Drama auf und abseits der Bühne
Im Kulturzentrum von Melbourne wird Samuel Becketts „Glückliche Tage“ aufgeführt, während außerhalb in den Bergen die Buschfeuer wüten. Drinnen verfolgen drei Frauen nicht nur das Stück auf der Bühne, ...
Im Kulturzentrum von Melbourne wird Samuel Becketts „Glückliche Tage“ aufgeführt, während außerhalb in den Bergen die Buschfeuer wüten. Drinnen verfolgen drei Frauen nicht nur das Stück auf der Bühne, sondern beschäftigen sich auch mit ihren eigenen Leben. Da ist die Literaturprofessorin Margot Pierce, Anfang 70, die mit ihrem Sohn Adam und mit ihrer Ehe mit dem dementen John hadert. Da ist die Kunstmäzenin Ivy Parker, Anfang 40, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Und da ist die Platzanweiserin und angehende Schauspielerin Summer (22), die sich Sorgen um ihre Freundin April macht…
„Die Feuer“ ist ein Roman von Claire Thomas.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus neun Kapiteln, jeweils drei für jede der drei Frauen. Erzählt wird im Präsens abwechselnd aus der Sicht von Margot, Summer und Ivy. Durchbrochen wird dieses Schema durch den Teil „Pause“, der wie ein Drama aufgebaut ist und sich auf Dialoge und Regieanweisungen beschränkt. Eine interessante und gut funktionierende Struktur.
Auch sprachlich hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist schnörkellos, aber eindringlich und intensiv. Die unterschiedlichen Perspektiven variieren auch in sprachlicher Hinsicht auf hervorragende Weise. Das Geschehen auf der Bühne und die Gedanken der Frauen werden kunstvoll verwoben.
Die drei Frauen sind recht unterschiedlich. Sie alle sind keine klassischen Sympathieträgerinnen, aber authentische und reizvolle Charaktere. Die Gedanken und Gefühle der Protagonistinnen lassen sich sehr gut nachvollziehen.
Thematisch wird ein breites Spektrum abgedeckt. Es geht um den Klimawandel, psychische Probleme, traumatische Erlebnisse, Gewalt und einiges mehr. Vor allem aber überdenken die drei Protagonistinnen ihre bisherigen Sichtweisen und ihre Leben, was Denkimpulse auslöst und mich ebenfalls zum Nachdenken angeregt hat. Zugleich werden sich in dem Roman einige Frauen wiederfinden können. Das Beckett-Stück bildet einen skurrilen, ja bizarren Rahmen und ist ein passender Hintergrund, der etliche Anknüpfungspunkte bietet.
Obwohl auf der Handlungsebene nicht viel passiert, entfaltet der Roman schon nach wenigen Seiten eine Sogkraft. Sie hält auf den rund 250 Seiten an.
Das künstlerisch anmutende Cover lässt sowohl an die Feuer als auch an die Frauen denken - eine gute Wahl. Der mehrdeutige deutsche Titel ist einerseits ansprechend, aber andererseits etwas irreführender als das englischsprachige Original („The Performance“).
Mein Fazit:
„Die Feuer“ von Claire Thomas ist ein eindringlicher und eindrucksvoller Roman. Eine empfehlenswerte Lektüre.