Ein neues Leben kann du nicht anfangen, aber täglich einen neuen Tag (Thoreau)
Was bleibt vom Leben, wenn Hunger, Kälte und der Vater fehlen ? Noah ist gerade einmal elf Jahre alt, als er die bittersten Erfahrungen machen muss, die ein Kind überhaupt machen kann. Sein Vater wird ...
Was bleibt vom Leben, wenn Hunger, Kälte und der Vater fehlen ? Noah ist gerade einmal elf Jahre alt, als er die bittersten Erfahrungen machen muss, die ein Kind überhaupt machen kann. Sein Vater wird als Verräter bezichtigt und verurteilt und das wenige, was die Familie noch besitzt, wird beschlagnahmt. Geächtet und getrieben vom quälenden Hunger versucht Noah, im näheren Umkreis noch etwas Essbares für seine Mutter und seine Geschwister aufzutreiben. Als Jakobine ihm etwas zu essen gibt, passiert etwas mit Noah, dass ihn immer wieder an das Mädchen denken lässt. Jahre später ist Noah ein junger Mann geworden, der versucht, sich etwas aufzubauen. Seine Gedanken schweifen immer wieder zu dem Mädchen von damals und er fragt sich, was aus ihr geworden ist...
Diese Buch geht so dermaßen unter die Haut und hinterlässt tiefe Spuren, dass es mitunter schwer fällt, die Kapitel in einem Rutsch zu lesen. Getragen von den aktuellen Bildern aus dem Ukrainekrieg ist die Not und das Elend aus der Geschichte noch mehr zu spüren und allgegenwärtig. Ella Zeiss transportiert die Bilder aus ihrem Roman, die sich unweigerlich mit den Aufnahmen aus dem Tagesgeschehen vermischen und sorgen dafür, dass die Leser:innen aufgewühlt und zutiefst betroffen dieses Buch lesen, die ein oder andere Träne inbegriffen.
Noah ist ein unglaublich eifriger kleiner Kerl, der schon früh lernen muss, die Last des Lebens auf seinen jungen Schultern zu tragen. Sein unermüdlicher Einsatz, seine anhaltende Hoffnung und sein ungebrochener Hunger auf das Leben selbst lassen ihn immer wieder das Unmögliche möglich machen und er treibt ein wenig Nahrung auf, um die größte Not abzuwenden.
Glaube und Zuversicht sind die Säulen, die ihn tragen, aber auch diese letzte Stütze wird ihm vom Staat genommen. Es sind menschenunwürdige Szenen, die Ella Zeiss hier schildert und die das ganze Elend sicht- & fühlbar machen. Immer, wenn man denkt, jetzt erscheint ein Licht am Horizont, tritt das Schicksal unbarmherzig nach und lässt dieses Strohhalm knicken.
Die Entwicklung von Noah wird sehr authentisch beschrieben und die Autorin macht es ihren Leser:innen sehr einfach, um gemeinsam mit Noah die schwere Zeit zu durchleben und mit ihm vom Kind zum jungen Erwachsenen zu reifen.
Auch die zarten Bande, die sich zwischen ihm und Jakobine knüpfen, sein beruflicher Werdegang und schließlich der große Knüppel, der ihm wieder zwischen die Beine geworfen wird, sind Meilensteine, an denen die Schreibende ihre Leser:innen teilhaben lässt. Es bleibt zu hoffen, dass Noah noch glücklich wird, denn mit seiner Einberufung zur Armee ziehen nicht nur dunkle Wolken auf, auch das Schicksal lässt sich nicht in die Karten schauen...
Eine Roman, der von Willkür, Unterdrückung, Misshandlung, Hoffnung und Zuversicht erzählt und dabei ein Stück unbekannter Zeitgeschichte widerspiegelt.