Roman | Von der Autorin des Welterfolgs »Meine geniale Freundin«
Karin Krieger (Übersetzer)
Neapel in den Neunzigern, Giovanna ist dreizehn Jahre alt, die Vorzeigetochter kultivierter Mittelschichtseltern, eine strebsame Schülerin. Doch plötzlich verändert sich alles, ihr Körper, ihre Stimmung, die Noten brechen ein, und immer öfter gerät sie mit ihren Eltern aneinander. Zufällig kommt Giovanna der Vorgeschichte ihres Vaters auf die Spur, der aus einem ganz anderen Neapel stammt, einem leidenschaftlichen, vulgären Neapel. Dort treibt sie sich herum, aber die Geheimnisse, auf die sie da stößt, verstören sie. Und als sie bei einem Abendessen bemerkt, wie ein Freund der Familie unterm Esstisch zärtlich die Füße ihrer Mutter streift, verliert sie vollends die Fassung. Denn wem kann sie überhaupt noch trauen? Und was soll ihr Halt geben? Oder ist sie selber bereits unrettbar verwoben in dieses lügenhafte Leben der Erwachsenen?
Elena Ferrante hat ein Bravourstück geschaffen und einen traurigen und schönen Roman geschrieben: über die Heucheleien der Eltern, die Atemlosigkeiten und Verwirrungen der Jugendzeit und über das Drama des Erwachsenwerdens. Darüber, wie es ist, ein Mädchen zu sein und eine Frau zu werden.
Wem die Bücher von Elena Ferrante schon bekannt sind, begibt sich mit dieser Geschichte auf vertrautes Terrain. Erneut ist sie in Neapel angesiedelt und spielen dortige Klassenunterschiede seiner Bewohner ...
Wem die Bücher von Elena Ferrante schon bekannt sind, begibt sich mit dieser Geschichte auf vertrautes Terrain. Erneut ist sie in Neapel angesiedelt und spielen dortige Klassenunterschiede seiner Bewohner eine wichtige Rolle.
Protagonistin ist die anfänglich 13jährige Giovanna, die einer intellektuellen bürgerlichen Mittelschichtfamilie entstammt. Zunächst erleben wir sie ganz in der Rolle eines gut geratenen und wohlerzogenen Kindes, das seine Eltern für perfekt hält. Mit fortschreitender Geschichte beginnt sie gegen ihre Eltern zu rebellieren, um dann mit 16 zur Erwachsenen zu werden, die ihre Eltern nicht mehr braucht. Interessant ist der Anstoß für diese Entwicklung – sie belauscht ein Gespräch ihrer Eltern, in dem der Vater sagt, Giovanna sei hässlich und werde seiner eigenen, mit ihm in Fehde lebenden Schwester Vittoria immer ähnlicher. Das ist Anlass für Giovanna, den Kontakt zu ihrer Tante zu suchen, die der Arbeiterklasse angehört und ihr erstmalig die Wurzeln ihres Vaters verdeutlicht. Giovanna ist zusehends fixiert auf Vittoria und dem Leser geht es bald wie ihr. Wessen Darstellung über die Vergangenheit soll sie glauben – der ihres geliebten Vaters oder der ihrer derben Tante, in deren Schicksal sie ihr eigenes erkennt? Wer von ihnen manipuliert? Und auch anderen Erwachsenen in ihrem Umfeld kann sie nicht mehr so recht trauen.
Zunächst hat mich das Buch wirklich begeistert. Dann allerdings uferte es in einige Längen aus und waren schwer zu verstehende Diskussionen einiger intellektueller Romanfiguren mit Giovanna eingestreut, die ich als nicht recht passend zu einer Jugendlichen empfand. Daher dann auch „nur“ eine Vier-Sterne-Bewertung.
Neapel in den 90-igern: Vorzeigetochter und Musterschülerin Giovanna ist dreizehn Jahre alt. Als sie ein Gespräch ihrer Eltern mit einer grausamen Bemerkung ihres Vaters über sie hört (sie werde ...
Neapel in den 90-igern: Vorzeigetochter und Musterschülerin Giovanna ist dreizehn Jahre alt. Als sie ein Gespräch ihrer Eltern mit einer grausamen Bemerkung ihres Vaters über sie hört (sie werde hässlicher und hässlicher), verändert sich ihr wohlbehütetes Leben mit einem Schlag. Ihr Selbstbild und ihr Selbstvertrauen beginnt zu wanken. Sie hat schwer mit sich zu kämpfen. Sie bewegt sich nun in anderen Reihen und lernt das andere Leben in Neapel kennen: Dreck, Bildungsmangel, Lärm und wild ausgelebten Emotionen. Bei ihrer Suche nach Identität kommt sie auf ihre Tante - eine sehr auffallende und einprägsame Persönlichkeit.
