Bücher gegen das Vergessen
»Seit meiner Geburt hatte ich in einer Welt gelebt, in der jüdisch sein bedeutete, dass man zum Sterben bestimmt war. Es war völlig normal, zum Sterben abkommandiert zu werden. Alle jüdischen Kinder starben.« ...
»Seit meiner Geburt hatte ich in einer Welt gelebt, in der jüdisch sein bedeutete, dass man zum Sterben bestimmt war. Es war völlig normal, zum Sterben abkommandiert zu werden. Alle jüdischen Kinder starben.« S.24
Mit dieser Gewissheit wächst Tova Friedman im Ghetto von Tomaszów Mazowiecki auf. Als 4-Jährige muss sie mitansehen, wie Menschen aus ihrer Familie, Freude und Nachbarn selektiert und vor ihren Augen erschossen werden. Sie erzählt schonungslos von Hunger, von Entwürdigung, vom Sterben. Sie musste sich zwischen Toten verstecken, um zu überleben. Mit 6 Jahren wird sie zusammen mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert, hat eine Gaskammer von innen gesehen und überlebt mit 180 Kindern das KZ.
»Ich habe überlebt. Damit einher geht die Verpflichtung gegenüber den anderthalb Millionen jüdischen Kindern, die von den Nazis ermordet wurden. Sie können nicht mehr sprechen. Also spreche ich für sie.«
Klar und nüchtern beschreibt sie die unfassbaren Gräueltaten der Nazis. Immer wieder belegt sie ihre Schilderungen mit persönlichen Schicksalen und erschreckenden Zahlen. Durch ihre Erziehung ist sie tief verwurzelt im jüdischen Glauben, lernt von ihren Eltern, an Liebe und Hoffnung zu glauben. Eine starke Rolle spielte auch ihre Mutter, die ihr früh beibrachte, hinzusehen, damit sie die Warnungen und Folgen ernst nahm. Tova ist überzeugt, dass ihre Mutter ihr damit das Leben gerettet hat.
Tova Friedman erzählt auch über ihr späteres Leben in den USA, wo sie mit 11 Jahren ihren Mann kennengelernt hat. Über die Zeit, die sie mit ihrer Familie in Israel verbracht hat, wo sie auch den Sechstagekrieg miterleben musste. Zurück in den USA arbeitet sie als Psychotherapeutin mit traumatisierten Menschen. Ihr ganzes Leben widmet Tova Friedman der Aufklärung, vor allem jüngeren Menschen, von denen erschreckend viele immer noch glauben, der Holocaust sei eine Erfindung. Dies tut sie auch gemeinsam mit ihrem Enkel Aron auf TikTok.
Vom ersten Teil des Buchs war ich so schockiert und ergriffen, dass ich noch nicht mal weinen konnte. Das gelang mir erst, als Tova Friedman über ihr Leben nach Auschwitz erzählt hat. Denn das hat mir gezeigt, wie stark diese Frau ist, sogar ihre Stärke mit anderen teilt. Sie hat nie den Glauben an die Menschlichkeit verloren, all ihrer Erfahrungen zum Trotz.
Ich weiß, dass viele solche Bücher nicht aushalten können, aufgrund der schrecklichen Schilderungen. Aber sie sind so unendlich wichtig, dass diese Schicksale nicht vergessen werden. Gerade in einer Zeit wo Hass und Hetze zunehmen, Antisemitismus wieder aufflammt, die Rechtsradikalen zunehmend Anhänger finden. Vergessen wir niemals, dass genau darum Hitler ein leichtes Spiel hatte, einen Vernichtungskrieg gegen ein ganzes Volk zu führen und den barbarischsten Krieg aller Zeiten anzuzetteln.
Ihr Zeugnis ist eine Mahnung an uns, diese Zeit nicht zu vergessen, dieses unsägliche Leid, die Vernichtung eines ganzen Volkes auf die schändlichste Weise.
Es ist ein Buch gegen das Vergessen, Tova Friedman ist mit 84 eine der letzten Überlebenden.