Was wirklich zählt im Leben
Story:
Clara ist mitte-ende dreißig, joggt, trinkt Smoothies, steht auf Kinofilme und wird gerade unsicher, ob ihre große, aber verheiratete Liebe, wirklich die wahre Liebe ist, als sie von der Krebsdiagnose ...
Story:
Clara ist mitte-ende dreißig, joggt, trinkt Smoothies, steht auf Kinofilme und wird gerade unsicher, ob ihre große, aber verheiratete Liebe, wirklich die wahre Liebe ist, als sie von der Krebsdiagnose ihrer Mutter Ruth überrollt wird. Es beginnt eine Reise entlang eines schnellen und bitteren Krankenverlaufs durch Lebens- und Familiengeschichten, Ängste und Schmerzen, Berührungs- und Beziehungsängste. Der letzte gemeinsame Sommer führt Mutter und Tochter in Ruths Heimatdorf, in dem eine Tragödie ans Licht kommt. Neue Männer treten ins Claras Leben und vor dem Hintergrund öffnet sich Claras Blick für das Wesentliche und die Liebe. Das Geschenk eines Sommers, das vielleicht ohne die Diagnose Krebs niemals seinen Weg zu Clara gefunden hätte.
Meine Meinung:
Clara führt das typische Single-Leben von heute. Nur ist sie gar nicht Single. Denn es gibt Martin, die Affäre, die Clara zu lieben glaubt, obwohl sie vor allem aus einem wöchentlichen Sex-Date und Gelegenheitssex im Park und Warten besteht – warten darauf, dass Martin seine Frau verlässt. Um Clara herum tummeln sich tolle Nebenfiguren, die für viele Sympathiepunkte sorgen und der Rolle Clara gut tun, weil sie greifbarer wird. Eine reizende Nachbarin, liebevolle Freunde und ein dicker Kater sorgen für ein gutes Lesegefühl, wenn Clara manchmal etwas hölzern und zickig wirkt, was aber die emotionale Unsicherheit authentisch wirken lässt.
Die Krebsdiagnose der Mutter bringt eine Wendung in Claras eingefahrenes Leben. Hat sie mit Absicht die komplette Republik zwischen sich und ihre Eltern gebracht, um das wohlbehütete, warme Nest gegen Eigenständigkeit einzutauschen, bringt der Krebs, der den Namen „Scheischeißviech“ erhält, die Familie wieder näher zusammen und ermöglicht Vater, Mutter und Tochter sich neu kennen zu lernen. Denn alle drei gehen auf ganz unterschiedliche Arten mit dem Schicksal um.
Es gibt neue flüchtige Bekanntschaften, die nur kurz von rechts nach links über die Romanbühne schlendern und gute alte Bekannte, die erneut in Ruths und Claras Leben treten. Mir gefällt am besten an dem Roman, wie die Charaktere ihre Rollen erfüllen und alle etwas Entscheidendes zur Entwicklung der Protagonisten und Geschichte beitragen. Begegnungen wirken zunächst zufällig und haben doch fast alle bereits Bezug zur Vergangenheit.
Und so schließen sich die Kreise.
Ruth ist eine starke Frau, die seit Jahrzehnten ein ungeklärtes Familiengeheimnis mit sich trägt. Wer weiß, ob sie jemals den richtigen Zeitpunkt gefunden hätte, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, wenn das Scheißscheißviech keine Deadline gesetzt hätte. Jetzt oder nie!
Ruth war bis zu ihrer Pensionierung Kunst- und Musiklehrerin und sorgt immer für musikalische Untermalung durch den richtigen Soundtrack, passend zu Situation und Stimmung. Bewundernswert finde ich die Großzügigkeit mit der Ruth ihrem Mann zugesteht in seinem eigenen Tempo seinen Frieden mit dem Schicksalsschlag zu machen oder auch nicht.
Auch der oberflächliche Martin bleibt von Ruths Krebsdiagnose nicht verschont. Denn Clara verändert sich und so verändert sich auch seine bisher sehr komfortable Affäre. Clara ist nicht mehr allzeitbereit und lässt ihn spüren, dass sich die Prioritäten verschieben. Entscheidet er sich letzten Endes für Clara?
Meine Lieblingsfigur ist Philipp, Superman und Rettungsring mit Tiefgang und immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber ist er der richtige für Clara? Das Timing scheint nicht zu passen. Schön ist, dass man aus ihm lange nicht ganz schlau wird. Was steckt hinter der Vertrautheit? Ist er einfach nur ein guter Freund?
Sprachlich findet der Leser leichte Kost mit kleinen Abzügen in der B-Note, weil mir Vergleiche teils erzwungen vorkamen und dadurch etwas plump wirkten, wie z.B. „du strahlst ja wie zehn Tonnen Plutonium!“.
Was das Geschenk des Sommers ist, kann der Leser am Ende für sich selber herausfinden und eine eigene Antwort darauf geben. So kann jeder die Geschichte ein Stück weit zu der eigenen machen, wenn er denn möchte.
Fazit:
Eine Lovestory gekoppelt an die Geschichte über den Umgang mit einer unheilbaren, rasanten Krankheit. Das Buch bietet ohne Gnade alles was das Leben zu bieten hat. Ein lehrreicher Roman über das, was wirklich zählt, mit Tiefgang, Witz, sympathischen Figuren und kommt ohne Kitsch aus. Absolut empfehlenswert!