager zum nächsten, immer auf der Suche nach den hoffentlich überlebenden Verwandten. Erst Jahre später sollen sich alle im größten dieser Lager wieder finden. Zusammen mit Halyna und Filip, der Lilijas Ehemann wird, emigrieren alle nach Amerika, somit gibt es für die wiedervereinte Familie nach unvorstellbaren Gräueln zumindest ein Happy End. Alles andere wäre, ehrlich gestanden, unerträglich gewesen.
Die Geschichte hat mich wirklich gepackt und tief erschüttert, zum einen wegen der geschilderten Entsetzlichkeiten, die die Hauptfiguren erleben, zum anderen weil ich schlicht nicht wusste, was in Osteuropa, der Ukraine, vor und während des Zweiten Weltkriegs passiert ist. Die Erlebnisse basieren auf denen der geflüchteten ukrainischen Verwandten der Autorin Erin Litteken, was die Geschichte meines Erachtens noch eindrücklicher macht.
Der Aufbau wirkt am Anfang verwirrend, der Leser tut sich nicht sehr leicht damit, von Anfang an zu verstehen, was wann wem und warum passiert. Dann entwirren sich die Fäden zunehmend, die Geschichte beginnt zu fließen und schwillt dann zu einem mitreißenden Strom an. Die parallel verlaufenden Erzählstränge haben jetzt eine Verbindung miteinander und finden sich am Ende zusammen.
Dieser Erzählmechanismus spiegelt sich auch in der Sprache wieder: die ersten Kapitel sind in einer sehr schönen, poetischen Sprache geschrieben. Damit bekommen sogar grausame Szenen ein Element, das kurz innehalten und die Sprache genießen lässt. Mit der Beschleunigung der Erzählung ändert sich auch die Sprache. Sie wird weniger poetisch, dafür konkreter und schneller. Eine sehr geschickte Schreibweise, wie ich finde, da sie das Geschehen unterstützt.
Die Hauptfiguren erschließen sich am Anfang nicht sofort. Die verschiedenen Perspektiven werden zwar in der dritten Person geschildert, aber es wird das subjektive Erleben der Figuren erzählt, ohne größere Zusammenhänge zu liefern. Auch hier müssen sich erst ein paar Fäden entwirren und müssen Dinge erfahren und verstanden werden, bevor man versuchen kann, den Gemütszustand der drei Frauen zu verstehen. Am Ende des Buches hatte ich ein recht klares Bild von Vita, Lilija und Halyna bekommen, ich habe sie regelrecht kennen- und ein bisschen lieben gelernt.
Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich Wären wir Vögel am Himmel gelesen habe, auch wenn es alles andere als eine leichte, entspannende Lektüre war. Ich habe Einblicke in eine mir bislang unbekannte Seite der europäischen Geschichte erhalten und Figuren kennengelernt, denen ich mich verbunden fühle. Die oft kritisierten Schilderungen der Gräuel werden nicht übertrieben, es wird einfach beschrieben, was geschehen ist, und das ist gut und richtig so. Die dunkelsten Seiten der Geschichte dürfen nicht beschönigt oder totgeschwiegen werden.
Ich kann und möchte dieses Buch allen empfehlen, die mehr in einem Buch suchen, als leichte Unterhaltung, die bereit sind, unbequemen Wahrheiten ins Gesicht zu schauen und die daran interessiert sind, Hintergründe heutiger Konflikte verstehen zu können, anstatt aus Unwissenheit geborene Urteile herauszuplärren.
Der zweite Band der Trilogie um die Gärten von Heligan beginnt nahtlos dort, wo uns das Ende des ersten Bandes gelassen hat:
Die junge PR-Frau Lexi arbeitet weiter engagiert und erfolgreich an der Ausstellung, ...
