Der Dynamit Teufel
Träume von Freiheit - Flammen am Meer"Flammen am Meer", so der Untertitel zum Debütroman von Silke Böschen und gleichzeitig der Auftakt einer Trilogie über wahre Schicksale von amerikanischen Frauen in Deutschland.
Dezember 1875 in Bremerhaven.
Die ...
"Flammen am Meer", so der Untertitel zum Debütroman von Silke Böschen und gleichzeitig der Auftakt einer Trilogie über wahre Schicksale von amerikanischen Frauen in Deutschland.
Dezember 1875 in Bremerhaven.
Die "Mosel", ein Auswandererschiff liegt bereit zum Auslaufen im Hafen, als ein lauter Knall ertönt. Die darauffolgende Druckwelle wirbelt Menschen, Tiere und sogar ganze Fuhrwerke durch die Luft. Wer nicht sofort tot ist, wird durch herumfliegene Teile erschlagen oder verletzt. Die Bilanz nach dem Unglück ist verheerend: Mehr als 200 tote oder verletzte Menschen.
Eine davon ist Johanne Clausen. Gemeinsam mit ihrem Mann, der kleinen Tochter und ihrer Familie war sie am Hafen, um ihren Bruder Gustav zu verabschieden, der sich an Bord der Mosel befand. Sie und ihre kleine Tochter Elsie sind die einzigen Überlebenden der gesamten Familie. Der Attentäter ist schnell gefunden. William King Thomas hat sich in seiner Kabine eine Kugel in den Kopf geschossen. Er verstirbt wenige Tage später und hinterlässt seine Frau Cecilia und ihre vier gemeinsamen Kinder. Als Ehefrau des "Dynamit-Teufels" hat sie in Deutschland keine Zukunft mehr und flüchtet unter falschen Namen mit den Kindern nach New York. Dort möchte sie einen Neuanfang wagen, doch die Vergangenheit holt sie auch tausende Kilometer weit entfernt ein....
Silke Böschen hat für ihren Roman die sogenannte "Thomas-Katastrophe" als Ausgangspunkt genommen. Es ist eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht. In akribischer Recherche hat die Autorin geschickt Fakten und Fiktion miteinander verwoben und einen wunderbaren historischen Roman geschaffen, den man kaum aus der Hand legen kann. Durch die Einbindung realer Personen wird die Geschichte noch authentischer.
Wir lesen abwechselnd aus der Sicht von Johanne und Cecilia. Orts- und Datumsangabe unter der Kapitelüberschrift sind dabei hilfreich. Die beiden Frauen sind sehr unterschiedlich und dennoch verbindet sie diese Katastrophe aus dem Dezember 1875. Während Johanne durch das Unglück einen Teil ihrer rechten Hand verliert und zusätzlich in ihrer Trauer gefangen ist, versucht Cecila sich und die Kinder durchzubringen. Dabei ist ihr ihr Status immer wichtig und sie gibt das Geld, wie sie es gewohnt war, mit vollen Händen aus. Richtig sympathisch ist mir Cecilia nicht geworden, jedoch sind beide sehr starke Frauen, die ihren Weg gehen...komme, was wolle.
Johanne findet lange nicht zurück ins Leben. Einzig ihre kleine Tochter hält sie aufrecht. Durch den Verlust der rechten Hand muss sie wieder schreiben lernen, um ihren Schwiegervater im Kontor zu helfen. Die Arbeit bringt sie auf andere Gedanken, denn die Menschen neiden ihr die finanzielle Unterstützung, die alle Opfer der Katastrophe erhalten. Doch ihre Lieben ersetzt es nicht...
Was im Klappentext angedeutet wird, passiert allerdings spät, denn die beiden Frauen treffen erst im letzten Viertel des Buches aufeinander. Das fand ich schade, denn hier hätte ich gerne eine längere Zeit verweilt.
Am Ende des Romans gibt es einen kleinen Zeitsprung. In einer Art Rückblick der gealterten Johanne erfährt der Leser, wie ihr und Cecilias Leben am Ende ihres Weges ausgesehen hat.
Schreibstil:
Der Schreibstil von Silke Böschen lässt sich wunderbar lesen. Er ist flüssig und der Zeit angepasst, aber nicht sperrig. Man hat absolut nicht das Gefühl einen Debütroman zu lesen. Die Kapitel sind eher kurz gehalten. Die Charaktere sind ausdrucksstark und facettenreich.
Das wunderschöne Cover ist zusätzlich ein Eyecatcher.
Am Ende des Romans befindet sich nach dem Nachwort ein Personenregister der handelnden Figuren. Dabei erhält man als Leser Einblicke in die historischen Personen und erfährt, was Fakt und was Fantasie ist. Es handelt sich dabei um fast gesamte Lebensläufe, die sich interessant lesen lassen.
Fazit:
Ein bewegender Schicksalsroman, der die Thomas-Katastrophe als Ausgangspunkt für diese komplexe Geschichte über zwei starke Frauencharaktere verwendet. Akribisch recherchiert und großartig umgesetzt. Diesen Debütroman kann ich aus vollem Herzen weiterempfehlen!