Inhalt
Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: »Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt.« Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren?
Meine Meinung
Normalerweise bin ich, nachdem ich ein Buch beendet habe, mir immer relativ schnell sicher, wie ich es bewerten möchte.
"Stella" von Takis Würger, musste ich eine Weile verdauen um dies zu können.
Unentschlossenheit und Unsicherheit plagten mich.
Das Buch von Würger hielt bereits einige Kritiker in Schach - wurde mehrfach debattiert und regelrecht zerrissen. Dies nicht zuletzt wegen der realen Thematik natürlich.
Liebesgeschichte vs. Verrat, eine Story gepaart mit Fakten von der echten Stella Goldstein, teilweise wirkt es zusammengebastelt und lieblos dargeboten, herausgefiltert aus dem Archiv. Wahre Begebenheiten zu genannten Zeiträumen an Kapitelanfängen - meist Aufzählung was zu diesem Zeipunkt stattgefunden hatte (z.B. April 1942: Wegen Schwarzschlachtens wird ein Berliner Fleischhauer zum Tode durch den Strick verurteilt. Frauen werden in Deutschland zur Arbeit in Rüstungsbetrieben verpflichtet. Roger Chapman wird geboren. Benito Mussolini besucht Adolf Hitler auf dem Obersalzberg. Josef Goebbels lässt den Schlager Lili Marleen verbieten, als er herausfindet, dass dessen Sängerin Liese-Lotte Helene Berta Wilke, genannt Lale Andersen, mit Schweizer Juden befreundet ist." - ZITAT)
Teile dieser Geschichte sind wahr, wie Würger zu Beginn erwähnt. In dem Buch erscheinen kursiv gedruckte Textstellen. Bei diesen handelt es sich um Auszüge aus den Feststellungen eines sowjetischen Militärtribunals. Die Gerichtsakten liegen heute im Landesarchiv Berlin.
Der Roman spielt in Berlin zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und Friedrich, ein etwas blauäugiger junger Schweizer, mittendrin. Er erlebt, was das Naziregime mit den Menschen und der Stadt macht. Möchte dies sogar hautnah erleben.
Doch er bemerkt kaum die wirklich harten Seiten, denn er ist geschützt durch seinen schweizerischen Pass und dem Geld, welches er von zu Hause zugeschickt bekommt.
Er lernt Kristin (Stella) kennen und lieben und doch weiß kaum etwas über sie.
Er versteht nicht, was in Deutschland geschieht, warum Bomben fallen, warum Juden gehasst werden und wie er hineingeraten war in diesen Krieg.
"Diese Frau trug so viele Rollen in sich, das Aktmodell, die Sängerin mit der dünnen Stimme, die Schönheit in meiner Badewanne, die Büßerin, die Lügnerin, das Opfer, die Täterin. Stella Goldschlag, die Greiferin, meine Frau.
Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten.
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten.
Ich wollte mich irgendwo verkriechen, weil ich wusste, dass ich dem Schicksal nicht gewachsen war, aber es mischte sich ein anderes Gefühl dazu. Ich spürte eine Verbundenheit mit Stella. Sie tat etwas, für das andere Menschen sie hassten, und ich stand bei ihr. Ich verstand sie nicht, aber ich stand." (ZITAT)
Ein dünnes Buch, mit einer Bedeutungsschwere, wie es nur manche auf den wenigen Seiten bewirken können, dem Leser dies so zu vermitteln.
Das schlichte Cover ist absolut passend und gefällt mir sehr gut.