Thoughtless – Erstmals verführt ist leider kein New Adult Roman, den man uneingeschränkt empfehlen kann, was vor allem an der Protagonistin Kiera liegt, denn es ist schwierig bis unmöglich sich mit ihr zu identifizieren. Sie ist unfassbar unselbstständig, scheint keinerlei Hobbies zu haben und zu Beginn dreht sich ihre ganze Welt nur um Denny. Man macht es ihr nicht zum Vorwurf, dass sie so verliebt in ihn ist, man sollte dabei aber eine eigenständige Persönlichkeit bleiben und auch mal in der Lage sein sich allein zu beschäftigen, statt während der Abwesenheit des anderen überhaupt nichts mit sich selbst anzufangen zu wissen und lächerlicherweise fast in eine Depression zu verfallen, nur weil der andere kurzzeitig in einer anderen Stadt arbeitet.
Sie behauptet ständig optisch nur absolutes Mittelmaß und total unscheinbar zu sein, ihre dazu im völligen Widerspruch stehenden Beschreibungen von sich selbst klingen mangels wirklicher Kritik an ihrem Körper allerdings eher nach dem genauen Gegenteil, wodurch ihr fehlendes Selbstbewusstsein nicht charmant, sondern unglaubwürdig wirkt. Ferner suggeriert sie mit diesen Gedanken schon fast, dass man als Frau hässlich wäre, wenn man nicht wenigstens eine tolle Figur sowie zahlreiche andere Vorzüge hat, weil sogar die eigentlich sehr hübsche Kiera ja schließlich gerade einmal durchschnittlich ist.
Während sie auf den ersten Seiten noch sympathisch erscheint, verliert sie im Laufe der Geschichte jegliches Verständnis oder Mitgefühl des Lesers, weil ihr Verhalten irgendwann kaum noch nachvollziehbar ist und ihre Taten immer unentschuldbarer werden. Dadurch fällt es einem zunehmend schwer gute Eigenschaften an ihr zu entdecken um sie nicht für ihre Begriffsstutzigkeit, ihren grenzenlosen Egoismus oder ihre Heuchelei zu hassen. Sie gibt sich stets unschuldig und prüde, flirtet während Dennys Abwesenheit aber unverhohlen mit Kellan, hält mit ihm Händchen und kuschelt ständig mit ihm auf der Couch, was sie ihrem Freund natürlich verschweigt, obwohl das doch angeblich völlig harmlos ist. Außerdem hintergeht sie Denny letztlich mehr als einmal und ist dabei abgebrüht genug nach ihrem Seitensprung so zu tun als wäre nichts gewesen. Sie weint ständig, obgleich sie diejenige ist, die die beiden Männer permanent mit ihrer Wankelmütigkeit und Selbstbezogenheit verletzt. Schließlich will sie noch bemitleidet werden, weil sie sich zwischen ihnen entscheiden soll.
Denny ist anfangs noch recht liebenswert, wird dann jedoch, was jammerschade ist, immer blasser und verkümmert zu einem beinahe unbedeutenden Anhängsel. Er weiß genau, dass etwas nicht stimmt und Kiera ihm Dinge verschweigt, ihn sogar direkt belügt, stellt sie allerdings nicht ein einziges Mal zur Rede, sondern lässt sich immer wieder ablenken oder nimmt ihre scheinheiligen Ausreden unkommentiert hin.
Generell ist die Beziehung von Kiera und Denny zwar vielleicht süß, einfach und bequem, aber definitiv nicht so, wie man sich eine gute, funktionierende Beziehung vorstellt. Vor allem Kiera ist sehr sprunghaft und neigt zu völlig überzogenen Reaktionen. Statt wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen und vorher miteinander darüber zu sprechen, entscheidet Denny über Kieras Kopf hinweg, was bei ihr wiederum zu einer Überreaktion führt als er sie überraschend damit konfrontiert, was ihn dann leider ebenfalls zu einer folgenschweren Kurzschlusshandlung veranlasst.
Kellan und einige der Nebenfiguren sind, zumindest was die Charaktere betrifft, die wenigen Lichtblicke des Romans. Kellan ist ein sehr liebenswürdiger, tiefgründiger Mann, in dem viel mehr steckt als es auf den ersten Blick erkennbar ist. Sein Rockstar-Image ist nur Fassade und dahinter verbirgt sich ein humorvoller, freundlicher, talentierter Sänger, der sich nach Liebe sehnt. Obwohl er in seinem Leben schon so viel durchmachen müsste, ließ er sein Herz nicht versteinern, sondern ist noch zu viel Liebe fähig, da er nicht an seiner Vergangenheit zerbrochen ist. Wenn Kiera ihn nicht aufgehalten hätte, hätte er sogar die Stadt verlassen um ihrer Beziehung zu Denny nicht zu schaden. Umso schmerzhafter und beinahe unerträglich ist es dabei zuzusehen wie Kiera, die ein Talent dafür hat sich selbst als das Opfer hinzustellen, ihm schrecklich Unrecht tut, indem sie ihn offensichtlich völlig falsch einschätzt, seine Gefühle mit Füßen tritt und ihm andauernd aufs Neue das Herz bricht. Er hat es einfach nicht verdient so von ihr behandelt zu werden, nachdem er ihr so deutlich gezeigt hatte, wie viel sie ihm bedeutet.
Kieras Kollegin Jenny und Kellans Bandmitglieder Griffin, Matt und Evan sind mitunter viel interessanter und liebenswerter als die Protagonistin, doch abgesehen von kurzen Erwähnungen haben sie nur selten richtige Auftritte. Traurigerweise öffnet Jenny Kiera aber nicht die Augen als diese ihr das Herz ausschüttet und damit endlich jemandem von der Sache mit Kellan erzählt. Später mischt sie sich zum Glück jedoch noch ein und sorgt mit Hilfe von Evan für eine klärende Aussprache.
