Die Lücke, die bleibt auch wenn sie sich schließt
„Ja, es gilt wohl den Weg fest im Blick zu behalten und nicht in den Graben zu schauen, sagt sie. Ich weiß nicht, im Graben wachsen jedenfalls Blumen, auf dem Weg nicht, antworte ich.“
Inhalt
Das Leben ...
„Ja, es gilt wohl den Weg fest im Blick zu behalten und nicht in den Graben zu schauen, sagt sie. Ich weiß nicht, im Graben wachsen jedenfalls Blumen, auf dem Weg nicht, antworte ich.“
Inhalt
Das Leben von Tom könnte glücklich sein, denn er hält seine neugeborene Tochter im Arm, die trotz ihrer Frühgeburt ein erstaunlich stabiles Wesen ist. Doch für Tom gibt es kein Familienglück am nächsten Tag, denn während er die Tochter mit Milchnahrung füttert, kämpft seine Frau auf einer anderen Krankenstation um ihr Leben, ein Leben, welches sie an eine besonders schwere, akute Form der Leukämie verliert. Fortan ist Tom auf sich allein gestellt, allein mit einem Herz voller ungewisser Gefühle und einem Kopf voll angestauter Trauer. Karin, die Liebe seines Lebens hat ihm zwar einen Teil ihrer selbst geschenkt, doch sie wird nie wieder zurückkehren in ein Familienleben, in eine Partnerschaft, die Tom derzeit noch viel dringender braucht als seine wunderbare Tochter. Nach und nach richtet er sich ein in einem Leben voller Verantwortlichkeiten und schreibt auf, wie es war mit Karin, was er an ihr liebte, was sie ihm bedeutet hat und warum er jeden Augenblick seines Lebens an ihrer Seite so geliebt hat. Er schreibt es nicht nur für sich, nein sondern auch für seine Tochter Livia, die ihre Mutter nie kennenlernen durfte, sich aber ihrer gewiss sein soll.
Meinung
Dieser Roman reiht sich ein in eine Thematik, die mir im Jahr 2017 bisher sehr häufig begegnet ist. Ein weiteres Buch über den Verlust, die Trauer, das Sterben und die Last der Hinterbliebenen. Und doch ist dieser Roman ganz anders als die bisher gelesenen, denn hier handelt es sich in erster Linie um einen Erfahrungsbericht, direkt aus der Feder eines Betroffenen, der literarisch versucht, sein Leben mit der verlorenen Liebe aufzuarbeiten. Und genau aus diesem Grund, fiel es mir stellenweise sehr schwer, weiterzulesen. Bereits im ersten Drittel des Buches brauchte ich mehr Taschentücher als mir lieb war, angesichts dieser tieftraurigen, hoffnungslosen Situation, in der sich der Protagonist befindet. Schwankend zwischen Hoffnung und Ungläubigkeit muss er miterleben, wie seine Zukunft innerhalb weniger Tage zu Staub und Asche zerfällt und er kann diesem Vorgang rein gar nichts entgegensetzen.
Wie gerne würde ich hier 5 Sterne vergeben, doch ein sehr dominanter aber ungewöhnlicher Schreibstil, hat das Lesevergnügen etwas eingetrübt. Es ist nicht nur die eigenwillige Sprache, die Dialoge fortlaufend aneinanderreiht, so dass man sehr genau lesen muss, welche Person gerade spricht und wer nur antwortet. Nein es sind auch willkürliche Zeitsprünge, mal in die jüngste Vergangenheit, dann wieder in die Kennenlernphase des Paares und hinüber in die Zukunft, mit einem munteren Kleinkind. Ebenso unschön fand ich den zusätzlichen Ausflug, in die aktuelle Familienproblematik, in der Toms Vater nach 10 Jahren seinem Krebsleiden erliegt und sie gemeinsam die letzten Stunden auf der Palliativstation verbringen. Mir hätte es deutlich besser gefallen, wenn es einzig um die Beziehung zwischen Tom und Karin gegangen wäre, auch wenn das Schicksal für Tom gleich zweimal in kurzer Folge Trauer und Leid bereithält.
Fazit
Ich vergebe gute 4 Lesesterne für einen einmaligen Roman, der ganz nah dran ist am Leser und seinen Gefühlen, der mich emotional tief bewegt und für die Befindlichkeiten eines liebenden Menschen sensibilisiert hat. Die autobiografischen Züge haben mir ausgesprochen gut gefallen, selbst wenn nicht einmal die Namen geändert wurden. Gerade das macht dieses Buch aus, seine Authentizität, seine harte, schonungslose Abfolge unglücklicher, schicksalhafter Fügungen, die man als Mensch nicht rational erklären kann, denen man nicht einmal etwas entgegensetzen kann. Hinterfragt wird hier das Warum? Doch beantwortet wird die Frage nicht, weil der Autor selbst und wohl auch kein anderer eine echte Lösung dafür finden kann. Punktabzug nur für die Schreibweise und hin und wieder zerfaserte Gedankengänge, die dem Geschehen ihren Glanz nehmen aber auch verhindern, dass man daran zerbricht. Lesen sollte man dieses Buch zu einer Zeit, in der man ein stabiles Nervenkostüm hat oder Gefühle sehr nah an sich heranlassen möchte – zum Weinen schön!