Das war (fast) richtig gut: Ich war, wie ich gerne zugebe, schon fast ein wenig genervt, dass es zuletzt hauptsächlich „rein“ Kriminalromane Yrsa Sigurðardóttirs gab, deren paranormal angehauchte Mysterythriller ich immer sehr gerne mochte – entsprechend gefreut hat es mich, dass mit „Schnee“ endlich wieder einmal ein Standalone von ihr erschienen ist, das in den Gruselbereich hineinragt.
„Schnee“ zeichnet sich durch verschiedene Erzählstränge aus: letztlich fand ich es ein wenig irritierend, dass im Prolog die Figur des Kolbeinn eingeführt wird, der zusammen mit seinem Bruder das Elternhaus verkauft hat und von den Käufern u.A. einen einzelnen im Garten ausgebuddelten Kinderschuh überreicht bekommt, ehe er einen Anruf aus dem Pflegeheim der Mutter erhält, dass diese nach ihren Kindern verlangt, einschließlich ihrer Tochter, wobei sich die Söhne an keine Schwester erinnern. Hernach wird weder erwähnt, was aus dem Besuch bei der Mutter eigentlich geworden ist, und zum Buchende wird zwar eine eindeutige Verbindung zum Prolog hergestellt, aber statt Kolbeinn wird regelmäßig dessen Bruder Hjörvar thematisiert, der für die Küstenwache auf einer abgelegenen Radarstation tätig ist und dort übernatürliche Erlebnisse zu haben meint. So recht hat sich mir nicht erschlossen, wieso statt Hjörvar eingangs Kolbeinn in dieser Geschichte aktiv sein musste.
In einem weiteren Strang steht Jóhanna im Mittelpunkt, Angestellte in einer hiesigen Fabrik, freiwillige Mitarbeiterin bei der Rettungswacht und Lebensgefährtin eines Polizisten, der mit Ermittlungen im Fall einer verschwundenen Wandergruppe betraut ist, von der Jóhanna im Rahmen einer konzertierten Suchaktion die erste Leiche gefunden hat. Sie hadert seit einem Unfall, der sie leicht gehbehindert zurückgelassen hat, damit, dass ihrer Sportkarriere dadurch der Gar aus gemacht wurde – zudem widerfahren auch ihr, allerdings daheim, merkwürdige Dinge.
Während die Geschichten von Hjörvar und Jóhanna zeitlich parallel nach dem Verschwinden der Wandergruppe stattfinden, berichtet ein weiterer Erzählstrang, sich auf die Figur der Dröfn konzentrierend, davon, was eigentlich mit der Wandergruppe gewesen war. Dröfn war Teil dieser Gruppe, und auch sie wurde während des Trips mit seltsamen Erscheinungen konfrontiert.
Während Hjörvar, Jóhanna und Dröfn zunächst gemein ist, dass sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln, wird zum Schluss noch ein verbindendes Element zwischen ihnen offenbart, das mich durchaus verblüffte; einerseits fand ich es schön, dass hier doch ein klarer Zusammenhang ersichtlich wurde, andererseits fand ich diesen Zusammenhang dann doch aber auch etwas konstruiert. Ganz zufrieden war ich mit dem Schluss da nicht, zumal mir nicht klar war, was genau nun eigentlich das Motiv bzw. das Ziel einer bestimmten Person war; sollte da überhaupt etwas erreicht werden oder war das alles nur just for fun?
Auch wenn einige gruseligen Vorkommnisse letztlich rational aufgeklärt werden, blieben in „Schnee“ doch auch recht viele Mysteryelemente bestehen; wer rein gar nichts mit Paranormalem anfangen kann, wird auch mit diesem Roman wohl nichts anfangen können bzw. die Geschichte letztlich als „ziemlichen Mumpitz“ abtun. Mich hat es allerdings gefreut, dass mit „Schnee“ nun in einem weiteren Thriller der Autorin mal wieder „richtig“ umhergespukt wurde und ich habe den Roman zwischendurch nur äußerst ungern mal aus der Hand gelegt.