Bedrückende und bedrohliche Stimmung in einer Konfliktregion
Inhalt (dem Klappentext entnommen):
»Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann ...
Inhalt (dem Klappentext entnommen):
»Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb.« Mit Milchmann legte Anna Burns das literarische Großereignis des vergangenen Jahres vor. Ein Roman über den unerschrockenen Kampf einer jungen Frau um ein selbstbestimmtes Leben – weltweit gefeiert und ausgezeichnet mit dem Man Booker Prize.
Eine junge Frau zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines mächtigen und erschreckend älteren Mannes auf sich, Milchmann. Es ist das Letzte, was sie will. Hier, in dieser namenlosen Stadt, erweckt man besser niemandes Interesse. Und so versucht sie, alle in ihrem Umfeld über ihre Begegnungen mit dem Mann im Unklaren zu lassen. Doch Milchmann ist hartnäckig. Und als der Mann ihrer älteren Schwester herausfindet, in welcher Klemme sie steckt, fangen die Leute an zu reden. Plötzlich gilt sie als »interessant« – etwas, das sie immer vermeiden wollte. Hier ist es gefährlich, interessant zu sein.
Doch was kann sie noch tun, nun, da das Gerücht einmal in der Welt ist? Milchmann ist die Geschichte einer jungen Frau, die nach einem Weg für sich sucht – in einer Gesellschaft, die sich ihre eigenen dunklen Wahrheiten erfindet und in der jeglicher Fehltritt enorme Konsequenzen nach sich zieht.
Meinung:
Die langen, verschachtelten Sätze machen es einem nicht leicht beim Lesen, auch gibt es immer wieder gedankliche Abschweifungen in Erinnerungen und (auf den ersten Blick) Belanglosigkeiten. Es ist meiner Meinung nach kein Buch zum Nebenbei lesen, man muss sich konzentrieren und zwischen den Zeilen lesen. Aber wenn man sich an den Schreibstil gewöhnt hat, dann geht es zwar nicht locker-leicht, aber doch besser voran mit dem Lesen.
Das Buch ist aus der Ich-Perspektive der namenlosen, 18-jährigen Protagonistin geschrieben, so dass man ihre Gedanken und Gefühle hautnah miterleben kann. Die Nebencharaktere sind ebenfalls namenlos und werden z.B. als Schwager Eins, Schwager Zwei, etc. benannt.
Die authentischen Charaktere sind mit ihren Stärken und Schwächen sowie Gefühlen sehr gut dargestellt und beschrieben worden, so dass ich nicht anders konnte, als mit ihnen mitzufühlen und mitzuleiden. Auch die Nebencharaktere sind gut dargestellt worden, vor allem die kleinen Schwestern der Protagonistin waren mit ihrer liebenswert-vorlauten Art ein Lichtblick, auch wenn sie wie viele der Nebencharaktere überzeichnet waren.
Obwohl kein Handlungsort genannt wird, kann man sich Nordirland mit etwas Hintergrundwissen zusammenreimen, doch die Geschichte lässt sich auch auf andere Regionen der Erde übertragen.
Die Protagonistin lebt in einem Konfliktgebiet, die bedrohliche Atmosphäre der damaligen Zeit gelingt der Autorin sehr eindrücklich. Die Protagonistin liest auch im Gehen, was bei allen anderen auf Unverständnis stößt, denn so hat sie die Umgebung nicht im Blick, aber als Leser/in versteht man, dass sie so ihre Umgebung und die dauerhafte, drohende Gefahr ausblenden möchte im Sinne von „sehe ich dich nicht, siehst du mich nicht“.
Als wäre das Leben nicht schon schwer und kompliziert genug, wird sie vom Milchmann, einem Paramilitär, gestalkt, der ihr immer mehr zusetzt und sie mehr und mehr in die Ecke drängt. Durch die Ich-Perspektive fühlt man mit der Protagonistin mit, fühlt ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung, sowohl was das ungute Gefühl im Hinblick auf den Milchmann betrifft, als auch im Hinblick auf die Gerüchte, die über sie beide im Umlauf sind. Die Situation wird für sie noch erschwert, da sie keine Person hat, an die sie sich wenden kann, die ihr beisteht, denn in der damaligen Situation und der tagtäglichen Konfrontation mit Gewalt und Tod sehen die Anderen in der Verfolgung durch den Milchmann keine Gefahr, da sie nicht körperlich besteht. Neben dieser Thematik geht es auch um das Aufwachsen und die unterschwellige Spannung in einem Konfliktgebiet, die Zuschreibung von Rollen bzw. was „normales“ Verhalten ist und wer somit aus dem Rahmen fällt, wie z.B. das unterwegs lesende Mädchen. Überwiegend herrscht im Buch eine bedrückende und bedrohliche Stimmung, sowohl durch die gesellschaftliche Situation zur damaligen Zeit, aber auch durch die Bedrohung durch den Milchmann. Doch es blitzt immer wieder schwarzer Humor durch und es gibt einige Szenen zum (Auf-)Lachen.
Es ist keine leichte Lektüre, was sowohl die verschiedenen ernsten Themen betrifft, aber auch schweift die Protagonistin in ihren Gedanken immer wieder ab, was mir das Lesen doch erschwert hat. So gibt es wunderbare 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung (aber unbedingt vorher einen Blick in die Leseprobe werfen, ob man mit dem Schreibstil zurechtkommt), wenn man sich für gesellschaftliche Missstände, die Rolle der Frau und einen Einblick in den nordirischen Konflikt interessiert.
Fazit:
Keine leichte Kost, man muss sich beim Lesen konzentrieren, aber die bedrückende und bedrohliche Stimmung im Konfliktgebiet aber auch im Hinblick auf das Stalking, wie verzweifelt und hilflos die Protagonistin ist, gelingt der Autorin sehr eindrücklich.