„Solange wir keine Magie haben, werden wir niemals mit Respekt behandelt werden. […] Sie müssen wissen, dass wir uns wehren können.“ (z. B. auf S. 590)
In der sogenannten Blutnacht hat der machthungrige König von Orisha alle Maji, das sind Menschen mit einer besonderen Gabe, umbringen lassen. Ihre Nachkommen, die Divînés, werden seither unterdrückt. Als ihre Gabe erwacht, bekommt die Divîné, Zélie, die Chance, die Magie nach Orisha zurückzubringen und damit die Unterdrückung zu beenden. Dazu begibt sie sich gemeinsam mit ihrem Bruder Tzain, der ausgerissenen Tochter des Königs, Amari, und ihrer geliebten Löwenesse an ein einen magischen Ort. Der Weg dorthin ist gesäumt von zahlreichen Widersachern, die Zélie und ihren Verbündeten nach dem Leben trachten.
Tomi Adeymi verwebt geschickt die Religion und Kultur sowie meinem Empfinden nach das ganze Wesen des in Westafrika, vor allem in Südwest-Nigeria beheimateten Volkes der Yoruba in einem Roman, den wir dem Fantasy-Genre zuordnen, der aber ähnlich wie Grimms Märchen auch eine Überlieferung von Geschichten der Yoruba sein könnte. Orte, wie Lagos, Orisha, aber auch Chândomblé spielen für die Yoruba wie auch für „Children of Blood and Bone“ eine ebenso wichtige Rolle wie die jeweils eine Naturkraft verkörpernden Gottheiten, mit denen die Menschen in Verbindung treten können. Die Verbindung wird wie im Roman über eine Beschwörung aufgebaut. Dazu muss das Ashê, eine besondere Kraft, fließen. Feste, zu denen die Gottheiten mit eigenen Tänzen und personifizierten Outfits für alle Anwesenden inszeniert werden, sind fester Bestandteil der Kultur. Unabhängig davon, ob es sich jetzt um „echtes“ Fantasy handelt oder eher um eine Überlieferung, die Geschichte liest sich, als wäre sie eine einzige alles umfassende Beschwörung, aufregend, spannend und gefährlich.
Ohne Mühe konnte ich meinen Leseplatz hinter mir lassen und gemeinsam mit Zélie auf dem Rücken ihrer Löwenesse durch Orisha jagen. Ich konnte mir Orisha, die Personen und die riesigen, gleichzeitig bezaubernden Tierwesen darin so gut vorstellen, dass alles um mich herum in den Hintergrund getreten ist. Das war Lesen wie im Tunnel. Für mich war die Geschichte in sich stimmig, weil sie auch in Zeiten größter Anspannung und Stress die Bedürfnisse der Menschen, z. B. nach Liebe oder nach Innehalten, nicht ausblendet. Auch wenn diese Sehnsüchte, die Protagonisten zunächst schwächen, wird deren Ausleben doch benötigt, um schließlich über sich hinauszuwachsen. Zudem wurde dadurch auch für den Leser ein Ausgleich zu der doch ganz schön gewalttätigen Handlung geschaffen. Ähnlich wie Spartacus in der Antike müssen die Protagonisten, insbesondere Zélie, zeitweise Höllenqualen erleiden. Viele ihrer Wegbegleiter müssen sterben. Bis zum Abschlachten ist es aus meiner Sicht nur ein schmaler Grad.
Die Geschichte wird aus drei Ich-Perspektiven erzählt. Dabei kommen neben Zélie die ausgerissene Prinzessin Amari und der zu ihrer Verfolgung beauftragte Prinz Inan zu Wort. Der Leser erlebt dabei viele Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei wird transparent, dass unterschiedliche Herkunft und Erziehung diverse Ansichten und Meinungen begründen, die wiederum zu verschiedenen Handlungsweisen und Entscheidungen führen. Durch diese Wiederholungen wird das große Ganze für den Leser aufrecht erhalten und darüberhinaus auch der beschwörerische Charakter unterstützt.
Besonders gut gefallen hat mir die Verwendung der Sprache der Yoruba zur Beschwörung der Magie oder zum Anrufen der Gottheiten. Dadurch wirkt „Children of Blood and Bone“ insgesamt noch glaubwürdiger. Für mich war das Lesen wie ein Rausch, mich hat die Geschichte vollständig für sich eingenommen, ich freue mich auf auf die Fortsetzung.
Empfehlen kann ich „Children of Blood and Bone“ fast allen, die spannende Storys lieben und auf Magie stehen. Nur wer etwas zart besaitet ist, sollte aufgrund der brutalen Kämpfe vielleicht die Finger davon lassen.