Cover-Bild Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
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13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 12.02.2021
  • ISBN: 9783832165451
Delphine de Vigan

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin

Roman
Doris Heinemann (Übersetzer)

Mathilde lebt mit ihren drei Söhnen in einer kleinen Wohnung in Paris. Seit dem Tod ihres Mannes kümmert sie sich allein um sie und ist stolz auf das Resultat. Die Jungen sind selbstständig und kommen im Leben gut zu recht. Das kann Mathilde von sich nicht mehr behaupten. Bis vor einiger Zeit ist sie ihrer Arbeit mit großer Begeisterung nachgegangen. Doch seit Monaten verschlechtert sich ihre Arbeitssituation zusehends. Liegt es wirklich daran, dass sie ihrem Chef in einer Besprechung offen widersprochen hat? Wird sie deshalb von allen wichtigen Sitzungen ausgeschlossen? Und landen deshalb nur noch belanglose Aufgaben auf ihrem Tisch? Verzweifelt und mit den Kräften am Ende sucht sie eine Wahrsagerin auf. Die prophezeit ihr eine besondere Begegnung für den 20. Mai. Mathilde beginnt zu hoffen. Doch worauf? Auf das befreiende Gespräch mit ihrem Chef? Auf die Rückkehr ihrer alten Stärke? Oder auf die Begegnung mit einem ganz besonderen Mann? Der Tag der Prophezeiung bricht an …

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.07.2024

der 20. Mai ändert alles - oder doch nichts?

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Mathilde ist 40 und seit dem Unfalltod ihres Mannes vor zehn Jahren alleinerziehende Mutter von drei Söhnen. Durch diesen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen, ist es ihr doch gelungen, ihr Leben wieder ...

Mathilde ist 40 und seit dem Unfalltod ihres Mannes vor zehn Jahren alleinerziehende Mutter von drei Söhnen. Durch diesen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen, ist es ihr doch gelungen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Als starke, tatkräftige Frau bringt sie Kinder und eine gut bezahlte Stelle als stellvertretende Marketingdirektorin erfolgreich unter einen Hut. Doch dann beginnt ihr Vorgesetzter, mit dem sie immer gut zu Recht kam, ihr das Leben schwer zu machen.
Mathilde werden mehr und mehr Aufgaben entzogen, Informationen werden ihr vorenthalten, sie wird von ihren Kollegen isoliert, einem klärenden Gespräch weicht ihr Vorgesetzter aus.
Thibault hat, ebenfalls wegen eines Schicksalsschlags in jungen Jahren, seinen Plan, Chirurg zu werden, aufgeben müssen und hetzt als Rettungsarzt durch Paris, von einem Patienten zum nächsten. Er trifft auf viele einsame Menschen, aber auch auf knallharte Geschäftsleute, die sich die Ärzte ins Büro rufen, um Zeit zu sparen. Von seiner Geliebten Lila, hat er sich getrennt, da sie Thibaults Gefühle nicht wirklich erwidert, sondern eher gleichgültig in der Beziehung ist.
Laut der Prophezeiung einer Wahrsagerin, ist der 20. Mai der Tag, an dem es zu einem Wendepunkt in Mathildes Leben kommen soll. Es ist auch der Tag, an dem sich Thibault von Lila trennt. Delphine de Vigan erzählt wie Mathilde und Thibault diesen Tag erleben, zwei Menschen, die zwar in derselben Stadt wohnen, sich aber nie über den Weg gelaufen sind und beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, auf einen Burn-Out zustreben.
Delphine de Vigan hat einen großartigen Schreibstil, klar und zurückgenommen, aber doch gefühlvoll. Das Buch nahm mich schon nach wenigen Seiten gefangen und ich habe mit Mathilde und auch Thibault mitgelitten und ihre Verzweiflung nachfühlen können. Auch die Vereinsamung des modernen Menschen in der aktuellen Gesellschaft war fast körperlich spürbar.
Ein absolut lesenswertes Buch und eine klare Leseempfehlung. „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist sicher nicht das letzte Buch von Delphine de Vegan, das ich gelesen habe.

