Poetisch, dramatisch und nicht leicht zu verdauen
„Im Schatten des Märchenerzählers“ von Antonia Michaelis ist zwar ein zweiter Band, jedoch problemlos als für sich stehender Roman zu lesen. Das Buch fällt vor allem durch seinen poetischen Stil auf, der ...
„Im Schatten des Märchenerzählers“ von Antonia Michaelis ist zwar ein zweiter Band, jedoch problemlos als für sich stehender Roman zu lesen. Das Buch fällt vor allem durch seinen poetischen Stil auf, der manchmal ein wenig ins Schwülstige abzudriften droht, jedoch insgesamt eine fantastische Atmosphäre schafft.
Elias ist fast achtzehn und liebt das Filmemachen und seine Gitarre, wird aber geplagt von düsteren Gedanken und Zukunftsängsten. Das liegt vor allem an seiner dramatischen Hintergrundgeschichte, denn sein Vater nahm sich noch vor seiner Geburt das Leben, nachdem er selbst drei Menschen getötet hat. Sonst weiß er wenig von ihm, kennt aber seine Leidenschaft fürs Märchenerzählen – und als er feststellt, dass seine Mutter Anna heimlich Briefe von jemandem erhält, wird er misstrauisch. Denn die Briefe erzählen nach und nach eine Geschichte, die sich in der Realität zu spiegeln scheint.
„Im Schatten des Märchenerzählers“ setzt sich mit vielen düsteren und bisweilen heiklen Themen auseinander, was sich auch in einer morbid-poetischen Sprache niederschlägt, und wandelt damit manchmal hart am Grad zum Klischeehaften, besonders in den eingeschobenen Märchen-Episoden. Meist gelingt jedoch das Kunststück, eine harte Realität in melancholisch-schöne Worte zu verpacken, und die verworrene Geschichte, die immer wieder kleine Informationshäppchen über die Vergangenheit von Elias’ Familie fallen lässt, hat viel Spannendes zu bieten. Dabei tun sich einige Abgründe auf, weshalb der Roman definitiv nichts für Zartbesaitete ist, aber der Ästhetik seiner Darstellung kann man sich kaum entziehen.
„Im Schatten des Märchenerzählers“ ist definitiv kein typisches Jugendbuch, sondern ein düsterer, ernst zu nehmender Roman über Verlust und Missbrauch, über Verbrechen und Selbstzweifel. Wer auch mal ein Auge zudrücken kann, wenn stilistisch etwas zu dick aufgetragen wird, wird hiermit definitiv ein paar emotional fordernde und mitreißende Lesestunden verbringen können.