Die Stärke des Romans ist es, dass man tiefe Einblicke in das Leben von Giovanna erhält - man darf sie auf ihrem Weg zum Erwachsen werden begleiten. Desweiteren geht es auch um die Tragik in der Familie - man kann den Verfall von Seite zu Seite regelrecht spüren.
Der Schreibstil ist typisch Ferrante - hier wurden die Erwartungen definitiv erfüllt.
Ein gutes und unterhaltsame Buch über einen der wichtigsten Parts im Leben - ich finde es äußerst interessant geschrieben. Das Buch kann ich definitiv weiterempfehlen.
Nach der Neapel-Tetralogie "Meine geniale Freundin" hat es dieser neue Roman wirklich schwer, denn er muss indirekt mit dem dem Weltbestseller konkurrieren und die Erwartungen sind verhältnismäßig groß. ...
Nach der Neapel-Tetralogie "Meine geniale Freundin" hat es dieser neue Roman wirklich schwer, denn er muss indirekt mit dem dem Weltbestseller konkurrieren und die Erwartungen sind verhältnismäßig groß. Diesmal ist keine spannungsvolle Frauenfreundschaft im Zentrum sondern ein einziges Mädchen, dass in den 90er Jahren von einem jungen Mädchen zur jungen Frau heranreift.
Giovanna, wohlerzogene Tochter zweier Gymnasiallehrer rebelliert gegen ihnen und versucht ihre Scheinmoral zu offenbaren indem sie zu ihrer von den Eltern verhasste Tante zieht und alles tut, was sie vom Blickwinkel der anständigen Tochter entfernt.
Die brave naive Giovanna experimentiert mit Freundschaften und Liebesbeziehungen und lernt das leben nicht nur von seiner romantischen, sondern auch von seiner zerstörerischen Art kennen.
Obwohl ich von der Tetralogie der Autorin begeistert war und dieser Roman an Erstere meiner Meinung nach nicht ankommt, gab es doch Parallelen zu "Meine geniale Freundin. Der Schreibstil ist wieder einmal sehr lebendig geschrieben und hat mich nach Italien mitgenommen. Qualitativ also recht hoch doch die Stärke seines Vorgängers erreicht der Roman nicht.
In ihrem neuen Roman „ Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ der Bestsellerautorin Elena Ferrante wird die Geschichte der jungen Protagonistin Giovanna erzählt. Aus ihrer Perspektive erfährt der Leser ...
In ihrem neuen Roman „ Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ der Bestsellerautorin Elena Ferrante wird die Geschichte der jungen Protagonistin Giovanna erzählt. Aus ihrer Perspektive erfährt der Leser ihren Werdegang vom Kind zur Frau mit allem was dazugehört in der Pubertät.
Durch Zufall hört sie ein Gespräch mit an, welches ihr zukünftiges Leben verändern wird und sie sich dadurch immer mehr von ihrer Familie löst.
Die Schreibweise der Autorin ist wie in ihren vorherigen Werken flüssig aber auch gefüllt mit langen Schachtelsätzen. Die Sprache ist abwechslungsreich gespickt mit gesitteten und perfekten bis hin zu teils vulgären, ordinären Worten.
Dass das Buch ein offenes Ende hat, fand ich bei diesem Thema passend.
Es ist ein interessantes Buch, welches ich gern weiterempfehlen kann
Das lügenhafte Leben der Erwachsenen von Elena Ferrante ist eine faszinierende, aber keine schöne, Reise durch die Untiefen weiblichen Heranwachsens mit allem, was dazugehört. Giovanna, genannt Giannì, ...
Das lügenhafte Leben der Erwachsenen von Elena Ferrante ist eine faszinierende, aber keine schöne, Reise durch die Untiefen weiblichen Heranwachsens mit allem, was dazugehört. Giovanna, genannt Giannì, sucht durch den Kontakt mit anderen Menschen nach sich selbst, verliert und erfindet, missversteht und erkennt sich dabei immer wieder aufs Neue.
Mag ich Giovanna? Das ist die Frage, die mich beschäftigt. Und die Antwort darauf lautet: Nein. Ein klares, kategorisches Nein. Es gibt nichts, was mir an ihr gefällt – so wie ihr selbst eigentlich auch nichts an ihr gefällt. Kann ich Giovanna verstehen? Ja, sehr häufig sogar.
