Zu hohe Erwartungen
Skandal und Vorurteil sollte meine erste Berührung mit der Geschichte von Jane Austen sein, die gefühlt jede*r da draußen in unserer Buchbubble schon gelesen hat, außer mir. Ich kenne die groben Züge der ...
Skandal und Vorurteil sollte meine erste Berührung mit der Geschichte von Jane Austen sein, die gefühlt jede*r da draußen in unserer Buchbubble schon gelesen hat, außer mir. Ich kenne die groben Züge der Story, aber sie gelesen oder auch nur einen Film dazu gesehen habe ich tatsächlich bisher nicht. Daher war ich sowohl gespannt, ob ich dieses Buch werde ohne die Hintergründe genießen können, als auch ob ich vielleicht was über die ursprünglichen Frau Bennet und Mr. Darcy lernen kann.
Ich muss aber auch direkt einräumen, dass ich mich mit der Protagonistin Georgie leider etwas schwergetan habe. Sie ist nach dem, was mit ihrem Exfreund passiert ist, zum Hassobjekt der Schule geworden. Verständlicherweise versucht sie, das Geschehene wieder gutzumachen, obwohl das eigentlich nicht ihre Aufgabe wäre. Dazugehören ist in diesem Alter halt wichtig, besonders wenn man den Ruf der Darcys zu verteidigen hat. Allerdings versucht sie das auf so unsympathische, kurzsichtige Weise, dass ich mich manchmal gefragt habe, ob sie überhaupt eine Sekunde über die Folgen ihres Handels nachdenkt. Sie ist trotz ihrer schlechten Erfahrungen in einer unglaublich privilegierten Position, was sie ständig ausnutzt, aber nie bei ihrem Verhalten anderen gegenüber zu reflektieren scheint, bis sie damit gegen eine Wand rennt. Ich habe sie regelmäßig verflucht dafür, wie unsensibel und naiv sie sich teils verhält, und bin bis zum Schluss nicht mit ihr warm geworden.
Avery dagegen ist ein absolutes Goldstück. Der Junge hat ein Herz das größer ist als das Anwesen der Darcys und ich habe jede Szene mit ihm allein schon deshalb genossen, weil er dabei war. Seine Geduld mit Georgie ist bewundernswert, denn ich hätte an seiner Stelle nicht mal einen Bruchteil davon aufbringen können.
Das Setting und die dazugehörige Atmosphäre, in denen die Figuren sich bewegen, könnte man bestenfalls als angespannt, realistischerweise eher als feindselig bezeichnen. Alle hassen Georgie und niemand hört ihr richtig zu, was ich, selbst wenn ich sie ebenfalls nicht leiden konnte, sehr anstrengend fand. Ich hätte den Schulschauplatz gern mehr genossen, vor allem weil mit der in vielen Szenen auftauchenden schuleigenen Marching Band ein Aspekt aufgegriffen wurde, den ich so vorher noch nie im Detail irgendwo gelesen habe. Aber insgesamt bin ich dann leider wegen der miesen Stimmung eher lustlos durch die Geschichte geschlurft als begeistert durchgehopst.
Mein Fazit:
Ich finde dieses Retelling leider nicht besonders gelungen, so weh es auch tut das zuzugeben. Georgie war mir unsympathisch hoch zehn, die Atmosphäre drückend und feindselig und das Setting kam kaum zur Geltung, weil der Fokus fast nur auf Georgies Bemühungen lag. Mein Lichtblick war Avery und ich mochte, dass auch wichtige Themen wie toxische Beziehungen angerissen wurden. Aber für eine Leseempfehlung reicht es leider nicht.