Der zweite Band der Trilogie um die Gärten von Heligan beginnt nahtlos dort, wo uns das Ende des ersten Bandes gelassen hat:
Die junge PR-Frau Lexi arbeitet weiter engagiert und erfolgreich an der Ausstellung, die anläßlich der 30jährigen Jubiläumsfeier zur Wiedereröffnung der verschwundenen Gärten von Heligan dem Publikum ein möglichst umfassendes Bild über die Geschichte dieser Gärten vermitteln soll. Bei ihren Recherchen, die sie zusammen mit ihrem Kollegen Ben macht, stößt sie auf die Figur Avery Harringtons, der sich als Sohn von Damaris und Julian, die eine wichtige Rolle im ersten Band gespielt haben, herausstellt. Hier beginnt der zweite Erzählstrang, der wie im ersten Teil in der Vergangenheit spielt. Allerdings „fehlen“ dem Leser einige Jahrzehnte aus dem Leben der Hauptfiguren des Vergangenheitsteils, so dass man sich erst zurechtfinden musste, wer wer und mit wem und in welcher Weise verwandt ist. Da ist die Aufstellung am Anfang des Buches hilfreich.
Avery bringt sich als jugendlicher Hitzkopf und Frauenheld in Schwierigkeiten, die in einem Duell gipfeln, bei dem ein Verwandter lebensgefährlich verletzt wird. Avery sieht sich gezwungen, aus Heligan zu verschwinden und schließt sich einer bekannten Familie an, die sich nach Indien einschifft. Diese Wendung der Geschichte markiert den Beginn des dritten Erzählstrangs, der den Leser in die exotische Welt der Pflanzensammler in Indien und Nepal entführt. Mitreißend und in schillernden Farben werden diese fernen Länder beschrieben mit ihrer fremden Kultur und der unbekannten Natur, die phantastische Pflanzen hervorbringt, welche von den Pflanzensammlern gesammelt, katalogisiert und nach England gebracht werden. Avery wird selbst ein Pflanzensammler, als er sich einer Nepalexpedition des dänischen Botanikers Wallich anschließt. In Nepal verliebt er sich in eine vermeintliche geflüchtete indische Prinzessin, die heimlich veranlasst, dass die Pflanzensammlergruppe aus Nepal ausgewiesen wird. Nachdem sie die Gruppe auch noch bestiehlt, verschwindet sie mit dem Geld. Avery verfolgt sie, erkrankt schwer und braucht ihre Hilfe, um zurück nach Kalkutta zu kommen. Er wird gerettet, sie hinterlässt ihm einen Sohn, den er mit zurück nach Heligan bringt, wo der Junge liebevoll von der Familie Averys und dem Shire Tremayne aufgenommen wird.
Dieser Erzählstrang um Avery ist der vorherrschende im Buch, obwohl wir auch im zweiten Erzählstrang noch viel von den Bewohnern Heligans erfahren. Der erste Erzählstrang um Lexi bleibt etwas vernachlässigt (wie schon im ersten Band), was ich persönlich schade finde. Wir erfahren zwar doch noch einige Details aus ihrem früheren Leben, das sie mit ihrem gewalttätigen Exfreund geführt hat, und sie teilt sich Ben mit, nachdem sich zwischen ihnen eine Liebesgeschichte entwickelt, aber die Figur Lexis bleibt seltsam ungreifbar, auch weil einige ihrer Verhaltensweisen kaum nachvollziehbar sind.
Ben scheint ihr gut zu tun. Er nimmt sie mit zu seinem Großvater, bei dem sie interessante Entdeckungen machen, die auf einen Zusammenhang mit den ehemaligen Bewohnern Heligans hinweisen. Und hier möchten wir wissen, wie diese losen Fäden zu einem fertiggewebten Ganzen zusammengebracht werden.
Das wird im dritten Band erfolgen, und wir erwarten ihn mit Ungeduld. Ich hoffe, Lexi wird endlich greifbar und bekommt eine Identität in der Geschichte, ist doch sie diejenige, die irgendwie das Erbe Heligans weiterführt. Wir werden sicher auch den letzten Vergangenheitsabschnitt aus der Geschichte Heligans erzählt bekommen, bei dem der Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Anfang vom Ende Heligans darstellt.
