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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.08.2024

Schaurig böse

Ihr wollt es dunkler
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„Ich weiß nicht einmal, warum Menschen Geschichten brauchen und warum ich - neben vielen anderen - die Notwendigkeit verspüre, welche zu schreiben. Ich weiß nur, dass die Freude daran, den gewöhnlichen ...

„Ich weiß nicht einmal, warum Menschen Geschichten brauchen und warum ich - neben vielen anderen - die Notwendigkeit verspüre, welche zu schreiben. Ich weiß nur, dass die Freude daran, den gewöhnlichen Alltag zurückzulassen und eine Beziehung zu Leuten aufzubauen, die gar nicht existieren, zu beinahe jedem Leben gehört. Unsere Fantasie ist hungrig und muss gefüttert werden.“ (Seite 732)

Dieser Band beinhaltet überwiegend neue sowie die längsten darunter bisher gänzlich unveröffentlichte Geschichten des Meistererzählers Stephen King, erfreuliche zwölf Stories sind es geworden. Nicht alle davon konnten mich restlos begeistern, aber alle gut unterhalten. Die Themen sind dabei so interessant wie vielfältig; ob unerklärliche Phänomene, seltsame Zufälle, oder ein sich Antwortmann nennender Zeitgenosse, der in der Lage ist, zukünftige Ereignisse vorauszusagen, wenn die Frage richtig gestellt wird; für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es gibt eine Fortsetzung zu Cujo, dem furchterregenden Bernhardiner, der mich vor vielen Jahren das Fürchten lehrte, aber auch die Geschichte von Danny, der auf leidvolle Weise lernen muss, dass Gutes tun nicht immer Gutes hervorruft, besonders dann nicht, wenn er sich dabei dumm anstellt. Welche davon dein Favorit wird, kannst nur du selbst entscheiden, indem du das Buch liest. Viel Spaß dabei!

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Veröffentlicht am 01.08.2024

Sehnsucht nach dem Leben

Frauen, die beim Lachen sterben
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Iris flieht aus Berlin auf eine griechische Insel, wo sie eine Ferienwohnung mietet von Paolo. Dort hinterfragt sie ihr Leben, ihre Freundschaft mit Ela und Katja, ihre ehemalige Beziehung mit Simon und ...

Iris flieht aus Berlin auf eine griechische Insel, wo sie eine Ferienwohnung mietet von Paolo. Dort hinterfragt sie ihr Leben, ihre Freundschaft mit Ela und Katja, ihre ehemalige Beziehung mit Simon und überhaupt, wo ist in allem der Sinn? Aus einer Woche werden zwei, dann vier und schon gehen die Monate ins Land. Iris muss sich entscheiden; wo will sie eigentlich hin?

„Warum habe ich Simon nach Paris nicht verlassen? Warum nicht sogar schon in Paris? War ich eine dieser Frauen geworden, die noch ein paar Gefühle aus ihren Männern herausschütteln wollten, obwohl sie selber schon lange keine mehr hatten?“ (Seite 88)

Zu Beginn habe ich ein paar Seiten gebraucht, bis ich im Buch ankam. Dies lag ein wenig an der Schreibweise und der Sprunghaftigkeit der Protagonistin, die nie lange bei einem Thema geblieben ist. Erst allmählich gewöhnte ich mich daran, irgendwann passte es gut und ich war froh, dass ich drangeblieben bin. Iris war mir nicht sympathisch, dies vorweg, obwohl ich in vielem einer Meinung mit ihr war. Sie war so unruhig, so rastlos, dabei aber unschlüssig in vielen Dingen, gleichgültig und abweisend, sodass es schwer gewesen ist für mich, sie zu mögen. Sie erzählte fast atemlos, wollte loswerden, was geschehen ist, ließ mich aber lange im Unklaren, welchen Grund ihre Flucht aus Berlin hatte. Ihre Erzählungen waren faszinierender als sie für mich; ich hoffe, das macht jetzt irgendwie Sinn.

Gehen oder bleiben, Beziehungen, Freundschaften, der Job und Familie, alles fand hier seinen Platz. Mit feiner Ironie und schwarzem Humor trieb es die Autorin auf die Spitze, ließ ihre Figur ihr Leben sezieren und dies so unterhaltsam, dass ich oft amüsiert gewesen bin. Gerne empfehle ich den Roman weiter, weise dabei aber darauf hin, dass Grundkenntnisse der englischen Sprache erforderlich sind, will man nicht ganze Unterhaltungen durch ein Übersetzungsprogramm jagen müssen, weil diese nicht übersetzt wurden. Witzig, oft etwas skurril und lesenswert.

