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Veröffentlicht am 05.06.2024

Familiengeheimnisse, Liebe und Versöhnung

Black Cake
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Viele Geheimnisse werden aufgedeckt, doch "Black Cake" von Charmaine Wilkerson ist kein Krimi, sondern eine Familiengeschichte. Die Geschwister Benny und Byron haben sich jahrelang nicht gesehen, seit ...

Viele Geheimnisse werden aufgedeckt, doch "Black Cake" von Charmaine Wilkerson ist kein Krimi, sondern eine Familiengeschichte. Die Geschwister Benny und Byron haben sich jahrelang nicht gesehen, seit die sich unverstanden und unakzeptiert fühlende Benny den Kontakt zur Familie gekappt hat. Nun ist Eleanor Bennett, die Mutter gestorben. Bei der Beerdigung ist die Stimmung zwischen den Geschwistern, die sich einst so nahestanden, zunächst einmal frostig.

Um die letzten Wünsche ihrer Mutter kennenzulernen, müssen sich die beiden allerdings erst einmal eine längere Audioaufnahme anhören, die die Eleanor vor ihrem Tod angefertigt hatte, um Ungesagtes nicht mit ins Grab zu nehmen. Es ist nicht nur eine Liebeserklärung an ihre Kinder, Eleanor deckt auch ihre Familiengeschichte auf, wie sie von einer karibischen Insel erst nach Großbritannien, dann in die USA kam.

Dass der Weg ihrer Eltern, geprägt von Aufstiegswillen und der Betonung von Bildung und Leistung auch eine Flucht vor der Vergangenheit war und ihre Eltern ein Leben lang ein Geheimnis bewahrt hatten, wird Benny und Byron erst jetzt klar. Und sie erfahren, dass sie eine ältere Schwester haben, von der auch ihr Vater nie etwas wusste.

Benny und Byron waren bisher nie in der Heimat ihrer Eltern gewesen. Ihre Verbindung zu ihrem kulturellen Erbe ist eine kulinarische: Der Black Cake, den die Mutter zu Weihnachten und besonderern Familienfesten buk. Im Tiefkühlfach wartet auch jetzt der letzte Black Cake der Mutter darauf, mit allen Geschwistern geteilt zu werden.

Wilkersen hat ihren Roman mit verschiedenen Erzählperspektiven und Zeitebenen geschrieben, den Lesern werden manche Geheimnisse früher enthüllt als den Geschwistern. Gleichzeitig zeigt die Autorin Rassismuserfahrungen auf, die buchstäblich kein Schwarz-Weiß-Schema bedeuten. "Black Cake" ist ein Buch über Liebe und Verlust, über Freundschaft und Vertrauen, Entfremdung und Zusammenkommen. Es wäre leicht, angesichts großer Gefühle in eine Kitschfalle zu tappen, aber Wilkersen vermeidet das souverän in diesem warmherzigen, aber auch vielschichtigem Familienroman.

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Liebe, Wahn und Tod

Vergebens
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Im neuen Spreewaldkrimi von Christiane Diekerhoff um die Kommissarin Klaudia Wagner und ihre Kolleginnen und Kollegen des Polizeirevier Lübben geht es neben einem ziemlich blutigen Mordfall auch um allerlei ...

Im neuen Spreewaldkrimi von Christiane Diekerhoff um die Kommissarin Klaudia Wagner und ihre Kolleginnen und Kollegen des Polizeirevier Lübben geht es neben einem ziemlich blutigen Mordfall auch um allerlei große Dinge, von Transphobie über psychische Erkrankungen, Folgen tiefsitzender Traumata und daneben auch noch um viel Zwischenmenschliches im Arbeitsleben.

Denn abgesehen davon, dass der ausgesprochen brutale Mord an einem Gerichtsvollzieher aufzuklären ist und kurze Zeit später auch die Frau, die den Toten gefunden hat, tot ist, gärt ein Konkurrenzkampf im Lübbener Revier: Der langjährige Dienststellenleiter wird in den Ruhestand gegen, Klaudia hat sich für die Stelle beworben. Mit 46 Jahren wird es Zeit, Aufstiegswillen zu zeigen - doch eigentlich ist sie ja Vollblutermittlerin.

