Cover-Bild Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
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inkl. MwSt
  • Verlag: Tropen
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Gesellschaftliche Gruppen
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Ersterscheinung: 02.03.2019
  • ISBN: 9783608115345
Reni Eddo-Lodge

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche

Viel zu lange wurde Rassismus als reines Problem rechter Extremisten definiert. Doch die subtileren, nicht weniger gefährlichen Vorurteile finden sich dort, wo man am wenigsten mit ihnen rechnen würde – im Herzen der achtbaren Gesellschaft.

Was bedeutet es, in einer Welt, in der Weißsein als die selbstverständliche Norm gilt, nicht weiß zu sein? Reni Eddo-Lodge spürt den historischen Wurzeln der Vorurteile nach, und zeigt unmissverständlich, dass die Ungleichbehandlung Weißer und Nicht-Weißer unseren Systemen seit Generationen eingeschrieben ist.

Ob in Politik oder Popkultur – nicht nur in der europaweiten Angst vor Immigration, sondern auch in aufwogenden Protestwellen gegen eine schwarze Hermine oder einen dunkelhäutigen Stormtrooper wird klar: Diskriminierende Tendenzen werden nicht nur von offenen Rassisten, sondern auch von vermeintlich toleranten Menschen praktiziert. Um die Ungerechtigkeiten des strukturellen Rassismus herauszustellen und zu bekämpfen, müssen darum People of Color und Weiße gleichermaßen aktiv werden – "Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur uns."

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2019

Sehr empfehlenswert

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Da ich hier kein echtes Profilbild hochgeladen habe, möchte ich als Erstes betonen, dass ich Weiß bin und so "Flagge zeigen": Ja, ich bin mir meines white privilege bewusst, jener himmelschreienden Ungerechtigkeit, ...

Da ich hier kein echtes Profilbild hochgeladen habe, möchte ich als Erstes betonen, dass ich Weiß bin und so "Flagge zeigen": Ja, ich bin mir meines white privilege bewusst, jener himmelschreienden Ungerechtigkeit, die in dieser unserer westlichen Welt "Weiß sein" als Standard festgelegt hat, weswegen es im "Regelfall" eben nicht explizit erwähnt wird. Reni Eddo-Lodge erzählt dazu eine berührende Anekdote, in der sie als Kleinkind ihre Mutter fragte, wann sie denn weiß werden würde - schließlich seien im Fernsehen alle gute Menschen weiß, die Schwarzen irgendwie immer die Bösen, und sie sei doch ein gutes Mädchen, also muss auch sie doch irgendwann weiß werden?

Macht es doch selbst einmal, dieses kleine Gedankenexperiment: Wenn ihr Bücher lest oder über Charaktere sinniert, stellt auch ihr sie euch meist weiß "by default" vor? - sollte es sich um eine PoC handeln, wird das ja schließlich immer explizit erwähnt, oder? Und, was habt ihr "gesehen"? John Grisham hat dieses Gedankenexperiment Ende der 80er als wirklungsvollen Plot Point in Die Jury eingesetzt, und es hat nichts an seiner Aktualität verloren. Das ist noch eine recht harmlose Variante von white privilege, die aber deutlich vermittelt, wie voreingestellt unsere Denkmuster sind. Deswegen die lange Vorrede und die explizite Erwähnung - setzt mein Weißsein nicht einfach so Voraus. Ich habe dieses Privileg, ich bin mir dessen bewusst, und ich will es bekämpfen.

Reni Eddo-Lodge versucht, mit ihrem Buch - entgegen des Titels, den einige Unverbesserliche nur zu gerne als "Provokation" auffassen, was die Aussage der Autorin nur noch mehr bestärkt - zwei Dinge zu erklären: Die Geschichte des Rassismus in Großbritannien sowie die Geschichte des Verschweigens desselben. Und so bietet das erste Kapitel auch gleich einen sehr ausführlichen, mit zahlreichen Beispielen (und Quellen, überhaupt ist das Buch sehr gut recherchiert) belegten Überblick über die Geschichte von PoC in GB und ihrer systematischen, strukturellen Unterdrückung von den Anfängen des Sklavenhandels über die Kolonialzeit bis heute. PoC, Rassismus - da denken die meisten Menschen in erster Linie an die Geschichte der USA, die ist ja auch gut bekannt und dokumentiert. Doch auch PoC in GB hatten und haben schwere Zeiten durchgemacht, tun dies noch immer, und die Autorin gibt ihnen eine Stimme, die aufgrund des US-Fokus bisher viel zu leise war. Mir war sehr vieles neu; was mich verwundert hat: Der Autorin, und somit anderen PoC in GB, ebenfalls. Da scheint GB noch viel Aufarbeitung der eigenen Geschichte vor sich zu haben.

Zur Geschichte des Verschweigens kommt dann wieder der Titel ins Spiel: Rassismus, so die Autorin, ist eine Angelegenheit der Weißen. Sie sind dafür verantwortlich, setzen ihn durch und um - und sind sich dessen oft gar nicht bewusst. Deswegen kommen oft auch abwehrende, rechtfertigende bis hin zu vollends wütenden Reaktionen, wenn diese "zornige schwarze Frau" es doch mal wagt, den Mund aufzumachen. So erklärt sich der Titel - und so erklärt die Autorin u.a. das bereits erwähnte white privilege und die Fehlannahme von "reverse racism" - für mich die stärksten Teile des Buchs.

Die weiteren Kapitel waren ebenso wahnsinnig interessant, denn sie lassen sich - auch wenn sie wieder den Fokus auf GB legen - auch auf alle anderen europäischen Länder übertragen, in denen Vorurteile gegen PoC und/oder MigrantInnen, Fremdenhass und Ausgrenzung auf dem Vormarsch sind. Da geht es um die Angst der "Einheimischen", von einer fremden Rasse quasi annektiert zu werden (die "Umvolkung", vor der die Neu-Rechten auch in Deutschland warnen), die Angst der Arbeiter, dass ihnen "von denen" die ohnehin schon spärlichen Jobs (und die Frauen!) gestohlen werden usw. usf....genau der gleiche Mist wie bei uns. Auch spannend: Im Buch wird das Konzept der Intersektionalität sehr ausführlich und verständlich erklärt.

Ich empfehle dieses Buch allen Menschen, die sowieso grundsätzlich an der Thematik interessiert sind. Ganz ausdrücklich empfehle ich es weißen Menschen, die noch "ganz am Anfang stehen", sich ihrer Privilegien bewusst zu werden und mehr darüber erfahren wollen. Die aufgeschlossen sind, nicht vor Selbstkritik zurückschrecken und gemeinsam mit anderen Stellung beziehen wollen. Macht den ersten Schritt und lest dieses Buch. Es wird eine sehr inspirierende Reise.