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Veröffentlicht am 19.06.2024

Am 20. Mai in Paris

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An diesem Tag, so die Wahrsagerin, wird sich das Leben von Mathilde ändern, ein Mann werde sie erlösen. Die alleinerziehende Witwe mit drei Kindern befindet sich seit Monaten in einer Abwärtsspirale. Schritt ...

An diesem Tag, so die Wahrsagerin, wird sich das Leben von Mathilde ändern, ein Mann werde sie erlösen. Die alleinerziehende Witwe mit drei Kindern befindet sich seit Monaten in einer Abwärtsspirale. Schritt für Schritt wurde aus ihrem erfüllten Berufsleben ein Martyrium. Nur mühsam kann sie die täglichen Aufgaben außerhalb des Büros erfüllen, hat den Kontakt zu ihren Freunden nahezu komplett abgebrochen. Sie steht kurz vor einem Burnout oder schlimmerem. "In Paris wirft sich alle vier Stunden ein Mann oder eine Frau vor die Metro." (S. 57)

Thibault, Notfallarzt in Paris, fühlt ähnlich. Die tägliche Fahrerei quer durch die überfüllte Metropole zu Notfällen, das Leiden der anderen, die eigene Leere, zermürben ihn.

Wir begleiten die beiden an diesem 20. Mai durch Paris und schauen tief in ihr Inneres. Die Stadt zeigt sich von ihrer unschönen Seite, kein Glamour, keine Boulevards, kein Luxus. Die Geschichte hat mich sofort gepackt und ich habe sie in einem Rutsch zu Ende gelesen. Die Erzählzeit ist hier Präsens, nicht wie üblich Präteritum, und so wird eine Unmittelbarkeit erzeugt, die einen ganz starken Sog ausübt. Die Autorin schreib klar, häufig in kurzen Sätzen, so treibt sie den Tag und die Handlung voran, es bleibt durchweg spannend. Was wird an diesem Tag passieren?

Ich habe bereits mehrere Bücher von De Vigan gelesen und sie haben mir alle sehr gut gefallen, dieser Roman ist keine Ausnahme. Wie die Autorin Gesellschaftskritik betreibt und das stückweise Demontieren einer Frau durch ihren Vorgesetzten darstellt, ist wirklich gelungen und hat mich so wütend gemacht . Auch finde ich es glaubhaft, dass Mathilde das Mobbing zunächst nicht als solches wahrnimmt und dann, in der Annahme, dass sich alles schon wieder einrenken werde, ignoriert, bis es zu spät ist. Eine große Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Keine leichte Kost, aber SEHR SEHR GUT !!!

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Zugegeben, leichte Kost ist das Buch nicht.
Aber ich fand es einfach GROSSARTIG geschrieben ... ich bekam oft Gänsehaut bei der bloßen Vorstellung, was Mathilde da erlebt.

Der Schreibstil hat mir sehr ...

Zugegeben, leichte Kost ist das Buch nicht.
Aber ich fand es einfach GROSSARTIG geschrieben ... ich bekam oft Gänsehaut bei der bloßen Vorstellung, was Mathilde da erlebt.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, manche Stellen hab ich mir sogar markiert.
Aber das ist wohl Geschmackssache.

Hier zwei kleine Leseproben:

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"Während Patricia Lethu schwieg, dachte Mathilde, dass es Mitgefühl eigentlich erst in dem Augenblick gebe, in dem man sich im anderen erkenne, in dem Moment, in dem einem bewusst werde, dass alles, was den anderen trifft, auch uns zustoßen kann, genauso, mit derselben Gewalt, derselben Brutalität."

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"Sind wir für das verantwortlich, was uns zustößt? Sieht uns das, was uns zustößt, immer irgendwie ähnlich?"
...
"Glauben Sie, man fällt einer Sache zum Opfer, weil man schwach ist, weil man es eigentlich will, weil man sich, auch wenn es unverständlich erscheint, dafür entschieden hat? Glauben Sie, das sich bestimmte Personen, ohne dass sie es wissen, selbst als Zielscheibe anbieten?"

