gute Idee, aber mittelmäßige Umsetzung
„Früher wollte man, dass niemand sein Tagebuch findet und heute postet man jedes Detail seines Lebens und ist sauer, wenn es keiner liest.“
(Paul in Insta Love)
Worum geht’s?
Model Jules hat gerade ...
„Früher wollte man, dass niemand sein Tagebuch findet und heute postet man jedes Detail seines Lebens und ist sauer, wenn es keiner liest.“
(Paul in Insta Love)
Worum geht’s?
Model Jules hat gerade eine schreckliche Trennung hinter sich. Nach zwei Jahren an der Seite des bekannten Instagram-Stars Dan und mit einer Beziehung in aller Öffentlichkeit muss sie erfahren, dass er fremdgegangen ist. Sie flüchtet von LA nach Miami, um ohne ihn neu anzufangen. Als sie dann den zurückhaltenden Paul kennen- und lieben lernt, muss sie feststellen, dass die Follower so schnell nicht vergessen und man nicht einfach aus dem Rampenlicht abtritt. Wird ihre Liebe zu Paul eine Chance haben oder holt sie ihre digitale Vergangenheit ein und reißt sie endgültig in den Abgrund?
Insta Love ist ein Einzelband und in sich geschlossen.
Schreibstil / Gestaltung
Das farbenfrohe Cover in verschiedenen Pastellfarben mit Palmenblättern wirkt modern und passt zum Buch, welches in Miami spielt. Das Cover wirkt etwas verträumt und verspielt. Es ist auffällig, aber auf dem ersten Blick nicht als Liebesroman einzuordnen. Das Buch wird durch Paul und Jules wechselnd in der Ich-Perspektive erzählt, wobei Jules‘ Erzähleranteil deutlich überwiegt. Wer erzählt, ist entsprechend übertitelt. Bei Kapitelwechseln jedoch wird es nur übertitelt, wenn zugleich der Erzähler wechselt. Das Buch wird chronologisch erzählt, Jules erinnert sich jedoch hin und wieder an Zeiten mit Dan. Diese Abschnitte werden durch Kursivschrift kenntlich gemacht. Der Schreibstil ist sehr flüssig und gut lesbar. Sprachlich bewegt sich das Buch im Bereich der (junge) Erwachsenen-Literatur. Das Buch beinhaltet nur angedeutete Erotikszenen.
Mein Fazit
Instagram ist in der Gegenwart ein wichtiges Thema und fängt auch, mittlerweile auch das Privatleben und Liebesbeziehungen zu beeinflussen. Umso überraschter war ich, dass Social Media in der Buchwelt noch nicht so eingeflochten ist. Daher kam mir Insta Love natürlich gerade recht, da es sich auf thematisches Neuland begibt. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, vielleicht habe ich mir zu viel gewünscht. Aber mein erstes Werk von Tine Nell, dem ich wirklich entgegen gefiebert habe, konnte mich nicht wirklich abholen.
Das Buch beginnt mit einem wirklich toll geschriebenen Prolog, bei dem es darum geht, was Jules in die Beziehung zu Dan investiert hat, um für ihn perfekt zu sein. Nach zwei Jahren an der Seite von Dan ist die Beziehung durch seinen Betrug in die Brüche gegangen. Kurzerhand ist Jules zu ihrer Freundin Debbi nach Miami geflohen, um ihr Leben neu zu ordnen. Als mittlerweile erfolgreiches Bikinimodel möchte sie sich unabhängig von Dan ein Leben aufbauen. Doch immer wieder wird sie daran erinnert, dass die digitalen Spuren und das mediale Interesse an Jules mit der Trennung nicht aufhört. Etwas planlos und ziellos geht Jules ihr Leben an, immer wieder merkt sie hierbei, dass das Modelleben ihr nicht so zusagt und die sozialen Medien mehr Leid als Freude sind. Eines Abends trifft sie in einem Club auf Paul, einem charmanten, aber sehr zurückhaltenden jungen Mann. Paul ist so anders als ihr Ex Dan, so herrlich normal. Und ganz langsam schleicht er sich seinen Weg in Jules‘ Herz. Aber der Weg ist steinig und schwer, wenn die Medien, die Follower und die Welt stets ein Auge auf dich und dein Tun haben. Wenn dann noch Fake News und die Schatten der Vergangenheit wieder auftauchen, ist das Chaos perfekt und die Nerven und Gefühle werden auf eine harte Probe gestellt…
