„Wir bekommen alles, was wir wollen, genau zum richtigen Zeitpunkt, wie am Ende von so einem Teenie-Film. Aber wenn alles so perfekt ist, warum fühlt es sich so verkehrt an?“
(Keely in Very first time)
Worum geht’s?
Keely steht kurz vor ihrem Highschoolabschluss und freut sich, bald das College zu besuchen. Doch nachdem alle um sie herum bereits ihr erstes Mal hatten, fühlt sich die schüchterne Keely unsicher. Wieso flirtet niemand mit ihr, wieso ist sie noch Jungfrau? Als sie an ihrem neuen Arbeitsplatz den Collegestudenten Dean kennenlernt und sich in ihn verliebt, wird es plötzlich furchtbar kompliziert. Denn natürlich ist Dean bereits sexuell erfahren und Keely kann ihm auf keinen Fall sagen, dass sie noch Jungfrau ist. Also muss sie vorher üben. Und damit keine Gefühle oder verletztes Vertrauen im Spiel sind, fällt ihr hierfür nur eine Person ein: Ihr bester Freund Andrews. Ein bombensicherer Plan, oder?
Very first time ist ein Einzelband und in sich geschlossen.
Schreibstil / Gestaltung
Das Cover des Buches ist in weiß mit einem orange-pinken Kreis gehalten, der wie ein Sonnenuntergang aussieht. Zudem gibt es viele kleine Herzen, die wild verteilt sind. Es ist ein süßes, schlichtes Cover, was ansprechend gestaltet wurde. Das Buch verläuft linear und wird ausschließlich durch Keely in der Ich-Perspektive erzählt. Gelegentlich gibt es Chatnachrichten zwischen Keely und anderen Charakteren. Der Schreibstil ist locker und auch sprachlich für ein Jugendbuch angemessen. Das Buch enthält gelegentlich leichte Kraftausdrücke, jedoch keinen erotischen Inhalt.
Meine Meinung
Very first time ist eines dieser Bücher, bei denen man weiß, dass man eigentlich zu alt dafür ist. Mit fast dem doppelten Alter der vermeintlichen Zielgruppe bin ich von den Problemen wie Highschool-Abschluss und das erste Mal schon etwas entfernt. Dennoch greife ich gern zu solchen Büchern, auch als Abwechslung zum New Adult-Genre, wo es immer um tiefgründige, hochdramatische Geheimnisse geht. Das ist im Young Adult-Bereich anders und darum habe ich mich sehr auf diese Friends to Lovers-Geschichte gefreut. Aber wer zu hohe Erwartungen hat, der kann enttäuscht werden.
Das Buch startet mit Keely, die auf einer Party mitten in das erste Mal von ihrer Freundin Danielle und ihrem Mitschüler Chase stolpert. Peinlich berührt zieht Keely sich zurück, nur um wenig später miterleben zu dürfen, wie die Partymeute die Entjungferung feiert und wie schnell sich die Botschaft wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Erkenntnis, dass alle ihr erstes Mal schon hatten und Keely nicht einmal einen Freund hatte, trifft sie wie ein Schlag. Denn schon bald geht’s ans College und sie ist komplett unerfahren. Sie kann doch mit 18 nicht mehr Jungfrau sein! Als Keely kurz danach einen Job in einem Videoladen annimmt und dort auf den Collegestudenten Dean trifft, der Interesse an ihr zeigt, kriegt sie Panik. Denn Dean ist natürlich erfahren, so wie alle andere auch. Guter Rat ist teuer, bis Keelys Freundin Hannah auf die Idee kommt, dass Keely einfach üben soll – mit Andrew, Keelys bestem Freund seit Kindstagen und einer der größten Aufreißer an der Schule. Und Keely findet die Idee gut, denn sie vertraut Andrew und weiß, dass er sie nie vorführen würde. Außerdem sind ja keine Gefühle im Spiel, denn die beiden sind Freunde, auch wenn alle um sie herum schon seit Ewigkeiten behaupten, dass sie zueinander gehören…