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Das Buch ist sicher nichts für oberflächliche Leser, der Schluss lässt viele Fragen offen.
Aber wer sich auf das (meiner Meinung nach) tiefsinnige Werk einlässt, wird sicher nicht enttäuscht werden.
Ich kann den Roman nur empfehlen!

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Veröffentlicht am 30.05.2022

Beeindruckend, unerwartet, krass

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„Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ von Delphin de Vigan ist im Februar 2021 im Verlag DuMont erschienen. Der Roman umfasst in der Taschenbuchausgabe 256 Seiten.

Die Autorin Delphine de Vigan ...

„Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ von Delphin de Vigan ist im Februar 2021 im Verlag DuMont erschienen. Der Roman umfasst in der Taschenbuchausgabe 256 Seiten.

Die Autorin Delphine de Vigan bedient sich in ihrem Buch zweier Handlungsstränge. Zum einen erzählt sie von Mathilde, die ihren Mann verloren hat und nun alleinerziehend drei Söhne großziehen muss. Dies gelingt ihr gut und zudem geht sie auch noch pflichtbewusst und mit großer Kompetenz ihrem Beruf nach. Sie hat ihr Leben gut im Griff. Doch von einem Tag auf den anderen entzieht ihr ihr Chef den Handlungsspielraum immer mehr, schließt sie aus der Kommunikation aus und sie wird immer fieser gemobbt. Ihr Leben beginnt ihr zu entgleiten und sie ist dem hilflos ausgeliefert, sie zweifelt, macht sich klein, zieht sich zurück, ist erschöpft. Eines Tages sucht sie eine Wahrsagerin auf, die ihr prophezeit, dass sich am 20. Mai etwas Entscheidendes ereignen wird...
Der zweite Handlungsstrang erzählt von Thibault, der sich in einer unglücklichen Beziehung befindet und diese für sich selbst beenden muss. Er liebt zu sehr, sie zu wenig.
Eine Begegnung von Mathilda und Thibault scheint für den Leser wahrscheinlich, doch ...

Delphine de Vigan gelingt es in ihrem Roman den Leser durch ihren feinfühligen und fesselnden Schreibstil in den Bann zu ziehen. Ich als Leserin fühlte so ab der ersten Seite sowohl was die Höhen als auch die Tiefen von Mathilda und Thibault anbelangt, mit und konnte mich gut in die Protagonisten hineinversetzen und ihre Gefühle und Gedanken nachvollziehen.
Die Autorin beschreibt das Thema „Mobbing am Arbeitsplatz“ und lässt den Leser die Gefühle der Hilflosigkeit, Einsamkeit, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit sehr nah erleben. Aber auch der Lieblosigkeit, von der Thibault betroffen ist, hat mich als Leserin berührt und teilweise entsetzt das Buch aus der Hand legen lassen. Beim Lesen ist oft eine Schwere direkt spürbar und man meint fast, davon erdrückt zu werden. Aber dies macht in meinen Augen auch den Reiz des Romans aus. Es ist sicherlich keine leichte Lektüre und man hofft als Leser natürlich auf ein bewegendes Ende für Mathilda und Thibault gemeinsam.
So viel sei zum Ende schon verraten: es ist richtig gut gemacht!

Fazit: Ein eindrücklicher Roman mit starken und modernen Protagonisten.
Es war für mich ein berührendes Erlebnis, dieses Buch zu lesen und in die Welt von Mathilda und Thibault einzutauchen.

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Veröffentlicht am 12.02.2021

Delphine de Vigan - Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin

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Am 20. Mai wird sich alles ändern, etwas Großes steht bevor. Das zumindest hat die Wahrsagerin Mathilde prophezeit. Nun ist der Tag gekommen und die Witwe und dreifache Mutter geht ihm gespannt entgegen. ...

