Vergeude keinen einzigen Tag
Wann sind wir eigentlich alt? So "senioren-alt"? Mit 60.? Oder später? Oder vielleicht nie?
Tilda steht kurz vor ihrem 60. Geburtstag und kann sich gar nicht mit der Idee anfreunden, bald zu den Senioren ...
Wann sind wir eigentlich alt? So "senioren-alt"? Mit 60.? Oder später? Oder vielleicht nie?
Tilda steht kurz vor ihrem 60. Geburtstag und kann sich gar nicht mit der Idee anfreunden, bald zu den Senioren gezählt zu werden. Als sie auch noch von ihrem Partner verlassen wird und ihre Arbeitssituation sich rapide verschlechtert, scheinen ihre Perspektiven für die Zukunft mehr als düster.
Da tritt Ruth als ihre neue Arbeitgeberin in ihr Leben. Mit 84 denkt sie noch lange nicht ans sterben, möchte aber doch ihr Leben nach einem schwedischen Verfahren ordnen. Zusammen mit der lebenslustigen Ruth entdeckt Tilda nach und nach, dass das Leben auch nach dem Überschreiten der 60 noch voller Überraschungen steckt.
Die ersten Seiten kaum gelesen und ich hatte Tilda bereits adoptiert. Sie ist so wundervoll normal und doch etwas ganz Besonderes. Da sie kurz vor ihrem 60. Geburtstag steht, ist ihr Verhalten zu Beginn des Buches von einer gewissen Torschlusspanik geprägt und den verständlichen Ängsten, wie es weitergehen soll, auch angesichts ihrer finanziellen Situation. Dagmar Hansen zeigt mit sehr viel Einfühlungsvermögen das Gefühlsleben eines von der Gesellschaft als Seniorin betrachteten Person, die selbst absolut noch nicht so fühlt und auch nicht fühlen will.
Ruth ist ebenfall ein toller Charakter. Willensstark, stolz, herzlich und doch hat auch sie ihre Fehler. Sie und Tilda ergänzen sich perfekt und geben zusammen viel Raum für lustige und auch ernste Momente.
Ich habe es sehr genossen, dass alle Hauptfiguren in diesem Roman bereits in einem leicht fortgeschrittenen Alter sind. Das kommt leider nicht so häufig vor und ich muss sagen, es fehlt mir sogar oft. Tilda und ihre fröhlichen Freundinnen und natürlich auch Ruth haben mich in die Welt der älteren Generation geführt. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, ich würde gerade über Personen aus meiner eigenen Familie lesen, so natürlich und nah an der Realität ist alles.
Dieser Realitätssinn zieht sich durch die Geschichte. Während Ruth ihr Leben nach schwedischen Rezept versucht zu ordnen, muss sie sich auch schwierigen Konflikten stellen. Eine Happy-End Lösung gibt es nicht immer und es darf auch am Ende etwas offen bleiben. So wie im richtigen Leben. Das hat mir sehr gefallen.
Dagmar Hansens Schreibstil, den ich bereits aus anderen Büchern kenne, hat mich auch dieses Mal wieder begeistert. Sie erzählt die Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen und einer guten Prise Humor. Ihre wunderbar bildhafte Ausdrucksweise hat die Szenen des Buches für mich lebendig werden lassen.
Die Geschichte und ihre Personen haben mir beim Lesen eine wahre Lebensfreude vermittelt. Die Botschaft am Ende ist klar: kein Geburtstag läutet das Ende des aktiven Lebens ein, ist er auch noch so rund. Wir sollten jeden Tag intensiv leben und aus ganzem Herzen genießen. Und manchmal ist es gut, den Stier bei den Hörnern zu packen, um Dinge in Ordnung zu bringen, die einem ein halbes Leben belastet haben.
Eine wunderbare Geschichte und eine klare Leseempfehlung.
Carpe Diem!
Vielen Dank an den rororo-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Dies hat meine Meinung in keiner Weise beeinflusst.