Dieses Buch lässt mich etwas ratlos zurück und entsprechend ratlos fühle ich mich auch, etwas über das Buch zu erzählen. Fangen wir einfach vorne an: Der Einstieg fiel mir echt leicht und ich war schnell in der Geschichte drin. Leider habe ich mir aber so schnell auch gewünscht, wieder aus der Geschichte draußen zu sein. Denn bereits nach wenigen Seiten, wo das Thema „mit 18 NOCH!!! Jungfrau“ aufkommt, musste ich die Augen verdrehen. Keely und ihre Freundinnen unterhalten sich und immer wieder geht es darum, dass Keely mehr und mehr denkt, wie unglaublich peinlich es ist, noch Jungfrau zu sein. Sie hatte ja nichtmal einen Freund, weil niemand sie mal anflirtet. Natürlich sind alle um sie herum total sexuell aktiv, wechseln die Partner laufend (vor allem Andrew, der laut Keely quasi alle zwei Wochen eine andere hat) und gleichzeitig wird aber laufend darüber gelästert, wer es mit wem treibt. So kommt es auch, dass Danielle in der Schule öffentlich vorgeführt wird, nachdem sie Sex mit Chase hatte. Beleidigende Botschaften, Gerede auf den Fluren – die Botschaft wird zunehmend klar: Hast du keinen Sex, bist du peinlich. Hast du Sex, wirst du als Mädchen öffentlich gemobbt. Zwar war mir von Anfang an klar, wer hinter den Botschaften steckt und auch der Hintergrund hier ist eigentlich dazu geeignet, zum Nachdenken anzuregen, doch leider hat das Buch ein großes Problem: Jegliche wichtigen und kritischen Themen werden angeschnitten und dann begraben. Zwar versucht die Autorin zum Ende hin fleißig zu retten, was noch zu retten ist, aber es kommt nicht an. Nach über 250 Seiten mit wirklich fragwürdigen Botschaften für Jugendliche, die vielleicht noch Jungfrau sind und vielleicht sogar Angst vor ihrem ersten Mal haben, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen.
Hinzu kommt auch, dass zwischendurch eigentlich permanent darüber gesprochen wird, dass Jungs sowieso nicht anderes als Sex im Kopf haben, untereinander nur über ihre Eroberungen reden und auch hier gibt’s einige mehr als kritische Sätze, die in meinen Augen ein vollkommen falsches Bild auf Sex und sexuelle Handlungen für Leute vermitteln, die selbst ihre Sexualität gerade erst entdecken (oder wie soll man die Aussage, dass ein Mädchen gar nicht erst mit der Hand anfangen soll, das könne der Typ ja selbst, sie muss schon den Mund aufmachen ernsthaft gut finden?) So entstand zunehmend ein Auf und Ab. Immer wieder gab es Phasen, wo die Geschichte eigentlich ganz nett war und man etwas mitgefiebert hat – vor allem, da die Geschichte wirklich in jedem Punkt so vorhersehbar ist, dass einen nichts mehr überrascht, man aber endlich will, dass das Offensichtliche bei Keely ankommt. Dann kommen aber wieder solche Phasen, wo man nur die Augen verdrehen will, wahlweise Keely schütteln und einen anderen Beteiligten schlagen möchte oder das Buch vor Wut an die Wand donnern mag. Ich bin ganz ehrlich: Hätte mein 14-Jähriges Ich dieses Buch gelesen, wäre es wohl verunsichert und verängstigt gewesen. Die Charaktere sind teilweise für ihre 18 Jahre extrem kindisch, dann wieder extrem sexistisch. Auf der einen Seite wird sexuelle Selbstbestimmung gepredigt (Keely soll warten, bis es sich richtig anfühlt), gleichzeitig wird gepredigt, dass Jungfrausein schlimm ist (Keely soll Dean bloß nicht sagen, dass sie Jungfrau ist).
