Langatmiger Trilogie-Auftakt mit blasser Charakterzeichnung bei überzeugender historischer Recherche
Beeindruckend ist das Nachwort, in dem die Autorin Ulrike Renk darlegt, wie sie dazu kam, diese autobiografisch geprägte Trilogie zu schreiben und in welchem erstaunlichem Umfang ihre Romane tatsächlich ...
Beeindruckend ist das Nachwort, in dem die Autorin Ulrike Renk darlegt, wie sie dazu kam, diese autobiografisch geprägte Trilogie zu schreiben und in welchem erstaunlichem Umfang ihre Romane tatsächlich die Wirklichkeit abbilden.
Ich habe in den letzten Jahren viel Belletristik zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert gelesen und schätze es sehr, wie diese meinen Horizont erweitert, zum Nachdenken anregt und starke Gefühle bei mir auslöst. In diesem Fall ist dies zu meinem Bedauern nicht gelungen. Der Auftakt zur Trilogie spielt von 1926 bis 1938.
Mein Wissensschatz wurde ein kleines bisschen erweitert, indem jüdische Traditionen (z. B. Chanukka) ausführlich dargestellt werden. Die damalige Lebensart, insbesondere im gehobenen Bürgertum, und stärker werdende Ressentiments und Schlimmeres gegen Juden sind mir bereits bekannt.
Entgegen den Erwartungen wollte mir das Mitfiebern partout nicht gelingen. In den ersten 40 % des Buches geht Hauptdarstellerin Ruth noch nicht zur Schule. Ihre frühreife Art und die ganze Familie kommen dermaßen perfekt rüber, dass mir das einfach zu viel Zuckerguss war. Die Familie ist finanziell gut situiert. Langatmig wird dargestellt, wie liebevoll sie miteinander umgehen, wie beliebt sie bei ihren Hausangestellten und Nachbarn sind, wie ein neues Haus eingerichtet wird, wie und mit wem die Kinder spielen, welche üppigen Mahlzeiten zubereitet werden und womit man sich beschenkt. Das ist in der Sache gelungen, wirkt gut recherchiert, lässt auch frühzeitig den roten Faden erkennen, wenn es beispielsweise um erste Berührungspunkte zur Bearbeitung von Stoffen geht. Aber die Darstellungen sind schlichtweg so detailverliebt, dass es langweilt.
Geradezu willkommen waren „Ausbrüche“ aus dieser heilen Welt durch Uneinigkeiten mit Schwiegermutti und Vermutungen zu befremdlichen sexuellen Neigungen des Nachbarn. Ansonsten blieben die Figuren für mich merkwürdig konturlos, an tiefergehende Gedanken, innere Kämpfe, etc. kann ich mich nicht erinnern. Da es mich nicht gepackt hat, baute sich auch keine Spannung auf, zumal der Ausgang all dessen bekannt ist.
Dankbar war ich, wenn beiläufig das Erstarken der „Braunen“ an der Kaffeetafel und Auswanderungsgedanken thematisiert wurden. Das Aufgreifen sozialer/gesellschaftlicher Missstände blieb aber tatsächlich zu oberflächlich für meinen Geschmack.
Etwa ab der Hälfte war ich so ermüdet, dass ich begann querzulesen. Es ist deutlich geworden, dass Ulrike Renk mit ihrem Erzählstil den krassen Kontrast darstellen möchte, wie sehr die ungerechtfertigten Eingriffe der Nazis diese reale Familie und letztendlich die ganze Gesellschaft schädigte. Komprimierte Beschreibungen von wiederkehrenden Alltagsereignissen und Luxusproblemen und dafür mehr tiefgründige Gefühlswelten hätten mehr meinem Geschmack entsprochen, sodass ich die Trilogie nicht weiterverfolge.