Will sie sich das wirklich antun, einen Job, der von Verwaltung und Dienstplänen geprägt ist. Zudem hat Klaudia Konkurrenz durch den smarten LKA-Ermittler Meinert, Mitte 30 und obendrein Polizeigewerkschafter, einer der vermutlich gut ankommt beim Personalrat. Für die Zusammenarbeit im kleinen Team jedenfalls ist die Jagd auf den Chefposten eher suboptimal, während sich Lager für die jeweiligen Kandidaten bilden und auf Fehler der Konkurrenz geachtet wird.

Diekerhoff schafft es, Spannung mit einer ruhigen Erzählweise zu verbinden und immer wieder auch die Wälder und Flusslandschaften zu schilder, die neugierig machen auf den Spreewald. Der beschaulichen Landschaft zum Trotz hat der neue Fall der Lübbener Ermittler viele Untiefen und erlebt eine dramatische Zuspitzung. Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit, aber auch voller Einsatz prägen dieses Team. Der Titel "Vergebens" passt für den Fall, in dem es auch um Liebe, Wahn und Tod geht.

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Paradise lost

Nachruf aufs Paradies
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Die Datscha nahe der Grenze zu Belarus war jahre-, ja jahrzehntelang der Sehnsuchtsort von Lutz Dursthoff und seiner Frau Galja. Die heile Welt, für Galja mit der Kindheit in der Sowjetunion verbunden, ...

Die Datscha nahe der Grenze zu Belarus war jahre-, ja jahrzehntelang der Sehnsuchtsort von Lutz Dursthoff und seiner Frau Galja. Die heile Welt, für Galja mit der Kindheit in der Sowjetunion verbunden, mit langen Ferien bei der Oma, wurde das immer neu transformierte Grundstück auch für den deutschen Ehemann zum russischen Paradies mit Banja und Gemüsegarten, Besuchen der Kinder und Enkel, gemütlichem Plausch mit den Nachbarn.

Dursthoffs Buch "Nachruf aufs Paradies" war ursprünglich anders gedacht: Episoden aus dem Datschaleben für die deutschen Leben, reflektieren über das Leben zwischen zwei Welten, seit der deutsche Verlagsmensch bei einem Arbeitstausch zu Perestrojka-Zeiten in einem Moskauer Verlag seine Galja kennen und lieben lernte.

Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich das geändert. Zum einen war da die ethische Frage: Können wir, wollen wir in dieser Situation überhaupt noch nach Russland reisen? Zum anderen die schmerzliche Erkenntnis, dass mit vielen russischen Nachbarn auf dem Dorf plötzlich keine Gespräche mehr möglich sind, dass viele die staatliche Propaganda nicht hinterfragen. Da ist aber auch die Sorge um die jungen Leute im russischen Bekannten- und Verwandtenkreis: Droht ihnen die Mobilmachung, müssen sie in den Krieg?

"Nachruf aufs Paradies" wechselt immer wieder zwischen den Erinnerungen an den Aufbau dieses Paradieses, Pilzsuchen im Wald, Baden im See, ein ruhiges, entschleunigtes Leben, recht paradiesisch eben. Zugleich wird reflektiert über deutsch-russische Beziehungen, über die Sorge um ein Land, das beiden eben sehr am Herzen liegt, ohne dass diese Liebe blind und unkritisch ist. Das Entsetzen und die Enttäuschung darüber, wie sich Russland seit den Perestrojka Jahren und insbesondere unter Putin gewandelt hat, ist spürbar. Dursthoff bemüht sich nicht um Objektivität, er nimmt Partei - gegen den Krieg und das System Putin, aber eben auch für das, was in Russland gut und schön ist. Von der unkritischen Begeisterung aus jungen Jahren beim MSB ist jedenfalls keine Spur mehr, auch der letzte Datscha-Sommer, während des Krieges, ist von schmerzlicher Ernüchterung geprägt.

Das Buch ist sehr persönlich und zeigt gerade deshalb, dass es eben nicht so einfach ist, wenn man den Menschen so verbunden ist, das Regime aber gründlich ablehnt. Was tun? wie schon Lenin fragte. Der Autor ringt noch mit einer Antwort.

Veröffentlicht am 25.05.2024

Uralubskrimi mit einem Hauch von RomCom

Mord am Haff
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Lust auf Ostsee, Strand und Mord? Frauke Scheunemanns Cozy-Krimi "Mord am Haff" bietet all das mit einem Hauch von romantic comedy. Wer auf der Suche nach einem Thriller für harte Nerven ist, wäre hier ...