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Veröffentlicht am 31.07.2024

Spannungsgeladene Action

Eighteen
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Nach den dramatischen Ereignissen mit Sixteen genießt Seventeen, der berüchtigtste Auftragskiller der Welt, seinen Ruhestand. Dabei behält er immer im Hinterkopf, dass ein möglicher Nachfolger keine andere ...

Nach den dramatischen Ereignissen mit Sixteen genießt Seventeen, der berüchtigtste Auftragskiller der Welt, seinen Ruhestand. Dabei behält er immer im Hinterkopf, dass ein möglicher Nachfolger keine andere Wahl hat, als ihn auszuschalten, wenn er Eighteen werden will. Eines Tages ist es soweit, ein Scharfschütze taucht auf, die Kugel aber verfehlt knapp ihr Ziel. Seventeen macht sich auf die Jagd nach dem Killer und ist verblüfft, als er ein kleines Mädchen findet, das mit einem Scharfschützengewehr im Wald ausgesetzt wurde, um ihn zu töten. Zusammen mit seiner Ex-Geliebten Kat will er überprüfen, wer das Kind geschickt hat. Was er herausfindet, erschüttert ihn mehr, als er für möglich gehalten hätte.

„Ich bin sicher, dass das Kind auf mich geschossen hat. Als ich sie aus dem Wagen zur Haustür geschleppt habe, ist mir der Korditgeruch aufgefallen. Aber eine Neunjährige schleppt kein Zehn-Kilo-Gewehr samt Zielfernrohr und Munition von der Straße den Hügel hinauf und sucht sich dort die geeignete Position für einen perfekten Schuss auf mein Fenster.“ (Seite 27)

Nachdem mich das erste Buch der Seventeen-Reihe letztes Jahr großartig unterhalten hat, wollte ich natürlich unbedingt wissen, wie es mit Seventeen weitergeht. Man muss den ersten Band nicht gelesen haben, um diesen zu verstehen, da die wichtigsten Dinge erneut erzählt und erklärt werden. Für ein besseres Verständnis der Beziehungen der Personen zueinander wäre dies zwar von Vorteil, aber die regelmäßigen Wiederholungen sind meines Erachtens vollkommen ausreichend, um alles zu verstehen. Die folgende Rezension verrät nichts, was für die vergangenen Geschehnisse von Belang wäre.

Wie bereits im vorherigen Teil der Reihe springt John Brownlow auch hier zwischen den Zeiten, lässt seinen Protagonisten in der Vergangenheit schwelgen und erklärt so die gegenwärtigen Entwicklungen. Dies trägt erheblich zur Spannung bei, zusätzlich gestattet es, Seventeen ein wenig in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Aber nur ein bisschen, denn natürlich ist ein Auftragskiller kein sympathischer Mensch. Eigentlich. Durch den eingebauten Humor wird die Geschichte aufgelockert und erneut habe ich das Gefühl, das Drehbuch zu einem Actionfilm zu lesen, das mit einem aktuellen Thema punktet. Ist es übertrieben? Ja! Ist es teilweise an den Haaren herbeigezogen? Absolut! Ist es so unrealistisch, dass manch einer die Augen verdrehen könnte? Das ist es! Und deswegen liebe ich es! Großartige Unterhaltung für Liebhaber dieses Genre und damit mehr als lesenswert.

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Veröffentlicht am 30.07.2024

Annäherung in kleinen Schritten

Alles immer wegen damals
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Karlas Geschwister kommen auf die Idee, ihr und der gemeinsamen Mutter zu ihren Geburtstagen eine Reise nach Hamburg zu schenken inklusive einem Besuch des Musicals König der Löwen. Karla, die mittlerweile ...

Karlas Geschwister kommen auf die Idee, ihr und der gemeinsamen Mutter zu ihren Geburtstagen eine Reise nach Hamburg zu schenken inklusive einem Besuch des Musicals König der Löwen. Karla, die mittlerweile in Köln lebt, pflegt lieber ihre Ticks, nährt ihre Ängste und überhaupt hat sie so gar keinen Bock darauf, mehrere Tage mit der Mutter zu verbringen, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Gerda wiederum ist einem Treffen nicht abgeneigt, hat allerdings auch so ihre Bedenken.

