Klaus Timmermann (Übersetzer), Ulrike Wasel (Übersetzer)
Eine zeitlose und geradezu zärtliche Geschichte über die Bedeutung und Kraft menschlicher Beziehungen
Der junge Robert weiß schon früh, dass er wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter sein wird. Dabei ist ihm Enge ein Graus. Er liebt Natur und Bewegung, sehnt sich nach der Weite des Meeres. Daher beschließt er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sich zum Ort seiner Sehnsucht, der offenen See, aufzumachen. Fast am Ziel angekommen, lernt er eine ältere Frau kennen, die ihn auf eine Tasse Tee in ihr leicht heruntergekommenes Cottage einlädt. Eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen: unverheiratet, allein lebend, unkonventionell, mit sehr klaren und für ihn unerhörten Ansichten zu Ehe, Familie und Religion. Aus dem Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt, und Robert lernt eine ihm vollkommen unbekannte Welt kennen. In den Gesprächen mit Dulcie wandelt sich sein von den Eltern geprägter Blick auf das Leben. Als Dank für ihre Großzügigkeit bietet er ihr seine Hilfe rund um das Cottage an. Doch als er eine wild wuchernde Hecke stutzen will, um den Blick auf das Meer freizulegen, verbietet sie das barsch. Ebenso ablehnend reagiert sie auf ein Manuskript mit Gedichten, das Robert findet. Gedichte, die Dulcie gewidmet sind, die sie aber auf keinen Fall lesen will.
Ausgezeichnet als »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2020!
„Offene See“ ist ein Roman über Sehnsucht, Selbstfindung und über eine ungewöhnliche Freundschaft, die aus einer Zufallsbegegnung entsteht. Es macht Freude Roberts Entwicklung von einem schüchternen ...
Meinung
„Offene See“ ist ein Roman über Sehnsucht, Selbstfindung und über eine ungewöhnliche Freundschaft, die aus einer Zufallsbegegnung entsteht. Es macht Freude Roberts Entwicklung von einem schüchternen Jungen, zu einem redegewandten, jungen Mann zu erleben. Durch Dulcie animiert, beginnt er neue Möglichkeiten für sich zu entdecken, er erkennt, dass sein Lebensweg keinesfalls schon vorgegeben ist, wie er annahm. Vor allem diese Erkenntnis, die langsam in seine Gedanken einfließt, macht ihn selbstbewusster.
Benjamin Myers beschreibt die Wanderschaft seiner Figur in einer bildhaften, schönen Sprache. Die Landschaft Englands und der nie enden wollende Sommer sind wundervoll eingefangen. Ebenso hatte ich ein sehr genaues Bild von Dulcie und dem Cottage vor Augen.
Ich konnte mir diesen wissbegierigen, naturliebenden Robert die ganze Zeit nicht als Bergmann vorstellen und war sehr froh, als Dulcie ihm andere Möglichkeiten eröffnete. Die lebenskluge Frau und der junge Mann, der am Anfang seines Lebens steht, ergänzen sich fabelhaft. Robert hilft Dulcie Frieden mit der Vergangenheit zu schließen. Er bringt nicht nur ihr Grundstück und das Atelier in Schuss, sondern gibt Dulcie auch die Sicht auf die Offene See wieder, die sie lange Zeit nicht ertragen konnte. Ich habe es sehr genossen, ihre Gespräche über das Leben zu verfolgen. Auch mich hat Dulcie mit ihren Lebensweisheit und ihrer Lebenslust zum Nachdenken gebracht.
Fazit
Ein herausragender Roman über eine ungewöhnliche, aufrichtige Freundschaft.
„England 1946. Die Sehnsucht nach dem Meer und die Enge seines Elternhauses veranlassen den jungen Robert dazu, sich zu Fuß zur Küste aufzumachen. Einmal will er die offene See erleben, bevor er unter Tage arbeiten muss. Als er die unkonventionelle Dulcie kennenlernt, öffnet sich für ihn die Tür in ein ganz anderes Leben - ein Leben, in dem Freundschaft, Leidenschaft, Kunst, aber auch Schmerz erstrebenswerter sind als Wohlanständigkeit und Pflichterfüllung.“
Sterne: ★★★★★/★★★★★
Rezension:
Nachdem ich dreimal versucht habe meine Überzeugung klug in einem Satz zusammenzufassen, gebe ich es endgültig auf. „Offene See“ ist für mich Nostalgie, Poesie, Liebe, Leidenschaft, Mut und Lebensfreude auf 272 Seiten zusammengefasst. Jede/r die/der mich in den nächsten Wochen fragt, welches Buch ich empfehlen kann, wird von mir „Offene See“ gehört bekommen.
