Zwischen Kaugummi und Schallgeschwindigkeit
Kurzrezension [Fazit]
Alles in allem betrachtet, wirkt „A Night of Promises and Blood“ auf mich wie eine Vorabgeschichte (beispielsweise wie die Throne of Glass-Novellen) als ein spannender Auftakt einer ...
Kurzrezension [Fazit]
Alles in allem betrachtet, wirkt „A Night of Promises and Blood“ auf mich wie eine Vorabgeschichte (beispielsweise wie die Throne of Glass-Novellen) als ein spannender Auftakt einer Trilogie, da rein von der Handlung nicht viel passiert, erwartbare Fantasy-Elemente entweder fehlen oder überhastet in den Plot eingeflochten wurden.
Ein großer Pluspunkt ist jedoch Anne Pätzolds Schreibstil, der dermaßen leicht und angenehm zu lesen war, dass ich kaum gemerkt habe, wie schnell ich das Buch heruntergelesen habe. Ich bleibe trotz des – für mich – eher schwachen Auftakts auf den zweiten Teil der Reihe (A Night of Shadows and Betrayals; 25. Juli 2023) gespannt, wie die Geschichte von Winnie, Jo und Sascha weitergeht und hoffe, dass uns Anne Pätzold schon bald ihre Asse im Ärmel präsentiert.
[Transparenz: Das Buch wurde im Rahmen einer Leserunde mit kostenlosem Leseexemplar via Lesejury gelesen und rezensiert.]
Cover/Titel/Promotion
Um ehrlich zu sein, bin ich kein großer Fan von Menschen auf Buchcovern, jedoch hat mich die künstlerische wie mysteriös-düstere Umsetzung auf dem Cover von „A Night of Promises and Blood“ sehr angesprochen. Im Allgemeinen glänzt das Buch durch die kleinen künstlerischen Accessoires zu den Kapitelanfängen. Zugleich wirft das Buchdesign hier schon mehrere Fragen auf: Wer ist die junge Frau (Winnie oder doch eher Jo?) und welche Bedeutung hat die rote Blume, die nicht nur hier das Cover, sondern auch die Kapitelanfänge ziert? In Zusammenführung mit dem Klappentext, der nicht allzu viel preisgeben will, und der geheimnisvolle Prolog weckte die Leseprobe definitiv meine Neugier.
Der Slogan „Twillight meets New Adult“, mit dem das Buch beworben wird, ist definitiv ein Eye-Catcher, wenn man sich durch die Masse an Neuerscheinungen klickt. Es verführt einen dazu, den Klappentext zu lesen. Jedoch stellt diese Werbungsentscheidung dem Buch eher ein Bein, als dass es hilfreich ist. Es scheiden sich die Geister, ob diese Reihe im Spiegel der heutigen Zeit gut oder schlecht ist. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass fast jede/r Twillight kennt, etwas damit assoziieren kann und es einer der Klassiker unter den Vampirromanen geworden ist, der durch seine Dramatik und Spannung bei den meisten geglänzt hat. Diese Anknüpfung an den Twilight-Hype hat zumindest bei mir bewirkt, dass die Messlatte für „A Night of Promises and Blood“ sehr hoch lag. Leider konnte der Roman diese hohen Erwartungen inhaltlich nicht erfüllen.
Handlung/Figuren
Kurz gesagt, handelt die Geschichte von Winnie, die mit dem Zwiespalt zwischen ihrem Wunsch, ihren verschollenen Vater wiederzufinden, und dem damit konfligierenden Bedürfnis, ihrer Schwester alles recht zu machen und sie vor alles und jedem zu schützen, konfrontiert. Dazu präsentiert uns Anne Pätzold in der verschwiegenen Jo, die ein dunkles Geheimnis hütet und die Nachbarin von Winnie wird, die zweite Protagonistin. Zentrale Elemente dieser Geschichte sind neben der Lovestory zwischen Winnie und Jo, auch die Beziehung zwischen Winnie und ihrer Schwester Sascha, dessen Umsetzung mir äußerst gut gefallen hat. Mit Feingefühl zeichnet Anne Pätzold nach, wie nah aber doch so fern man sich sein kann. Die Schwestern stehen sich super nah, jedoch trennen sie unausgesprochene Worte und einige Geheimnisse, die sie zum Schutz der anderen für sich behalten. Beide wollen nur das Beste für die jeweilige Andere. Letztendlich führt es nur dazu, dass sie sich gegenseitig auf Distanz halten und weh tun.
