Wie weit kann/sollte Liebe gehen?
Wenn ich ehrlich bin, hat es mir lang kein Buch mehr so schwer gemacht, eine Bewertung zu schreiben. Denn ich bin so zwiegespalten, so unsicher, was bestimmte Dinge angeht und wie ich sie wahrgenommen ...
Wenn ich ehrlich bin, hat es mir lang kein Buch mehr so schwer gemacht, eine Bewertung zu schreiben. Denn ich bin so zwiegespalten, so unsicher, was bestimmte Dinge angeht und wie ich sie wahrgenommen habe.
Aber zuerst: Das Cover! Ein absoluter Traum, ein krasser Eyecatcher. Ich liebe es. Noch mehr liebe ich, dass es sogar zu einer bestimmten Stelle im Buch passt 🍓
"Alles Gut" erzählt die Geschichte von Jess und Josh. Von zwei Personen, die kaum unterschiedlicher sein könnten und bei denen die Frage ist: bis zu welchem Grad ziehen sich bzw. sollten sich Gegensätze anziehen? Und da ist für mich dieses “wo ist die Grenze/wie weit kann Liebe gehen”, mit dem das Buch sehr viel spielt. Kann eine Schwarze Frau damit umgehen, wenn ihr Freund der Meinung ist, Trump ist kein Rassist? Sollte eine Schwarze Frau mit jemandem zusammen sein, der ihren Grundwerten widerspricht, den sie liebt? Verleugnet sie sich selbst? Ihre Herkunft? Ihre Werte? Oder ist es komplett egal, wenn es doch Liebe ist?
Das Buch ist in verschiedene Teile aufgeteilt und diese Teile sind eindeutig unterschiedlich stark. Während es teilweise seitenlang nur um verschiedene Finanzaspekte geht und man sich dezent verloren fühlt, geht es besonders im letzten Teil “zur Sache”. So viele Dinge, so viele Entwicklungen, so viel Ehrlichkeit. Ich hätte gerne mehr vom letzten Part gehabt.
Jess ist ein sehr spannender Charakter und ich hatte so viele Momente, in denen ich mir dachte “girl, run”. Aber sie ist nicht ich - und tbh, wer weiß, wie ich mich in so einer Situation verhalten würde. Ob ich mir nicht auch einreden würde, dass es nicht schlimm ist. Keine große Sache, dass wir politisch anderer Meinung sind. Und mit diesen Gedanken zu spielen, sich mit solchen Dingen weiterzuentwickeln, macht Jess sehr interessent. Nicht zuletzt, weil es nicht nur um ihre Beziehung sondern auch so viel mehr um ihre eigene Geschichte, ihre Selbstfindung, ihre Vergangeheit und ihren Platz in der Welt geht.
Josh ist nicht meine Art Mensch. Punkt. Ich finde ihn weder sympathisch, noch entwickelt sich sein Charakter in irgendeine Richtung. Er ist in sich selbst widersprüchlich und besteht doch so sehr auf seine “die MAGA-Kappe ist doch nur ein Joke, lol” Art, mit der er Jess, ihre Geschichte und die Ängste von Millionen an Menschen belächelt. Und I’m not sorry, bei so einer Beziehung kann ich einfach nicht im positiven Sinne mitfiebern.
Ich hab in einer Rezension auf Goodreads einen Vergleich zwischen der Erdbeerallergie und der Beziehung gesehen und für mich hat plötzlich alles so viel Sinn ergeben. Jess ist die Erdbeeren, trotz ihrer Allergie und den Konsequenzen daraus. Sie weiß, dass es ihr nicht gut tut. Und guess what, eine Beziehung mit jemandem, der komplett gegensätzliche Grundsätze hat, den man auf eine ungesunde Weise liebt, ist sehr gut vergleichbar mit der Erdbeerallergie. [credits an die random person auf goodreads, die das besser formulieren konnte].
Mein größtes Dilemma mit dem Buch ist leider auch einer der zentralsten: Die Liebesgeschichte und die Entwicklung von Jess, von Josh. Denn ganz ehrlich, ich kann mir keine Beziehung mit jemandem vorstellen, der so komplett andere moralische Vorstellungen hat. Der rassistisch ist, Trump wählt, ein Vorzeige-Republikaner ist und seine Partnerin & ihre Werte in den Dreck zieht. But that’s just me. Es ist so spannend zu sehen, wie sich Jess und Josh entwickeln. Wie die Grundlage auf einem “eigentlich hasse ich ihn und was er sagt” zu “ich ignoriere die Parts, die mir nicht gefallen und verliebe mich” bis hin zu einem [spoiler] ist. Und ich glaube, als weiße Person bin ich nicht genau die richtige Person, um die Handlungen von Jess komplett zu verurteilen/ zu bewerten.
Insgesamt ein sehr besonderes Buch, was mich sehr zum Nachdenken und zum Verzweifeln gebracht hat. Ein Buch, dass uns besonders im Jahr der US-Wahl erneut vor Augen führt, wie eine Welt mit Trump als Präsident aussieht. Was es für Konsequenzen hat. Und wie Beziehungen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen aussehen können.