Auch in diesem zweiten Band ist der Aufbau gelungen. Die wechselnde Erzählperspektive und –zeit wird von der Autorin sehr kunstvoll eingesetzt, was das Buch zusammen mit ihrem angenehmen, detailreichen Schreibstil wieder zu einem schönen, interessanten und kurzweiligen Leserlebnis macht.
Die junge PR-Frau Lexi tritt ein Praktikum in den legendären Gärten von Heligan in Conwall an, nachdem sie nicht nur alle Brücken zu ihrem vorigen Leben in London hinter sich abgebrochen, sondern auch ...
Die junge PR-Frau Lexi tritt ein Praktikum in den legendären Gärten von Heligan in Conwall an, nachdem sie nicht nur alle Brücken zu ihrem vorigen Leben in London hinter sich abgebrochen, sondern auch alle Spuren verwischt hat. Von Panikattacken geplagt, die auf eine morbide Beziehung zu einem krankhaft possessiven Mann zurückzuführen sind, findet Lexi nicht nur Menschen, die sie mit offenen Armen aufnehmen sowohl in Heligan, ihrer neuen Arbeitsstelle, als auch im Haus der Woods, wo sie sich eingemietet hat für die Zeit ihres Praktikums. Aus ihrem Praktikum wird eine Anstellung, da sich Lexi als höchst fähig auf ihrem Spezialgebiet, der PR, erweist. Sie wird beauftragt, eine Jubiläumsausstellung für Heligan zu organisieren und stürzt sich voller Elan in die Recherchen, um etwas ganz Spezielles auszugraben. Dabei stößt sie auf die Geschichte der Familie Tremayne, die am Anfang der Geschichte der Gärten von Heligan stand. Diese Geschichte, die im späten 18. Jahrhundert ihren Anfang nimmt, wird von hauptsächlich von Damaris Tremayne und später auch von ihrer Schwester Allie erzählt und wechselt sich mit der aktuellen Geschichte um Lexi ab. Lexi, eine verängstigte, verschlossene Figur, fügt sich langsam in ihre neue Welt ein, während sie die spannenden Ereignisse der Vergangenheit der Gärten von Heligan rekonstruiert: Damaris Tremayne findet am Strand einen Schiffbrüchigen, Julian, der ihr Leben völlig verändern wird. Sie lebt zusammen mit ihrer behinderten Schwester Allie bei ihrem Cousin Henry Tremayne, welcher nicht nur eine Seele von Mensch, sondern auch der Schöpfer der Heligan-Gärten ist. Mit ihm unternimmt Damaris eine Grand Tour durch die berühmtesten Gärten Südenglands, was ihm die Inspiration zur Schaffung seines eigenen Gartens – Heligan - verschafft. Julian hat mit dem Trauma zu kämpfen, seine ganze Familie bei dem Schiffbruch verloren zu haben. Wird es ihm gelingen, darüber hinwegzukommen und ein neues Leben in Heligan zu beginnen?
Die Geschichte an sich hat großes Potential. Das Ambiente – die Gärten von Heligan – ist faszinierend, seine teils belegte, teils fiktive Geschichte schlägt den Leser gleich in den Bann. Die Figuren werden vielversprechend eingeführt, allerdings verlieren die der Gegenwart an Schwung, während die historischen Figuren immer präsenter und farbiger werden. Die Autorin zeichnet ein lebhaftes Bild der Zeit. Die Geschichte aus der Vergangenheit um Damaris Tremayne ist komplett, mit einem befriedigenden Schluss, die der Gegenwart um Lexi lässt den Leser trotz eines momentan positiven Endes leicht unbefriedigt zurück, denn zu viele Fragen, die der Leser sich nach dem gelungenen Anfang stellt, bleiben ungeklärt, die Figuren öffnen sich dem Leser nicht.
Der Aufbau des Romans ist meines Erachtens gelungen, das Abwechseln der Erzählperspektiven und –zeiten schafft ein farbiges Gewebe, welches durch den Schreibstil der Autorin zu einem reich bestickten Gobelin wird, der eine spannende Geschichte zu erzählen hat.