Von außen betrachtet, ist der Roman sehr gut darin, Tausende von Fragen aufzuwerfen, jedoch werden kaum welche beantwortet, sodass ich eher unzufrieden das Buch nach dem Ende zugeklappt habe. Dies kann zum großen Teil dem Umstand geschuldet sein, dass sich die Autorin ein paar Plot-Point-Kracher und Drama für die nächsten Bände aufspart. Aber für meinen Geschmack fokussiert sich die Autorin zu sehr auf die innere Welt der Figuren. Mir persönlich fehlt hier die Balance zwischen Gedankenwelt der Figuren und der Handlungsebene. Besonders in Winnies Perspektive hatte ich lange Zeit kein Gefühl für den Plot, weil einem nach der Kennlernphase der Figur kaum Brocken für weitere Handlungsschritte zugeworfen wurden. Kurz gesagt, passiert für meinen Geschmack zu wenig mit den aufgeworfenen Plot-Strängen, die uns beim Lesen angeboten werden. Beispielsweise dreht sich ein Hauptteil von Winnies Story um ihren Wunsch, ihren verschollenen Vater wiederzufinden. Es türmen sich viele Fragen auf, warum er damals verschwunden ist, wieso er nie wirklich mit ihnen Kontakt aufgenommen hat und ob Winnie ihn ausfindig machen kann. Die Umsetzung dieses Plot-Strangs lässt aber jede Form eines Mysteriums oder Spannung vermissen. Die aufgeworfenen Fragen werden unbefriedigend beantwortet und die Szene mit Smalltalk oder – für mich – nicht so relevanten Gesprächsinhalten gefüllt, die keine besondere Schlagkraft für den weiteren Verlauf der Geschichte haben. Darüber hinaus fällt es mir schwer, Winnies und Saschas Motivation beziehungsweise Beweggründe an einigen Stellen nachzuvollziehen. Wenn ich eine Person treffe, die von heut auf morgen verschwunden ist, würde ich zwar auch nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber die eine oder andere Frage, die mir seit Jahren auf der Zunge brennen, würde man doch stellen. Stattdessen lässt sich Winnie mit einer schlappen Antwort abwürgen und dieser Plot-Strang verläuft sich ins Leere. Damit löst sich das Spannungspotential vollständig in Luft auf. Dagegen zeigt sich Sascha zum Ende hin sehr naiv. Für sie könnte man ihr junges Alter geltend machen. Jedoch sind auch 17-jährige Mädchens nicht derartige naiv, wie Sascha am Ende des Romans präsentiert wird. Zudem wirkte sie in den vorherigen Szenen alles andere als blauäugig, eher im Gegenteil!
Der Roman ist in doppelter Hinsicht als Slow-burn angelegt, d.h. Anne Pätzold nimmt sich sehr viel Zeit, den Lesenden sowohl die Liebesgeschichte von Winnie und Jo als auch den Fantasy-Aspekt näher zu bringen. An sich ist dieses Konzept grandios, jedoch hat mich hier das Pacing gestört. Stellenweise haben sich einzelne Elemente wie Kaugummi gezogen, bis endlich etwas über die Gedankenebene der Figuren hinaus passiert. Und als dann etwas passiert ist, konnte man die verschiedenen Errungenschaften der Figuren nicht wirklich genießen, da alles auf einmal Schlag auf Schlag ging. Die Umsetzung fühlte sich im letzten Drittel des Romans sehr überhastet an und als würde man in Schallgeschwindigkeit durch die einzelnen Plotpunkte durchgetrieben werden. Es wirkte so, als hätte die Autorin noch zahlreiche (gute) Ideen für die fortlaufende Geschichte des ersten Bandes auf der To-Do-Liste, aber zu wenig Platz sie in Ruhe und mit großer Schlagkraft umzusetzen. Deshalb war der hier angelegte Slow-Burn wenig überzeugend und hat mich kaum mit fiebern lassen. Besonders im Punkt Fantasy finde ich dieses Schlag auf Schlag sehr schade. Lange Zeit nahm die Lovestory zwischen Winnie und Jo den Hauptteil der Geschichte ein, was nicht sonderlich schlimm ist. Anne Pätzold hat die beginnende Liebe zwischen den beiden Figuren mit sehr viel Gefühl erzählt. Aber da es sich hierbei um eine Romantasy-Geschichte handelt, ist es verwunderlich, dass die erste Erwähnung von Vampiren erst in der Mitte des Buches, wenn nicht sogar später fällt. Auch nach der sehr späten Präsentation des Fantasy-Elements wurde nach meinen Geschmack sehr wenig mit dem Fantasy-Aspekten (oder anderen Drama-Aspekten z.B. die immer wieder erwähnten Vermisstenfälle in Brooklyn oder Winnies Familiendrama) gearbeitet. Man erfährt nur sporadisch von der Vampirwelt oder wie/warum Jo mit ihnen in Verbindung steht. Erneut lässt sich sagen, dass sich die Autorin vielleicht die Plot-Point-Kracher und genauere Beschreibungen der Vampirwelt für die nächsten Bände aufhebt. Jedenfalls ist die Umsetzung von Anne Pätzold für mich nicht gut ausbalanciert und überhastet, stellenweise auch nicht ganz nachvollziehbar.
