Ein Brief und das daraus folgende Missverständnis stellen Evans ganzes Leben auf den Kopf. Plötzlich ist er nicht mehr unsichtbar, sondern steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und das nur, weil alle glauben, sein Mitschüler Connor Murphy sei mit ihm befreundet gewesen und habe sich vor seinem Selbstmord nur ihm anvertraut. Obwohl es falsch ist, lässt Evan alle in dem Glauben und hat plötzlich die Aufgabe, Connors Andenken zu ehren. Dabei nehmen nicht nur seine Mitschüler zum ersten Mal von ihm Notiz, sondern auch sein heimlicher Schwarm Zoe – Connors Schwester.
Es hat einige Zeit gebraucht, ehe ich mich an diese Rezension gewagt habe. Ich kann gar nicht so genau sagen, warum ich das dieses Mal so lange hinausgezögert habe. Vielleicht, weil mir immer noch ein bisschen die Worte für dieses tolle Buch fehlen.
Dear Evan Hansen ist eine – finde ich – sehr realistisch gehaltene Geschichte. Das Musical kannte ich vorher nicht, demnach ging ich ganz unvoreingenommen an das Buch heran.
Mir persönlich hat es wirklich sehr gut gefallen.
Evan ist ein ganz normaler Junge, der leider mit einigen Sorgen und Ängsten zu kämpfen hat. Dieser Aspekt des Buches hat mich unglaublich doll berührt. All die Situationen, all die Gedanken und Gefühle in bestimmten Momenten wurden so gut erklärt und beschrieben, dass es mich manchmal zu Tränen gerührt hat. Viele Beschreibungen hätte ich nämlich zum Teil auch so formuliert, da ich Evans Ängste in Bezug auf soziale Situationen nachempfinden kann. Es war ein bisschen, als wäre das Buch ein Spiegel und als hätte man hier die Worte gefunden, um solche Ängste zu beschreiben, die Betroffenen vielleicht manchmal fehlen. Das war einfach alles sehr authentisch und realitätsnah.
Evan selbst war mir auch unglaublich sympathisch. Nicht selten hätte ich ihn am liebsten einfach in den Arm genommen. Er kämpft mit so viel – und dann steht plötzlich sein Leben auf dem Kopf. Er muss sich mit neuen Situationen arrangieren und über sich hinauswachsen. Das gelingt ihm natürlich nicht immer, aber er gibt trotzdem nicht auf.
Außerdem konnte man sehr gut seinen Zwiespalt bezüglich des Missverständnisses nachempfinden. Einerseits weiß er, dass es falsch ist und er die Wahrheit sagen muss – aber irgendwann scheint er einfach nicht mehr aus der ganzen Sache hinauszukommen und verstrickt sich immer mehr in der Geschichte. Außerdem – wir Menschen lechzen nach Anerkennung, Liebe, Aufmerksamkeit. Und Evan war sein Leben lang einsam. Jetzt plötzlich einen Platz an der Schule zu haben, eine Aufgabe zu haben, bedeutet ihm natürlich wahnsinnig viel. Dieses Buch lässt den Leser Evans Zweifel, Ängste, Sorgen, Sehnsüchte und Wünsche und sein schlechtes Gewissen ebenfalls spüren und verstehen.
Evan macht viel falsch – natürlich. Und das weiß er auch. Trotzdem kann man bis zu einem gewissen Punkt irgendwie verstehen, warum es ihm so schwer fällt, alles aufzuklären. Aus Angst, Schuld, Scham.
Auch die anderen Charaktere waren wirklich interessant. Ich finde es gut, dass man auch einige Einblicke in Connor Murphys Gedanken und Gefühlswelt bekommen hat.
Außerdem wird aufgezeigt, wie unterschiedlich Menschen mit Trauer umgehen und sich an gewissen Dingen festhalten.
Das Buch war nicht perfekt. Aber gerade wegen der Ecken und Kanten hat es mir so gut gefallen. Das Leben ist auch nicht perfekt und Menschen haben mit ganz unterschiedlichen Problemen und Sorgen zu kämpfen. Jeder geht unterschiedlich mit bestimmten Situationen um, jeder findet unterschiedlich schwer eine Lösung – oder hat eben noch keine gefunden.
Aus diesem Grund fand ich auch das Ende sehr passend. Ich werde hier natürlich nicht spoilern, aber auch das empfand ich wieder als realistisch und nicht überzogen.
Insgesamt hat mich das Buch sehr berührt und ich habe es an einem Tag durchgesuchtet. Es hat Hoffnung gemacht, das Leben mit all seinen komplizierten Seiten gezeigt und war voller Emotionen. Ich kann es nur empfehlen und vergebe 5/5 Sterne.