Das Liebesdreieck zwischen Kiera, Kellan und Denny, das eigentlich spannend und prickelnd sein sollte, ist unglücklicherweise weder das eine noch das andere. Vielmehr empfindet man es mit der Zeit als unglaublich Nerv tötend, da insbesondere Kieras verquere Logik irgendwann überhaupt nicht mehr nachvollziehbar ist. Sie sagt Denny nichts, weil sie ihm nicht wehtun will – als wäre eine Affäre hinter seinem Rücken auf irgendeine Weise weniger verletzend. Sie macht beiden Männern ganz bewusst falsche Hoffnungen und leere Versprechungen um Zeit zu schinden und sich nicht entscheiden zu müssen. Diese Hinhaltetaktik ist schlicht fies, herzlos und feige. Sie hat einfach nur Schuldgefühle und Angst vor Denny Reaktion auf ihren Verrat. Der andauernde Betrug stört sie offenbar nicht, aber die Wahrheit kann sie ihm natürlich unmöglich erzählen.
Darüber hinaus reibt sie dem armen Kellan ihre Beziehung mit Denny unter die Nase, sodass er zusehen bzw. zuhören muss, wie sie sich küssen oder in seinem Haus Sex haben. Doch als Kellan sich wieder mit anderen Frauen vergnügt, flippt sie aus und stellt ihn als Arschloch hin, obwohl sie zuvor genau das gleiche getan hat.
Später ist ihr Verhalten an Dreistigkeit sogar kaum noch zu überbieten, denn nachdem die Missverständnisse geklärt sind und Kellan ihr seine Gefühle gestanden hat, will sie zwar mit ihm zusammen sein, aber ohne sich deshalb von Denny zu trennen oder ihm die Wahrheit zu sagen. Sie redet Kellan sogar ein schlechtes Gewissen ein als er sie bittet sich zu entscheiden, weil er Denny nicht länger hintergehen will, da er damit ja praktisch von ihr verlange Denny zu verletzen.
Es ist einem unbegreiflich, dass Kiera ihre eigenen Emotionen scheinbar bis zum Schluss nicht zu deuten weiß, obwohl ihre Gedanken mehr als deutlich machen, wem ihr Herz wirklich gehört. Sie schläft irgendwann kaum noch mit Denny, redet kaum mit ihm, vermisst ihn nicht, denkt stattdessen permanent nur an Kellan, vermisst ihn schmerzhaft, will ihn unbedingt berühren und redet sich dennoch ein Denny nach wie vor zu lieben und nur mit ihm zusammen sein zu wollen. Das ist geradezu absurd, so offenkundig wie sie längst einen anderen liebt. Zu allem Überfluss begreift sie anscheinend nicht, wie falsch und verletzend ihr ganzes Verhalten ihnen beiden gegenüber war und suhlt sich stattdessen lieber in Selbstmitleid. Mit einer Protagonistin mit mehr Charakter und Anstand wäre die ganze Geschichte somit um Längen besser gewesen.
Trotz der zahlreichen Kritikpunkte ist Thoughtless – Erstmals verführt kein ausschließlich schlechter New Adult Roman. Die Handlung ist immerhin so fesselnd, das man beständig weiterliest und wissen will, wie die Geschichte endet. Ein paar der erotischen Szenen sind S.C. Stephens ebenfalls ganz gut gelungen. Unschön ist allerdings, wie oft die Charaktere beim Sex entweder gar nicht verhüten oder dies mit keinem Wort erwähnt wird.
Der Schreibstil der Autorin lässt sich flüssig lesen, an einigen Stellen aber stark zu wünschen übrig. Menschen haben eigentlich eine sehr umfangreiche Mimik, auf die drei Protagonisten trifft das jedoch offenbar nicht zu, denn die häufigsten, ständig wiederkehrenden Gesichtsausdrücke sind lächeln und Stirn runzeln. Letzteres liest man tatsächlich über siebzigmal, wodurch es besonders auffällt. Des Weiteren hätte es dem Roman sicher gut getan ein- bis zweihundert Seiten zu streichen um das beinahe endlose Hin und Her, das nach einer Weile stark an den Nerven zerrt, zu verkürzen.
Der extrem überdramatisierte Höhepunkt der Geschichte und die damit verbundenen Entwicklungen sind so überraschend wie schockierend, erscheinen aber äußerst fragwürdig und unglaubwürdig angesichts der völligen Wesensveränderung, die eine der Hauptfiguren dabei an den Tag legt. Das Ende ist in gewisser Hinsicht schön, doch viele Aspekte lassen einen sehr unzufrieden zurück, zum Beispiel der Umstand, dass Kiera die Entscheidung, vor der sie knapp sechshundert Seiten lang geflohen ist, letztlich einfach abgenommen wird statt sie endlich dazu zu zwingen sich mit ihren eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und selbst die längst überfällige Wahl zu treffen. Realistischer wäre es eigentlich gewesen, wenn sie als Strafe für ihr selbstsüchtiges Verhalten fairerweise schließlich allein dagestanden hätte. Im Gegensatz zu Kellan hat Kiera nämlich kein Happy End verdient.
Die Handlung ist erst einmal in sich abgeschlossen, sodass eine Fortsetzung nicht zwingend notwendig ist. Falls man bei Gelegenheit trotz allem noch zum zweiten Band greifen sollte, dann ohnehin nur wegen Kellan und in der Hoffnung, dass das herzlose Hin und Her nun endgültig vorbei ist und es daher nur noch besser werden kann.