Dean. Ein sehr gutes Thema. Dean ist ein plötzlich auftauchender Love Interest, der anders als alle anderen Typen von der Highschool sofort Interesse an Keely bekundet. Wieso? Weiß man nicht. Dean ist so eindimensional, dass es wehtut. Es ist von Anfang an unsympathisch und man hat das Gefühl, Keely findet ihn nur toll, weil er so anders ist als die Highschooler. Dabei zeigt Dean unglaublich unangenehme Tendenzen, mehrfach macht er sich an Keely ran, obwohl sie nicht will. Er drängt Keely dazu, ihm das Versprechen zu geben, beim Abschlussball mit ihm zu schlafen. Gleichzeitig weiß er natürlich nicht, dass sie Jungfrau ist. Aber es wirkt so, als hätte Dean eben auch nur eine Agenda: Sex. Das Problem? Ich habe von Anfang an nicht verstanden, wieso er Keely so toll findet. Er ist komplett anders als sie, er interessiert sich kaum für die gleichen Sachen, er will eigentlich nur mit ihr rummachen, was sie aber ja zurückweist. Es war für mich einfach das Gefühl, dass hier unbedingt Drama generiert werden sollte, denn vor allem bringt Dean natürlich Andrew auf die Palme. Gleichzeitig wird Keely aber von den Mädels gefeiert, einen Collegeguy abgeschleppt zu haben. Es ist wirr und so wenig nachvollziehbar. Vielleicht war Dean nötig, um Keelys Plan zu begründen. Denn weil sie Dean auf keinen Fall ihre Jungfräulichkeit gestehen will, möchte sie vorher „üben“ und sich Dean dann als Profi präsentieren. Diese Entscheidung führt aber nur zu Problemen und belastet die Beziehung zu Andrew sehr, einfach weil Keely das mehr als offensichtliche nicht sieht. Selbst ein Holzhammer bringt da nichts und so hatte ich irgendwann nur noch Mitleid mit Andrew und war extrem genervt von Keely.
Das Ende des Buches konnte mich nach so vielen Seiten, wo irgendwie nichts passiert ist und alles so dahinplätscherte, überhaupt nicht begeistern. Es war wo drastisch überzogen. Es passiert zu viel auf einmal, was gleichzeitig auch dazu führt, dass die Sachen teilweise nicht angemessen ausdiskutiert und ausgearbeitet werden können. So verkommen einige doch eigentlich wichtige Botschaften zu Nebensächlichkeiten. Es ist ein Ende, was irgendwie zu dieser wirren Geschichte passt und vermutlich jedem Highschoolfilm Konkurrenz machen kann. Es war nicht stimmig und enthielt zu viele spontane Wendungen, dass ich mir deutlich mehr Tiefe gewünscht hätte. Vielleicht liegt es aber auch daran, weil für mich von Anfang an klar war, wie sich die Geschichte entwickelt und ich gehofft hatte, dass sie dann zumindest nicht so lachhaft theatralisch endet.
Abschließend muss ich zu den Charakteren sagen, dass mir diese bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht zugesagt haben. Allen voran ist Keely eine anstrengende Protagonistin, die mit ihrer naiven, unbeholfenen Art sehr schnell von niedlich zu unangenehm wechselt. Ihre Gedanken haben mich irgendwann wahnsinnig gemacht, auch wenn sie vielleicht den inneren Konflikt einer Person in diesem Alter ganz gut widerspiegeln könnten. Keelys Freundinnen verdienen – mit Ausnahme von Hannah – das Wort nicht. Sie ist alles abziehbildchenhafte Highschoolmädels wie aus Girls Club, die primär damit beschäftigt sind, sich gegenseitig fertig zu machen. Hannah ist die einzig Normale, die auch offen und ehrlich zu Keely ist, zugleich aber viel zu wenig vorkommt. Die Jungs im Buch – mit Ausnahme von Andrew und Dean – sind auch so richtig schön stereotypische Prolls, wie man sie aus Highschoolfilmen kennt. Nur Bier und Sex im Kopf, feuern sich permanent gegenseitig an und sind einfach nur unsympathisch. Andrew mochte ich anfangs leider auch nicht, dies entwickelte sich im Laufe der Story aber sehr. Denn je mehr man von ihm erfährt, desto toller findet man ihn – und desto mehr Mitleid hat man, dass er die anstrengende, betriebsblinde Keely ertragen muss. Zu Dean habe ich ja eigentlich schon alles gesagt, was zu sagen ist. Er war für mich aber vermutlich das Schlimmste am ganzen Buch.
Mein Fazit
Insgesamt muss ich sagen, dass Very first time wirklich viel Potenzial hatte, aber in meinen Augen nicht abliefern konnte. Mit für ein Jugendbuch doch schwierigen Aussagen, einer gewissen Drucksituation und seinen sehr stereotypischen Charakteren konnte diese sehr vorhersehbare Story leider auf wenigen Ebenen punkten. Das Buch lässt sich schnell lesen und ist zwischendurch auch immer wieder unterhaltsam und süß, aber im Großen und Ganzen stieß mir zu viel sauer auf, als dass ich das Buch genießen konnte.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]