Meerliebe
Landflucht gibt es auch auf Inseln, und so ist Vidas Bruder Zander nur einer von vielen, die nach dem Abitur die kleine norddeutsche Insel hinter sich lassen und sich ein Leben in der Stadt aufbauen. Vida ...
Landflucht gibt es auch auf Inseln, und so ist Vidas Bruder Zander nur einer von vielen, die nach dem Abitur die kleine norddeutsche Insel hinter sich lassen und sich ein Leben in der Stadt aufbauen. Vida stattdessen bleibt mit ihren Eltern zurück, ihre Rolle ist mit dem Fortgang des Bruders geklärt - irgendwer muss immerhin den kleinen Laden übernehmen. Nicht nur, weil es ohnehin schon kaum mehr Bewohner gibt und der Laden einen wichtigen Versorgungspunkt darstellt, sondern auch, weil die Arbeit der Eltern fortgeführt werden soll. Das war von Anfang an klar für Vida, nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, ihre Zukunft zu hinterfragen; wäre da nicht eines Tages Marie aufgetaucht, denn einsame Orte mögen zwar viele Menschen vertreiben, ziehen andere jedoch wie magisch an.
Und Magie und Marie scheinen überhaupt nah zusammenzuhängen, was nicht nur an dem merkwürdigen Meerjungfrauenkostüm liegt, mit dem Marie zum Entsetzen der Inselbewohner (die keine 10 Seepferdchen ins Wasser bekommen würden) selbst im Winter das Meer unsicher macht; sie übt außerdem schon bald eine merkwürdige Faszination auf Vida aus. Vida, die gute, brave, niemals aufbegehrende, niemals hinterfragende Vida, die mit einem Mal erahnt, dass es da vielleicht doch noch mehr gibt als das ihr vorherbestimmte Inselleben an der Seite ihres Verlobten Jannis. So schnell sich ihre Gefühle für Marie vertiefen, so rasant steuert die Beziehung der beiden jungen Frauen jedoch auch schon auf ihr Ende zu.
Von Anfang an ist klar, dass Vida und Marie keine gemeinsame Zukunft haben können, lässt sich doch häufig eine gewisse Bitterkeit und Melancholie aus Vidas rückblickender Erzählung herauslesen. Trotzdem kommt schnell Spannung auf und es fällt leicht, sich mitziehen zu lassen von Blöchls einfühlsamem Schreibstil. Man fühlt sich Vida nah, deren Leben innerhalb der nichtmal 300 Seiten mehr als einmal aus den Fugen gerät. Ihr Verliebtsein, die Leidenschaft, das Glück, der Schmerz - all das ist wunderbar nahbar beschrieben und lässt Vidas Entwicklung gespannt verfolgen. Ein sehr schöner Roman!