Insta Love bringt mit der Thematik rund um eine gescheiterte Beziehung eines Influencer-Pärchens bereits eine vielversprechende Grundlage mit. Es ist der Autorin auch durchaus gelungen, das Thema vielseitig einzubauen. Insbesondere Jules, aber auch Paul äußern sich immer mal wieder kritisch über die sozialen Medien, den aufgebauten Hype und die Schattenseite hiervon. Leider finde ich, dass nach einem wirklich starken Start mit Einblicken in die Beziehung von Jules und Dan das Thema mehr und mehr im Sande verläuft. Anfangs verrät Jules quasi „behind the scenes“, wie gestellt die Fotos sind, wie oft es Probleme gab, wie oft sie Fotos wiederholt haben und gibt mehr Einblicke in eine Beziehung, bei der zumindest ein Part mehr an Herzen für Fotos als am Herzen des Gegenübers interessiert ist. Es sind Passagen, die zum Nachdenken angeregt haben und einen auch einiges etwas überdenken lassen. Aber schon bald switcht der Fokus von den Scherben der Liebe zur Jules‘ Entwicklung und ihrem Streben, unabhängig von Dan und der Followerschaft zu leben. Hierbei verfällt sich hin und wieder in alte Muster. So kritisiert sie das ständige Zurschaustellen des Lebens, postet sich aber selbst nach ihrem Workout. Spätestens ab etwa der Hälfte des Buches ist das Thema aber fast komplett vom Tisch. Es gibt zwar noch einen eindrucksvollen Post von Jules zum Thema Echtheit, aber das war’s auch schon. Zwar gibt es hier und da noch Berührungspunkte und es taucht später auch noch ein unvorteilhaftes Foto von Jules auf, was für Drama sorgt, aber dies alles wirkt losgelöst von Social Media eher im Bereich von medialem Interesse und Person des öffentlichen Lebens. Es geht vielmehr um Generalkritik einer Person im Rampenlicht als um das Thema Instagram und Influencer ansich. Das fand ich sehr schade und hat mich doch schon stark enttäuscht zurückgelassen. Das Thema hatte so viel Potenzial und wird dann doch so sporadisch verwendet.
Denn der klare Fokus des Buches liegt auf Jules und ihrem Streben nach Weiterentwicklung. Das hat gar nicht so viel damit zu tun, dass sie auf einmal mit dem ganzen Social Media Leben unzufrieden ist, sondern mit ihrem Leben generell. Dabei habe ich das Gefühl, nie erfahren zu haben, wieso sie eigentlich gemodelt hat. Auf jeden Fall war ihre Beziehung zu Dan ein großer Karriereboost. Das führte für mich etwas dazu, dass sie nicht ganz glaubwürdig war. Sie will mit Dan abschließen, nutzt aber zugleich die aus der Beziehung gewonnenen Benefits vorerst noch weiter. Jedenfalls ist Jules unglücklich mit ihrem Leben, mit dem medialen Präsentierteller und Stück für Stück auch mit ihrer Rolle als Instagram-Persönlichkeit. Langsam fängt sie an, sich ein neues Leben aufzubauen. Der Weg und die Idee hierhinter war sehr gut, zugleich aber auch sehr sprunghaft, etwas naiv und auf jeden Fall recht planlos. Immer wieder betont sie, dass sie aus dem Modeln noch Rücklagen hat, dass sie mit dem Modeln aufhören will, als es dann aber zum großen Karriereknall kommt, scheint sie anfangs nicht begeistert darüber. Diese Wechselhaftigkeit in ihrem Verhalten hat es mir oftmals schwer gemacht, mit ihr zu leiden oder mich mit ihr zu freuen. Ich war einfach nur dabei und habe sie beobachtet, so kam es mir vor.
Der andere Fokus liegt natürlich auf der Liebesgeschichte. Paul als neues Love Interest tritt schon recht früh im Buch auf. Er ist von Anfang an sympathisch und man merkt, dass zwischen den beiden eine gewisse Anziehung herrscht. Dann aber springt die Geschichte rasant vorwärts ohne Rücksicht auf Emotionen. Beziehungsentwicklung ist für mich in Büchern eine sehr wichtige Sache, da ich es nicht mag, wenn die Charaktere nur auf sexueller Ebene Anziehung haben oder von 0 auf 100 verliebt sind. So in etwa hält es sich hier aber. Sprunghaft wird der Leser durch die Beziehung geführt, die von „ich will nichts von ihm“ über „Freundschaft plus oder so“ zu „Liebe meines Lebens“ verläuft, leider jedoch ohne Erklärung dafür, wieso. Denn beide entscheiden sich offenbar primär impulsiv dafür, was sie füreinander sein wollen. In kürzester Zeit entsteht so eine Liebschaft, die hier und da von den klassischen Dramen nicht verschont bleibt. Ich konnte mich hierauf aber nicht wirklich einlassen, weil die Beziehung für mich nicht greifbar, nicht nachvollziehbar war. An welcher Stelle hat sie den Schritt von Flirt zu ernsthafter Liebe gemacht?