Die Autorin hätte den Erzählstrang um Lexi nicht so vernachlässigen sollen, aber da es sich um den ersten Band einer Trilogie handelt, nehme ich an, dass die Folgebände die Geschichte um sie weitererzählen und die Figur endlich Farbe bekommt und zu leben beginnt. Zumindest hoffe ich das.
Insgesamt war es ein schönes, interessantes und kurzweiliges Leseerlebnis, das ich nicht missen möchte. Und ich freue mich auf den zweiten Teil der Gärten von Heligan.
Als Eduard Kießling, dem renommierten Juister Hotelbesitzer, das Bundesverdienstkreuz verliehen werden soll, versammelt sich seine Familie im familieneigenen Hotel, um das Ereignis gebührend vorzubereiten. ...
Als Eduard Kießling, dem renommierten Juister Hotelbesitzer, das Bundesverdienstkreuz verliehen werden soll, versammelt sich seine Familie im familieneigenen Hotel, um das Ereignis gebührend vorzubereiten. Die biedermeiermäßig anmutende Atmosphäre wird schnell empfindlich gestört durch die Ankunft von Helen, deren Ähnlichkeit mit Eduards Frau Adda so frappierend ist, dass allen – auch gegen ihren Willen - klar ist, hier haben sie ein unbekanntes Familienmitglied vor sich. Helen ist auf der Suche nach ihrer Herkunft und landet auf Juist, da sie von ihrer australischen Adoptivmutter einen entsprechenden Hinweis erhalten hat. Helens Auftauchen setzt Erinnerungen und Ereignisse in Gang, die die Geheimnisse der Familie ans Licht bringen werden.
Bis dahin lernen wir die Familie Kießling kennen: Johanne, die das Hotel zu einem erfolgreichen Familienunternehmen gemacht hat, ihre Tochter Adda mit Ehemann Eduard und die drei Töchter des Paares. Eine weitere Tochter, Wanda, von deren Existenz der Leser erst im Laufe der Geschichte erfährt, fehlt allerdings bei dem Familientreffen. Der Prolog, der in Form eines Tagebucheintrags gehalten ist, legt den Schluss nahe, dass die Schreiberin 30 Jahre vorher den Freitod gewählt hat, was das Fehlen Wandas erklären könnte.
Die Idee der Geschichte ist sehr interessant und hat mich von Anfang an gefesselt, auch wenn ich aufgrund der Vielzahl der Figuren und der Erzählung auf verschiedenen Zeitebenen zu Beginn einige Schwierigkeiten hatte, einen Überblick zu bekommen über die Beteiligten und ihre Verwandtschaftsverhältnisse. Mit der Zeit wurde das immer besser und ermöglichte es mir, der Erzählung der Schicksale der verschiedenen Generationen von Frauen der Familie gespannt zu folgen. Die Figuren selbst bleiben allerdings etwas lauwarm, es ist mir nicht gelungen, mich mit einer von ihnen zu identifizieren oder sie liebzugewinnen, obwohl die vier Gezeiten aus dem Titel die grundverschiedenen Persönlichkeiten der Töchter andeuten. Hier ist das Potential leider nicht ausgeschöpft worden.
Die Technik der Autorin Anne Prettin, oft die Perspektive und auch die Erzählzeit zu wechseln, erhöht die Spannung sehr. In einem Crescendo rauscht die Geschichte auf ihren Höhepunkt und die Auflösung der zahlreichen Rätsel, die die Familiengeheimnisse aufgeben, zu und lässt den Leser recht befriedigt zurück, da keine losen Fäden bleiben, auch wenn die Fülle der Geheimnisse und Lebensereignisse manchmal fast zu dick aufgetragen erscheint.
Insgesamt eine trotz der Anfangsschwierigkeiten lohnende Lektüre, die nebenbei auch Einblick gibt in die jüngere Geschichte eines kleinen, den meisten unbekanntes Stück Deutschland, die ostfriesische Insel Juist, und ihre Natur, deren Schilderung mit zu den überzeugendsten Teilen des Romans gehört. Man kann die Insel regelrecht sehen, hören und riechen. Und schon allein deshalb verdient es der Roman gelesen zu werden.