Am 20. Mai wird sich alles ändern, etwas Großes steht bevor. Das zumindest hat die Wahrsagerin Mathilde prophezeit. Nun ist der Tag gekommen und die Witwe und dreifache Mutter geht ihm gespannt entgegen. Doch zunächst ist alles wie immer: Métro und RER verspätet, dann verstopft, dazu noch eine Frau, die beinahe vor ihr kollabiert. Viel zu spät kommt sie zur Arbeit, nur um dann festzustellen, dass eine Kollegin jetzt in ihrem Büro sitzt und sie in das fensterlose Kabuff neben der Toilette ziehen muss. Es hatte sich abgezeichnet, seit Monaten schon war die Stimmung zwischen ihr und ihrem Chef vergiftet. Zeitgleich eilt Thibault durch die Stadt. Auch sein Tag hat mäßig begonnen, denn endlich hat er sich von Lila getrennt, die dies kommentarlos akzeptierte. Nun hetzt der Notfallmediziner von Patient zu Patient, erschöpft und kurz davor, selbst zusammenzubrechen. Die Wege der beiden kreuzen sich immer wieder, doch werden sie sich begegnen und die Vorhersage wahr werden lassen?

Delphine de Vigans Roman ist im Original bereits 2009 erschienen und stand im selben Jahr in der letzten Runde um den Prix Goncourt. Auch die Verfilmung aus dem Jahr 2015 wurde positiv aufgenommen und mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Autorin fängt in ihrer Geschichte das typische Pariser Großstadtleben ein: métro, boulot, dodo. Die beiden Protagonisten sind lange im öffentlichen Raum unterwegs, ohne dort jedoch die Menschen um sich wirklich wahrzunehmen und werden dabei selbst ebenso unsichtbar; die Arbeit nimmt nicht nur den Großteil des Tages, sondern auch der Emotionen und Gedanken ein; das Privatleben kommt chronisch zu kurz, weshalb Beziehungen kaum gepflegt und notwendige Entscheidungen immer wieder verschoben werden.

Neben der Frage, wann bzw. ob Mathilde und Thibault sich begegnen, steht vor allem der Konflikt zwischen Mathilde und ihrem Vorgesetzten Jacques im Fokus der Handlung. Aus für sie nicht nachvollziehbaren Gründen hat er sie im Laufe der vergangenen Monate isoliert, immer mehr Verantwortung anderen übertragen und sie systematisch vom Kommunikationsfluss abgeschnitten. Es ist Mobbing der schlimmsten Art, was er betreibt und die Folgen zeigen sich bei Mathilde: sie ist erschöpft, schläft nicht mehr und schon der Gedanke an die Arbeit bereitet ihr Unwohlsein. Die Personalchefin ist keine Hilfe, die Kollegen haben selbst zu viel Sorge um ihren Job als dass sie ihr zur Seite stehen würden und Jacques verweigert jedes Gespräch, so dass der Grund für sein Verhalten im Dunkeln bleibt.

Thibault wiederum hatte sich bewusst gegen das Dasein als Hausarzt entschieden und doch trifft er manche Patienten, die die Notfallnummer wählen, immer wieder. Es sind die Einsamen, die Alten, für die der Besuch des Arztes oft ihr einziger menschlicher Kontakt ist. Auch das sind Abgründe der Stadt, vor denen gerne die Augen verschlossen werden, weil sie niemand sehen möchte. So sehr er seinen Beruf liebt, diese Begegnungen laugen ihn aus.

Die Handlung oszilliert zwischen den beiden und je näher man ihnen kommt, desto mehr wünscht man ihnen, dass die einsamen Seelen sich treffen und finden und die Leere des jeweils anderen füllen können. Authentisch und überzeugend fängt Delphine de Vigan die Einsamkeit unter Millionen von Menschen ein, sie schildert ein Leben, in dem die Menschen funktionieren und gar nicht die Zeit finden, ihr Dasein und den Sinn ihres Lebenskonstrukts zu hinterfragen. Der Großstadtlärm übertönt diese Fragen und ebenso die kaum hörbar leise schlagenden einsamen Herzen.