Natürlich – wie für das Genre fast schon üblich – muss die Liebschaft aber noch gestört werden, was zum finalen Drama, jeder Menge Enthüllungen und einem Blitzende führt, was mich total überrumpelt hat. Es war richtig systematisches Abarbeiten der Themen, die noch offen waren. Viele Überraschungen gab es für mich nicht, da ich vieles schon vorhergesehen, vermutet oder befürchtet habe. Die Greifbarkeit und Nachvollziehbarkeit leidet hier an allen Ecken und Enden, insbesondere durch das fast schon kindische Verhalten von Paul, das anstrengende übertriebene Getue von Jules und einer klassischen „Passt schon irgendwie“-Haltung der Autorin. Zu viele Fragezeichen, zu viele Probleme bleiben am Ende entweder ungelöst oder werden regelrecht weggebügelt. Der grandiose Epilog ist dabei so überzogen, dass ich aufstöhnen musste. Zu viel auf einmal und verdammt dick aufgetragen. Aber viele Leser möchten ja gerade diese Art, um den Alltag zu entfliehen. Daher muss man für sich selbst herausfinden, ob es einen zufriedenstellt.
Zu den Charakteren kann ich nicht so viel sagen. Jules ist einerseits recht sympathisch und ein offener, ehrlicher Mensch, der auch in der Lage ist, zu reflektieren. Zugleich habe ich das Gefühl gehabt, keinen richtigen Zugang zu ihr gefunden zu haben, da es so wirkte, als würde sie eine Rolle spielen, die sie nicht ist. Ihre fast schon 180-Grad-Wende Richtung Ende hin war für mich nicht greifbar. Paul fand ich eher blass und fast schon eindimensional. Man erfährt viel zu wenig über ihn und das wenige scheint keine richtige Rolle zu spielen, etwa seine familiäre Drucksituation. Zwar ist ein Hobby Gärtnerei durchaus ungewöhnlich und brachte mal etwas Abwechslung, es unterstreicht aber ein wenig auch, dass er ein eher langweiliger Charakter ist. Gegen Ende hin überraschte er mich mit seinem Dramaqueen-Gehabe doch sehr, das war für mich nicht so stimmig, da es zu dem erwachsenen Paul, der mir bisher unterkam, wenig passt. Vielleicht wurde hier aber auch versäumt, früher seine Zweifel einzuflechten, damit seine Gedanken präsenter sind.
Das Buch beinhaltet für ein Buch des Genres ungewöhnlich wenig intime Szenen. Mich hat das nicht gestört, weil es für mich kein notwendiges Übel einer Geschichte ist, wer hierauf jedoch wert legt, sollte Abstand von dem Buch halten. Die Beziehung der beiden Protagonisten verläuft sehr zurückhaltend und ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich nicht explizit.
So sehr ich mich gewünscht hätte, dass mich dieses Buch mit einer tollen Liebesgeschichte vom Hocker reißen würde und auch in die noch frische, aber zugleich intensive Welt von Influencern und der Sucht nach Likes abtaucht, muss ich einfach feststellen, dass dem nicht so war. Das Buch vereint zahlreiche gute Ansätze, es mangelt aber an einer stringenten Umsetzung. Die interessanten Themen werden zu schnell aus dem Fokus verloren und die Liebesgeschichte war für mich von sprunghaften Entwicklungen und fehlender Nachvollziehbarkeit geprägt. Die Geschichte verläuft recht vorhersehbar, selbst die größeren Twists überraschen nicht sonderlich, da der ein oder andere Leser es vielleicht schon erahnen kann. Das Ende ist einfach zu dick aufgetragen, zu abrupt und kratzt zu sehr an der Oberfläche. Daher leider nur ein nettes Buch für Zwischendurch, was so viel mehr hätten sein können.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]