Der Name Elena Ferrante war mir zwar geläufig, gelesen hatte ich aber bisher keinen ihrer Romane, daher habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten, stehe außerhalb des #FerranteForever-Hypes und konnte mich sehr unvoreingenommen daran machen, ihre Protagonistin Giovanna auf dem steinigen Weg durch das Alter von 13-16 zu begleiten. Was Ferrante hier gelungen ist, verdient Hochachtung, denn sie versteht es aufs Überzeugendste, die Zerrissenheit, Orientierungslosigkeit, Einsamkeit, Ausgeschlossenheit, Neugier, Erkenntnis, Eigenständigkeit und Hilflosigkeit des Heranwachsens einzufangen. Die Verwirrungen der Teenagerzeit, das Desinteresse am Leben, die Enttäuschung gegenüber den Eltern, all dies wird von der Autorin gnadenlos, atemlos und tabulos durch eine ungeschönte Innensicht auf ihre Protagonistin geschildert. Der Leser ist unglaublich nah an Giovanna dran, die sich selbst nur selten schont, auch wenn sie sich selbst nicht immer versteht. Diese sehr authentische Darstellung der Introspektion einer Heranwachsenden ist allerdings nicht der Glanzpunkt des Romans, es ist vielmehr die graduelle Weiterentwicklung der Protagonistin durch diese Einblicke in ihr eigenes Ich. So sieht man sich als Leser am Ende des Roman fast staunend einer erwachseneren Giovanna gegenüber, aber weiß kaum mehr, wie sich diese Reifung eingeschlichen hat – nur, dass sie eben allmählich passiert ist. Giovannas Konzeption und ihre Darstellung sind rundum gelungen. Selten gibt es so realistische, authentische, verstörte und dabei nachvollziehbare Romanfiguren wie sie.
Sprachlich (und auch inhaltlich) gleitet der Roman in dem Wunsch, die unterschiedlichen sozialen Hintergründe überzeugend darzustellen, ab und an ins Vulgäre ab. Derbe Sprache und Handlungsteile sind nicht mein Fall, aber in diesen Roman sind diese Aspekte sinnvoll in die Erzählung integriert und notwendig, um die Frage nach Herkunft und Weiterentwicklung aufzuzeigen. Die beiden Einflussgrößen, die von Giovannas Heranwachsen prägen, werden durch ihre Tante Vittoria und ihren Vater bzw. den Studenten Roberto repräsentiert. Diese Nebenfiguren polarisieren in gewisser Weise, vor allem, weil sie im Gegensatz zu Giovanna und dadurch, dass die Wahrnehmung dieser Figuren ausschließlich durch Giovannas Ich-Perspektive gefiltert wird, zu simpel, zu einfach sind, wie im Übrigen alle Nebenfiguren des Romans. Giovanna schreibt jeder Figur nur bestimmte Handlungsmöglichkeiten und Charakteristika zu, sie hinterfragt diese nur sehr begrenzt und ist auch nicht an ihren Motiven interessiert. So tritt durch die wenig komplexe Nebenfigurendarstellung die grenzenlose Ich-Bezogenheit der Heranwachsenden auch erzählerisch zutage – und wird so zu einem kleinen Meisterstück.
Darüber hinaus erfüllt der Roman auch sonst alle Kriterien, die es für einen (weiblichen) Bildungsroman braucht: zahlreiche Mentorenfiguren, an denen sich die Protagonistin ausrichtet (lediglich der Uneigennutz dieser Figuren muss angezweifelt werden), eine Reise, die zu Erkenntnis führt, unerfüllte Liebe, die Diskussion der eigenen, angeblich mangelnden Attraktivität (das ist ja bereits seit Charlotte Brontës Jane Eyre DAS Thema in der weiblichen Entwicklung), das Auflehnen gegen Autorität usw. Dies ist alles sehr überzeugend, aber auch sehr konventionell – fast schon klassisch – aufbereitet, und birgt daher nicht zu viele Überraschungen und auch das immer wieder zentral gestellte Armband kommt als Symbol nicht besonders raffiniert daher – da wäre sicherlich mehr möglich gewesen.
Der Roman hat mich unterhalten, interessiert, einen Lesesog entfaltet, aber hat mich auch manchmal abgestoßen. Am Ende stelle ich fest: ich habe das lügenhafte Leben aufgesogen, aber „schön“ in der reinsten Form des Wortes war es nicht. Ich mag den Roman nicht einmal besonders, aber gut ist er.