Wie kann ein Mensch das ertragen
Vor über 25 Jahren kam es in Waco, Texas, zu einer brutalen und verheerenden Auseinandersetzung zwischen den US-amerikanischen Behörden und den Branch Davidians, einer christlichen Sekte. Ich war noch ...
Vor über 25 Jahren kam es in Waco, Texas, zu einer brutalen und verheerenden Auseinandersetzung zwischen den US-amerikanischen Behörden und den Branch Davidians, einer christlichen Sekte. Ich war noch nicht geboren, als mehrere Dutzend Menschen in Brand und Schießerei ums Leben kamen.
Das Buch After the fire von Will Hill greift dieses Thema auf. Hill erschafft eine fiktive Geschichte, die keinesfalls biografisch gedeutet werden soll oder kann, aber dennoch das Drama von damals lebendig werden lässt. Die Branch Davidians heißen hier Gotteslegion und Waco ist hier Layfield.
Protagonistin des Buchs ist Moonbeam, die mit ihren Eltern bereits im Alter von 3 Jahren auf das Gelände der Sekte gekommen ist. Sie betrachtet das Geschehen aus der Retrospektive und berichtet dem Psychologen Dr. Hernandez und dem FBI-Agenten Carlyle von dem Alltag in der Gotteslegion. Moonbeam ist eine von nur einer Handvoll überlebender Kinder, alle anderen sind in der Schießerei oder dem Brand in der "Entscheidungsschlacht" gestorben.
Das Buch hat sehr große Kraft. Moonbeam noch viel mehr. Sie kämpft mit sich, mit ihren Träumen und mit ihrer Vorstellung der Gotteslegion. Zu Beginn hat sie Gewissensbisse, weil sie auch nach dem Tod des fanatischen Anführers der Gotteslegion noch seine Predigten im Kopf hat. Sie hat fast eine innere Blockade mit denen "von draußen" zu sprechen. Sie ist sehr intelligent, scharfzüngig und besitzt trotz der schrecklichen Lage, in der sie sich befindet, Humor.
Das Buch ist kein echter Spannungsroman, da die Katastrophe direkt zu Beginn passiert, aber dennoch liest sich dieses doch recht umfangreiche Buch so schnell, weil die Schilderungen von Moonbeam den Alltag in der Sekte sehr lebendig werden lassen. Die Recherche zu diesem Buch muss sehr umfangreich gewesen sein. Dass ein britischer Autor eine amerikanische Tragödie derart gut in Szene setzen kann, hätte ich anfangs nicht gedacht. Zu unterschiedlich sind doch die Mentalitäten. Aber Hill gelingt es wunderbar, die Facetten der Sekte aufzuzeigen. So gab es trotz des alltäglichen Grauens auch schöne Momente. Allgegenwärtig ist aber natürlich die gewaltvolle Diktatur unter der die Gläubigen leiden, auch wenn sie es nur selten so wahrnehmen.
Für mich war das Buch sehr gut, ich fand es spannend, beängstigend und mitunter fast schon gruselig, wenn es um die Gehirnwäsche geht à la "Die Welle".