Nellys Mann stirbt eines Nachts plötzlich an einem Aneurysma. Doch es war nicht ihr gemeinsames Bett, sondern es geschah bei seiner Zweitfamilie. So wird Nelly nicht nur mit dem Tod konfrontiert, sondern auch damit, dass ihr Mann und ihre beste Freundin seit Jahren ein Verhältnis und sogar einen gemeinsamen Sohn hatten. Matteo den Nelly von klein auf kannte, seine Babysitterin war und immer auch eine Stütze für seine Mutter, ohne etwas zu ahnen.
Nelly bricht ihre Brücken ab, sie verkauft die gemeinsame Apotheke – ihr Erbe – und zieht nach München um wieder in ihrem Beruf zu arbeiten. Sie will neu anfangen und das gelingt ihr anfangs mit Leichtigkeit und Freude. Allerdings sind ihre Kinder nicht ihrer Meinung und vor allem ihre 23jährige Tochter empfindet ihre Haltung als Verrat am Vater und an der Familie. Als sie dann noch bemerkt, dass es ihre Mutter auch gleich von drei Männern umschwärmt wird, wird es schwierig.
Trotz des traurigen Beginns ist der neue Roman von Ulrike Sosnitza ein richtiger Wohlfühlroman. Da will eine Frau in den besten Jahren - mit 52 – noch einmal neu anfangen. Sie leugnet nicht ihre Erfahrungen, ihre Fehler und ihre Enttäuschungen, aber sie weiß, dass das nicht alles im Leben gewesen sein kann. Auch wenn sie damit die Erwartungen enttäuscht, die ihre Kinder und ihre Schwiegermutter an sie stellen. Dass sie bei ihrem Neustart in kürzester Zeit von Verehrern umschwärmt wird, mag zwar nicht realistisch sein, aber für den Roman bietet seine Fülle von Verwicklungen, Herzklopfen und Stoff für Freundinnengespräche.
Der Titel bezieht sich auf ein Orangenbäumchen, eines der wenigen Dinge die Nelly in ihr neues Leben mitgenommen hat. Zusammen mit ihrem Sohn aus einem Kern gezogen, blüht der Topf zum ersten Mal in der neuen Wohnung. Und so wie aus den Blüten langsam Knospen werden, dann kleine Früchte, von denen viele abfallen und einige reifen, so gestaltet sich auch ihr erstes Jahr allein. Träume und Pläne entstehen wie die Blüten, manches geht schief und entwickelt sie anders, wie die abgefallenen Knospen, aber es gibt immer noch Früchte, die reifen werden. Das ist eigentlich eine schöne Zukunftsaussicht und ein schönes Bild für Nellys Leben.
Ein gelungener Unterhaltungsroman, dessen Leserinnen wahrscheinlich im ähnlichen Alter wie Nelly sind und sich deshalb sicher sehr gut mit der Hauptfigur identifizieren können. Der Sprachstil ist angenehm leicht und flüssig zu lesen. Ihre Figuren sind lebendig, man meint einige Charaktere aus dem eigenen Freundeskreis zu kennen. Die Geschichte spielt in München, warum da aber jedes Restaurant, jeder Club, jedes Szenecafé, das Nelly besucht mit Namen und kleinen Beschreibungen einfließen müssen, hat sich mir nicht ganz erschlossen