Lust auf Ostsee, Strand und Mord? Frauke Scheunemanns Cozy-Krimi "Mord am Haff" bietet all das mit einem Hauch von romantic comedy. Wer auf der Suche nach einem Thriller für harte Nerven ist, wäre hier nicht gut bedient, wer dagegen eine Prise Humor und einen gute Laune Krimi nicht nur für Strandkorb-Urlaub sucht, dürfte Gefallen an Radiojournalistin Franziska Mai finden. Zusammen mit ihrem Volo Janis ermittelt sie gewissermaßen in Konkurrenz zur Polizei und besonders dem gutaussehenden Kommissar Kay Lorenz. Es geht schließlich nicht nur um Einschaltquoten, sondern auch um das Überleben des Usedomer Privatrundfunks.

Eine Einbruchsserie beunruhigt vor allem die wohlhabenden Usedomer, denn die Täter sind im hochpreisigen Segment unterwegs. Ist man denn nicht mehr sicher unterm Reetdach? Bei ihren Umfragen und in der Hörerpost bemerkt auch Franziska, dass die berühmte Volksseele kocht und auf der Suche nach Verdächtigen reflexartig über die nahe polnische Grenze schielt.

Ein polnischer Journalist, der Franziska grenzüberschreitende Recherche vorschlägt, glaubt auf eine heiße Spur gestoßen zu sein. Doch dann endet ein Einbruch mit einer Toten. Und während es scheint, als werde über Facebook zur Gründung einer Bürgerwehr getrommelt, ermitteln Franziska und Kay unter Hochdruck mal gemeinsam, mal in Konkurrenz zueinander. Nur mit dem mehrfach geplanten Spaziergang unterm Sternenhimmel will es einfach nicht klappen.

"Mord am Haff" ist ein typischer Urlaubskrimi und verbreitet auch in anderen Lese-Regionen Strandfeeling. Die Autorin hat eine lockere-humorvolle Schreibweise, ohne ins Alberne abzugleiten. Die Protagonisten sind sympathisch und ich habe sie gerne bei ihren Ermittlungen begleitet. Die Lösung des Falls ist eine Überraschung, mit der ich so nicht gerechnet hätte.

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Veröffentlicht am 24.05.2024

Tod eines Kritikers

Bitteres Ende
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iteraten können empfindliche Wesen sein. Das kann ein Kritiker ganz schön Schaden anrichten. Was aber, wenn der Kritiker auch charakterlich ein eher unangenehmer Zeitgenosse ist? Als am Ende eines einwöchigen ...

iteraten können empfindliche Wesen sein. Das kann ein Kritiker ganz schön Schaden anrichten. Was aber, wenn der Kritiker auch charakterlich ein eher unangenehmer Zeitgenosse ist? Als am Ende eines einwöchigen Literaturkolloquiums auf Sylt ein Literaturkritiker mausetot auf einer Bank an der Kampener Vogelkoje aufgefunden wird, merken die Kommissare Silja Blanck, Bastian Kreuzer und Sven Winterberg in Eva Eyleys Sylt-Krimi "Bitteres Ende" jedenfalls sehr schnell: Zwischen den schreibenden Schöngeistern und dem Kritiker herrschte so gar kein eitler Sonnenschein.

Doch reicht das als Mordmotiv? Und wer hatte überhaupt die Gelegenheit? Oder waren sie es womöglich alle gemeinsam, wie bei "Mord im Orient-Express", um mal bei der (Kriminal-)Literatur zu bleiben? Die Kommissare verrennen sich in diesem Buch gleich mehrmals und müssen ziemlich lange rumrätseln. Die dann doch sehr unterschiedlichen Literaten - ein Lyriker, eine Kinderbuchautorin, eine Ratgeberautorin und ein literarisches Nachwuchstalent plus eine Talkmasterin und der den Kommissaren bestens bekannte Inseljournalist Hübner hatten alle so ihre Spannungen mit dem toten Kritiker. Allein lässt sich niemandem ein Mord nachweisen.

Vielleicht war alles ganz anders? Bei ihren weiteren Nachforschungen stoßen die Ermittler auf eine Häufung von Zufallsbegegnungen, die irgendwann kein Zufall mehr sein können. Der wahre Hintergrund der Tat erschließt sich erst beim etwas melodramatisch ausfallendem Finale.

Den Reiz dieses Romans machen die ein wenig überzeichneten Autorinnen und Autoren aus, die entsprechend exaltiert wirken. Dass es sich um eine bereits seit längerem laufende Serie handelt, ist nicht weiter problematisch. "Bitteres Ende" ist ein solider Whodunnit mit Inselkulisse.

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