Erzählstil
Zugegeben habe ich noch nichts von Anne Pätzold gelesen, jedoch hat mich ihr flüssiger Schreibstil besonders gefallen, der mir einen sehr leichten und schnellen Einstieg in die Geschichte von Winnie und Jo ermöglicht hat. Besonders ansprechend ist der humorvolle Ton, mit der Winnie ihr stressiges (Arbeits-) Leben kommentiert und das ein oder andere Lächeln beim Lesen ins Gesicht zaubert.
Darüber hinaus finde ich den neuen Ansatz, wie die Geschichte erzählt wird, sehr interessant, bin aber auch etwas zwiegespalten über diese Umsetzung. Die erste Hälfte des Buches wird zunächst von Winnie erzählt, wodurch die Lesenden Jo kennenlernen und ihre Ankunft sowie das Entdecken ihres Geheimnisses komplett aus Winnies Perspektive erfahren. Es ist erfrischend, da hier den Lesenden die Chance gegeben wird, mit Winnie Jos dunkles Geheimnis herauszufinden, anstatt gleich die Spannung herauszunehmen, indem man das Geheimnis aus Jos Perspektive auf den ersten Seiten des Romans präsentiert. Ab der Mitte des Buches und mit dem Herausfinden des Geheimnisses von Jo wechselt sich die Perspektive von Winnie zu Jo. Genau hier beginnen mich die Schwachstellen dieser Umsetzungsweise. Nach dem gesamten Spannungsaufbau in dem Prozess, in welchem Winnie Jos Geheimnis herausfindet, vergönnt uns Anne Pätzold Winnies direkte Reaktion auf die Enthüllungen. Der gesamte Spannungsaufbau bricht für mich in sich zusammen, weil die Auswirkung auf Winnie aus ihrer Sicht fehlen. Alles, was man von Jo erfährt, ist das Distanzverhalten von Winnie, aber was zur Hölle geht in ihrem Kopf vor? Und dafür, dass die Geschichte sich stark auf die Gefühls- und Gedankenwelt der Figuren fokussiert, ist es eine für mich nicht nachvollziehbare Entscheidung, Winnies erste Reaktion auf Jos Geheimnis aus der Geschichte auszuklammern. Zwar ist es erfrischend zu lesen, wie verzweifelt Jo ist, sobald ihr Geheimnis gelüftet worden ist, jedoch hat es hier eben diesen fahlen Beigeschmack.
Jedoch zeigen sich auch einige weitere Schwachstellen, die besonders zum Romanende hin mir aufgefallen sind: Immer wieder habe ich mich bei dem Gedanken erwischt, dass einige Szenen aus Winnies Perspektive spannender oder eindrucksvoller aus emotionalen beziehungsweise spannungstechnischen Gründen gewesen wären. Jos Perspektive gibt für mich nicht allzu viel her – zwar ist sie zum Schluss emotional investiert, jedoch berichtet sie von den Ereignissen eher kühl und aus einer rein beobachtenden Perspektive, die mich als Leserin des Finales (auch in Verbindung mit der inhaltlichen Umsetzung) eher kalt gelassen haben.