„Das ist sozusagen die Familie, also diejenigen, die das Wesen Familie weiter nähren, das Projekt am Laufen halten, die online sind. Karla ist noch in der Gruppe, weil rausgehen anstrengender ist als drinnenbleiben. Sie ist noch in allen Gruppenchats, zu denen sie je hinzugefügt wurde, einfach weil sie kein Fass aufmachen will, nicht für Gerede sorgen, keine Aktion bringen will, die sonst wie interpretiert werden könnte.“ (Seite 16)

Bereits nach wenigen Seiten wusste ich, dass mich ein ungewöhnliches Leseerlebnis erwartet. Mal aus dieser, mal aus der anderen Perspektive kam ich Karla und Gerda näher, die so unterschiedlich wie Tag und Nacht sind. Dabei war ich immer wieder aufs Neue begeistert vom Schreibstil der Autorin, staunte über das erzählerische Talent von Paula Irmschler, ergötzte mich an ihrer Fähigkeit, mit Worten und Sätzen zu jonglieren, dass es eine Freude war. Die Beziehung zwischen Töchtern und Müttern ist bekanntlich eine besondere und diese Besonderheiten zeigte die Geschichte auf, stellte diese jedoch nicht in den Mittelpunkt.

Der langsamen und zaghaften Annäherung der beiden Frauen habe ich gerne beigewohnt, war dabei erstaunt über Gerdas Fähigkeit, die zuweilen sehr komplizierte Tochter nicht nur zu ertragen, sondern auch auf diese zuzugehen, ohne dass es aufdringlich oder peinlich geworden ist. Nur an einer Stelle wurde es mir persönlich zu viel, Karla war mir kurz zu anstrengend, ich musste pausieren und befürchtete schon, dass es das gewesen ist, aber zum Glück half eine kleine Auszeit, meinen Kopf freizupusten, danach passte es wieder und ich versank im Buch. Insgesamt ein tolles, bisweilen sehr amüsantes Werk, das ich gerne weiterempfehlen möchte.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Unerwartet anders

Tot oder lebendig
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„Es war der Abend vor meinem dreißigsten Geburtstag, und wenn die folgenden dreißig Jahre so werden würden wie die bisherigen, wäre weiterleben schon arg lästig. Lästig ist aber auch, dass man sich erst ...

„Es war der Abend vor meinem dreißigsten Geburtstag, und wenn die folgenden dreißig Jahre so werden würden wie die bisherigen, wäre weiterleben schon arg lästig. Lästig ist aber auch, dass man sich erst umbringen muss, wenn man nicht mehr leben will. In Filmen ist das immer ein dramatischer Moment, untermalt mit elegischer Orchestermusik. Aber in Wahrheit ist es still.“ (Seite 5)

Anna Thurow beschließt an dem Abend vor ihrem dreißigsten Geburtstag, zu sterben und wägt verschiedene Selbstmordarten gegeneinander ab. Sinnlos erscheint ihr das Leben, auch wenn sie nicht unglücklich ist, denn glücklich ist sie jedenfalls nicht. Durch Zufall landet sie bei einer Hypnotiseurin, die ihr attestiert, in ihr sei der Geist eines kroatischen Juden namens Andri, der in Dubrovnik gelebt hat. Ihre Neugier siegt und so macht sich Anna auf den Weg nach Kroatien, wo sie auf Anka trifft, die Andri gekannt hat. Dabei lernt sie vieles über die Kriegsvergangenheit des ehemaligen Jugoslawiens sowie auch die Naziverbrechen, aber sie erfährt dazu einiges über sich selbst.

„Ich konnte mich nicht sattsehen an ihren Silhouetten, sie waren alle so schön, wie Samt und Seide, ich sah mich vor ihnen wie vor einem Geheimnis, und ich wollte in sie eindringen, aber ich wusste nicht, womit. Meinen Körper betrachtete ich, wie ich den Körper einer anderen Frau betrachtete: wie ein Wunder, aber auch wie ein Rätsel.“ (Seite 81)

Zu Beginn fand ich Anna faszinierend, trotz ihrer düsteren Gedanken, ihrer Sprunghaftigkeit und ihrer Verwirrung hinsichtlich ihrem Geschlecht. Das Spiel mit den Worten beherrscht die Autorin, daran gibt es nichts auszusetzen, aber ein wenig ermüdete mich der Charakter von Anna irgendwann, sodass ich froh war über einen Ortswechsel, der uns in das Ex-Jugoslawien führte, wo es dann doch noch emotional und ernst wurde. Es ist kein Buch für zwischendurch, es hat mich gefordert, aber auch amüsiert. Die Reise hat mich gut unterhalten, versöhnte mich mit Anna und so gingen wir auseinander, ohne einander böse zu sein. Anders und lesenswert.

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