Das erste Mal sah ich das Buch in einer Buchhandlung am Bochumer Hauptbahnhof und postete es direkt in meiner Story, da mich das Cover förmlich zu sich hinzog und der Klappentext mir eine originelle Liebesgeschichte versprach. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch eine fette Leseblockade und genug Bücher auf meinem SUB, also lies ich es erst einmal liegen. Allerdings schrieb mich daraufhin eine Kommilitonin an und bot an, es mir auszuleihen. Natürlich musste ich da Ja sagen und schon bald hielt ich es in meinen Händen! Sie gab mir außerdem die Möglichkeit, Passagen anzustreichen und Notizen dazulassen, was das Ganze noch viel reizender machte, da ich meine Bücher normalerweise unverändert lasse. Ihr fragt euch bestimmt, warum ich so viel um den heißen Brei herum rede. Na, was ich sagen will ist, dass „Offene See“ meine Leseblockade gelöst hat, ich absolut in diesen Roman verliebt bin und ab nun alle meine Bücher mit Phrasen und Notizen verzieren werde!
Robert Appleyard erzählt seine letzte und bedeutendste Geschichte. Die, in der er Dulcie Piper (und ihren Hund Butler) und eine neue Seite der noch zerbrochenen Welt kennenlernt. Zu Beginn hatte ich meine Zweifel. Historische Romane mit Teenagern als Protagonist:innen sind nämlich nicht mein Kaliber, tragische Romanzen allerdings schon. Meine Zweifel wurden schnell beiseite gelegt, denn ich habe eine sehr schwache Ader für Poesie. Ich weiß nicht, wie Myers es geschafft hat, aber in jedem Satz schwingt eine gewisse Poesie mit, die den/die Leser/in nicht unberührt lässt.
Die tragische Romanze, die ich mir erhofft habe, die habe ich auch bekommen, allerdings anders und besser, als erwartet. Diesen Twist habe ich ehrlich nicht kommen sehen, aber ich bin sehr positiv überrascht gewesen!
Was soll ich sagen? Der Schreibstil ist perfekt, die Charaktere sind toll, die Szenerie ist bezaubernd... Ich liebe es. Dulcie Piper ist so unapologetically Dulcie Piper. "Unkonventionell" beschreibt sich gar nicht gut genug. Ich wünschte, ich wäre etwas mehr wie Dulcie Piper. Und auch Robert Appleyard ist bewundernswert für seinen Mut und seine Reife! Ich habe wirklich nichts zu bemängeln und hebe meinen Hut vor Benjamin Myers. Und das kommt wirklich selten vor. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal fünf von fünf Sternen gegeben habe.
Ich habe mir also „Offene See“ selbst gekauft und behüte es jetzt bis an mein Lebensende. Okay, vielleicht übertreibe ich ein bisschen, aber meiner Meinung nach ist „Offene See“ ein neuer zukünftiger Klassiker, der sich in jedem Regal wohlfühlen würde. Tut euch selbst einen Gefallen und verpasst dieses Werk nicht!
Schon die ersten Zeilen des ersten Kapitels von Myers Roman haben mich an Eichendorffs "Taugenichts" erinnert und dann entfaltet sich eine ähnliche und doch ganz andere wunderbare Geschichte:
Der 16-jährige ...
Schon die ersten Zeilen des ersten Kapitels von Myers Roman haben mich an Eichendorffs "Taugenichts" erinnert und dann entfaltet sich eine ähnliche und doch ganz andere wunderbare Geschichte:
Der 16-jährige Robert möchten das Leben jenseits seiner nordenglischen Heimat, einer grauen Stadt geprägt durch den Kohleabbau, kennenlernen. Er macht sich auf die Wanderschaft und bleibt schließlich bei der schon nicht mehr ganz so jungen Dulcie und ihrem Schäferhund Butler hängen. Mental und physisch ausgehungert, päppelt Dulcie den Jungen auf, ohne ihn zu bevormunden. Eine wunderbare Freundschaft entwickelt sich, mit Blick auf die offene See.
