Von weitem erhob sich schließlich das dumpfe Dröhnen der amerikanischen Bomber. Allein an diesem Geräusch konnte Mathilda hören, wie tief sie flogen, doch der Hochnebel versperrte jede Sicht. Nur vage konnte sie abschätzen, wie nah die Flieger bereits herangekommen waren, bevor sie die dunklen Schemen im Hochnebel ausmachte. Unter den Flugzeugen wackelte etwas, klobige Dinger, die mit einer eirigen Bewegung herunterfielen.
Bomben!
Noch bei diesem Gedanken folgte die erste Detonation.
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INHALT:
Es ist der Sommer 1938, als Mathilda und Karl sich ineinander verlieben, nachdem sie lange befreundet waren - und es ist ebenjener Sommer, in dem er sie verlässt. Karl meldet sich freiwillig für die Wehrmacht und lässt Mathilda mit den Schrecken und Entbehrungen des Krieges zuhause zurück. Sie weiß nicht, dass es neben den fünf Jahren Altersunterschied noch etwas gibt, das ihre Liebe unmöglich macht - denn Karl hütet ein Geheimnis, das ihn zu Zeiten des Nationalsozialismus das Leben kosten könnte. So bangen beide umeinander, weit entfernt und nur verbunden durch verbotene Briefe, die sie sich schreiben. Und durch den Winterhonig, den er ihr einmal geschenkt hat und der sie immer an ihn erinnert.
MEINE MEINUNG:
Eigentlich dachte ich immer, um einen Historie-Roman zu mögen, muss man ein Fan des Genres sein - und das bin ich definitiv nicht. Eher versuche ich, diese Sparte nach Kräften zu ignorieren. Nach "Winterhonig" weiß ich nun aber, dass das vielleicht gar nicht notwendig ist, denn es kommt auf das Gesamtpaket an und das stimmt hier definitiv. Daniela Ohms besitzt einen wunderbaren, einnehmenden und detailreichen Schreibstil, der einen nicht nur das bäuerliche Leben der 40er kennen lernen lässt, sondern einen auch erschreckend realistisch in den Krieg entführt. Erzählt wird die Geschichte sowohl aus der personalen Sicht der Protagonistin als auch des Protagonisten, durchsetzt von den Briefen, die sie sich schreiben. Auch von Briefen innerhalb von Romanen halte ich normal gar nichts - hier fügt sich das aber wunderbar passend ein.
Mathilda ist eine Hauptfigur, die man sehr schnell in sein Herz schließt und gern auf ihrem schwierigen, entbehrungsreichen Weg begleitet. Als jüngstes von 10 Kindern hat sie es nicht einfach, wird teilweise sogar schlecht behandelt - und ist trotzdem ein offenherziges, liebevolles junges Mädchen. Abgesehen davon, dass sie ein bisschen zu viel weint, kann man sich vollständig mit ihr identifizieren. Auch Karl ist ein Sympathieträger mit seiner ruhigen, nachdenklichen Art und seiner immer währenden Hilfsbereitschaft. Die Faszination aller Mädchen kann man durchaus nachvollziehen. Aber auch an unterschiedlichen Nebenfiguren mangelt es nicht: Mathildas etwas grober und überforderter Vater, ihr wunderbar sanfter Bruder Joseph oder auch die freundliche und unterstützende Gutsbesitzerin Viktoria, sie alle zeichnen sich durch ihre ganz besonderen Eigenschaften aus. Und auch historische Persönlichkeiten kommen vor: So lernt man zum Beispiel die Brüder Boeselager in Aktion kennen, die auch in Wirklichkeit am Widerstand beteiligt waren.
"Winterhonig" spielt zur Zeit des 2. Weltkrieges und hat diesen daher natürlich auch zu einem großen Teil zum Thema. Aber der Roman handelt nicht nur von den Soldaten, ihren Kämpfen und ihren Toten, sondern auch von den Menschen, die nicht aktiv im Krieg sind - und diesen dennoch auf die ein oder andere Weise miterleben. Die Autorin macht auf einfühlsame Weise sehr deutlich, was für eine schwere Zeit das für jeden Bürger ist, der nicht vollkommen in Hitlers Fantasien aufgeht - und es gelingt ihr auch ebenso sensibel, das Ganze aus der Sicht eines Soldaten zu beschreiben, der für sein Überleben töten musste. Die Geschehnisse sind grausam und auch das nationalsozialistische Gedankengut spielt selbstverständlich eine Rolle, wenn Mathildas Familie davon auch weitestgehend unberührt bleibt. Es gibt viele Tote und viel Leid - und gerade deshalb ist es wohl auch gut, dass sich die Autorin dafür entschieden hat, dem Ganzen mit einer Liebesgeschichte einen zentralen und schöneren Faden zu geben.
Die Romantik ist weder kitschig noch steht sie zu stark im Vordergrund. Stattdessen entwickelt sie sich sehr langsam und wird immer wieder durch Rückblicke in Mathildas Kindheit näher beleuchtet - denn Karl und Mathilda kennen sich schon lange und anfangs war das nur eine unschuldige Freundschaft zwischen einem Kind und einem Jugendlichen. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen, ist berührend und mitreißend, sowohl in jungen Jahren als auch später in denen voller Liebe und Leidenschaft. Natürlich ahnt man Karls Geheimnis, das schon im Klappentext angedeutet wird, auch wenn es sich dann doch ein wenig von den Vermutungen abhebt. Letztendlich geht es auch viel weniger um das Rätsel als um das Leben und Überleben selbst und die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft trotz der Schwierigkeiten. Bis zum Ende fesselt die Geschichte durchgehend und lässt auch danach noch eine Weile nicht los - denn nachdem man Mathilda und Karl über so eine lange Zeitspanne begleitet hat, mag man sie kaum noch loslassen. Und genau das macht ein gutes Buch aus.
FAZIT:
"Winterhonig" ist ein historischer Roman und damit einer, um den ich normal einen Bogen gemacht hätte. Wem es ähnlich ergeht, der sollte sich das vielleicht noch einmal überlegen - denn Daniela Ohms erzählt die (teilweise wahre) Geschichte so lebendig, einfühlsam und mitreißend, dass man nur begeistert sein kann. Unbedingt ausprobieren! 4,5 Punkte.