Die Geschichte beginnt mit Robert, der sich als alter Mann an seine Jugend erinnert. Diese kleine Rahmenhandlung umklammert die Geschichte am Anfang und am Ende.
Es gibt so viele Parallelen zu Eichendorffs bekanntem Werk. Im Zentrum stehen auch hier die Naturbetrachtungen, die sehr anrührend aus Roberts Sicht beschrieben werden, die Bürger-Künstler-Problematik und die Stellung der Frau. Neu ist die zeitliche Verortung direkt nach dem zweiten Weltkrieg, der die Menschen in Großbritannien immer noch im Griff hat. Die fehlenden Männer und anwesenden Kriegsversehrten, das rationierte Essen und die sich ändernde Gesellschaft sind nicht zu übersehen. Wie der Taugenichts der väterlichen Mühle entkommen möchte, flieht Robert vor der drohenden Arbeit unter Tage, die schon seit Generationen von den Männern seiner Familie ausgeübt wird.
Robert und Dulcie sind wunderbare Charaktere, die den Roman nahezu allein tragen. Robert geht unbekümmert und ein bisschen naiv in die Welt und hat viel vom Eichendorffschen Märchenhelden. Die Natur-, Landschafts- und Tierbeschreibungen sind sehr poetisch gelungen und es hat mir große Freude gemacht sie zu lesen. Die Geschichte hat mich sehr berührt und ich habe sie in kürzester Zeit durchgelesen. Die Frage, wie das Leben für Robert weitergeht, ob er seinen Vorfahren in den Kohleabbau folgen wird, hat durchaus für Spannung gesorgt. Und auch Dulcie trägt ein Geheimnis mit sich herum.
Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es lebt von leisen Tönen, poetischen Beschreibungen, Gedanken über die Welt, Wünschen und Realitäten. Das schlichte Cover, das für mich die Weite symbolisiert, passt hervorragend zum Inhalt. Das Buch wurde nicht umsonst zum "Liebling des Unabhängigen Buchhandels 2020" gewählt. Von mir gibt es fünf Sterne.
Es gibt Begegnungen die einen prägen, die das Leben ins wanken bringen oder es völlig verändern.
England, nach dem 2. Weltkrieg: Der 16-jährige Robert, Sohn eines Bergarbeiters, beschliesst auf Wanderschaft ...
Es gibt Begegnungen die einen prägen, die das Leben ins wanken bringen oder es völlig verändern.
England, nach dem 2. Weltkrieg: Der 16-jährige Robert, Sohn eines Bergarbeiters, beschliesst auf Wanderschaft zu gehen. Er hasst die Enge und sehnt sich nach der Weite des Meeres, demnächst eine Lehre „Unter Tage“ zu beginnen ist ihm ein Graus. Er zieht von Hof zu Hof, hilft hier und dort und verdient sich so sein Essen, welches in Europa noch immer knapp ist.
Eines Tages steht er vor dem Cottage der betagten Dulcie, die ihm einen Tee anbietet und zum Abendessen einlädt.
Dulcie ist eine unkonventionelle Frau, die nur ihren eigenen Regeln folgt. Aus einer geplanten Übernachtung entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft, die ein Leben anhalten wird.
Offene See
Benjamin Myers
Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Zimmermann
Benjamin Myers hat hier ein leises, poetisches und unglaublich kraftvolles Buch geschrieben.
Der Schreibstil ist so wunderschön, dass man einfach nichts lesen aufhören zu kann.
Benjamin Myers hat sich in diesem Jahr in mein Herz geschrieben. Seine Beschreibungen sind so detailliert und wunderbar beschrieben, dass ich das Gefühl hatte bei Robert und Dulcie am Tisch gesessen zu haben. Ich konnte den Hummer förmlich schmecken.
Große Buchempfehlung von mir. 4½ Sterne von mir.
"Es war Krieg gewesen, und obwohl der Kampf zu Ende war, tobte er noch immer in den Männern und Frauen, die ihn mit sich nach Hause genommen hatten.
Er lebte in ihren Augen weiter oder hing ihnen schwer um die Schultern wie ein blutgertränkter Umhang. Und er blühte in ihren Herzen, eine schwarze Blume, die dort Wurzeln geschlagen hatte und nie mehr ausgerissen werden konnte. […] Ich war weder alt genug, um mich zum Helden gemacht zu haben, noch jung genug, um den Wochenschaubildern entkommen zu sein oder den langen dunklen Schatten, die die heimkehrenden Soldaten wie leere Särge hinter sich herzogen. Denn niemand gewinnt einen Krieg, wirklich; manche verlieren bloß ein bisschen weniger als die anderen."
(Seite 14/15)
Inhalt:
England, 1946: Der Krieg ist vorbei, Europa erwacht zu neuem Leben, mit knurrendem Magen, weil das Essen knapp ist, aber mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Blick. Hoffnung hat auch der junge ...
Inhalt:
England, 1946: Der Krieg ist vorbei, Europa erwacht zu neuem Leben, mit knurrendem Magen, weil das Essen knapp ist, aber mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Blick. Hoffnung hat auch der junge Robert, als er sich nach der Schule aufmacht, um sein Kohlearbeiterdorf zu verlassen und in der Ferne Abenteuer zu erleben. In der Ferne trifft er auf die sonderbare Dulcie.
Dulcie ist eine Frau, die viel erlebt hat, viel abgibt, und wenig von sich preisgibt. Gemeinsam mit ihr erlebt Robert einen Sommer, der das Leben von beiden verändern wird, der ihm einen Weg in die Zukunft und ihr einen Weg aus der Vergangenheit weist.
Meine Meinung:
„Romantik ist nämlich nicht gleichbedeutend mit Herzschmerz und Rosen. Romantik ist Gefühl, und Romantik ist Freiheit. Romantik ist Abenteuer und Natur und Wanderlust. Sie ist Meeresrauschen und der Regen auf deiner Zeltplane und ein Bussard hoch über einer Wiese und das morgendliche Erwachen mit der Frage, was der Tag wohl bringen mag, um dann loszuziehen und es herauszufinden.“
Ich finde, in diesem Zitat beschreibt Benjamin Myers ziemlich gut, was sein Buch für mich ist: Romantische Literatur des 21. Jahrhunderts.
„Offene See“ steckt voll von Natur und Sommer und gutem Essen und Reiseerfahrungen und Abenteuerlust und Weltschmerz und Sehnsucht.
Ich gebe zu, anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in das Buch einzufinden. Ich musste mich an die Szenerie und an den Tonfall der Geschichte gewöhnen. „Wann passiert hier denn endlich mal etwas?“, habe ich gedacht, bis mir klar geworden ist, dass die ganze Zeit über etwas passiert und dass es mit dem Reisen ja auch im wahren Leben ganz ähnlich ist: Es braucht seine Zeit, ein bisschen Anlauf, ein bisschen Geduld, bis man in einen Fluss gerät. Bis man sich an das Unterwegssein gewöhnt hat.
Benjamin Myers Beschreibungen vom englischen Landleben, vom Meer und vom Sommer sind unglaublich schön und poetisch. Beinahe jeder Satz ist ein Genuss. Man merkt, dass die Worte mit großer Sorgfalt gewählt wurden. Und an dieser Stelle muss auch unbedingt die grandiose Übersetzung erwähnt werden, die es geschafft hat, die Prosa und auch die Lyrik in diesem Buch, so grandios gut ins Deutsche zu holen.
Ich finde, „Offene See“ ist ein zeitloses Buch, das man in alle Epochen übertragen kann. Die Atmosphäre ist märchenhaft, träumerisch, vielleicht auch etwas unwillkürlich. Es ist ein Buch, das man um das Lesens Willen lesen kann. Einfach, weil Lesen und Worte und Sprache so schön sind. Obwohl auf Handlungsebene tatsächlich wenig geschieht, ist am Ende doch kein Satz und kein Wort zu viel gewesen.
Das Ende hat mich außerdem im Herzen berührt. Ich bin jetzt, wo ich diese Rezension schreibe, immer noch ein wenig emotional, weil ich Robert und insbesondere Dulcie auf diesen 260 Seiten so lieb gewonnen habe, dass es mir nun schwerfällt sie in der Geschichte zurückzulassen. Aber die Geschichten, die wir lesen, bleiben ja auch auf irgendeiner Weise in unseren Atomen, nicht?
Fazit:
„Offene See“ ist ein ganz besonderes, zurecht so hoch gelobtes kleines Stück Literatur. Landliebe, zum Weinen schön. Sollte man gelesen haben.